Urheberrecht: Mit zwei Schlägen zur Tiefeninspektion?

Heute ist Tag des geistigen Eigentums. Weltweit! Zur Feier des Tages forderten die üblichen Verdächtigen die üblichen Dinge.* Dieter Gorny forderte zum Beispiel Mitleid eine neue Wertschätzung der Inhalte und ihrer Produzenten. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels möchte laut Heise Online lieber ein „Two-Strikes“-Modell etablieren. Ja, richtig gelesen. Zwei, nicht drei Schläge. Die Idee geht wohl auf einen „ganz persönlichen Vorschlag“  von Hans-Joachim Otto (FDP) im letzten Jahr zurück:

Nicht eine Behörde, sondern die Internet Service Provider selbst sollten Kunden, bei denen sie urheberrechtswidrige Aktivitäten feststellen, zweimal mahnen. Die Kunden bekämen sozusagen die gelbe Karte von ihrem Provider gezeigt.

Mal abgesehen von der Frage, ob Provider „selbstverantwortlich“ in den Datenströmen ihrer Kunden wühlen sollten, um diese anzuschwärzen, unterscheiden sich das Konzept Ottos und das des Börsenvereins aber in einem entscheidenden Punkt. Was statt einer dritten Mahnung passieren sollte, blieb bei Otto noch weitgehend offen. Einzig mit einer automatischen Kappung des Netztzugangs konnte sich der FDP-Politiker nicht anfreunden.

Der Börsenverein hingegen hält im Fall einer dritten Verfehlung die bisher übliche zivil- und strafrechtliche Verfolgung der Tat für angemessen (Bei drei dokumentierten Verstößen wird es vermutlich auch strafrechtlich relevant). Ob auch in diesem Fall die Initiative vom Provider des Kunden ausgehen soll, ist bei Heise leider nicht zu lesen.

Irre ich mich, oder wünscht sich der Börsenverein hier nicht weniger als „DPI für alle!“ und eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung? Sei’s drum. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat sich bereits im Namen der Bundesregierung von entsprechenden Vorstößen distanziert:

Dies wäre ein tiefer Eingriff in die Kommunikationsfreiheit, würde erneut eine Art Vorratsdatenspeicherung notwendig machen, um die ersten Verstöße zu dokumentieren und wäre für die Unternehmen, die das leisten müssten, eine ganz erhebliche bürokratische Mehrbelastung.

Der Hinweis auf die „ganz erhebliche bürokratische Mehrbelastung“ dürfte dabei noch reichlich zurückhaltend formuliert sein. Die von gut informierten Kreisen geschätzten 453.000 Abmahnungen (PDF) in Deutschland im Jahr 2009 allein im Bereich Filesharing dürften sich mit Hilfe „eigentverantwortlich“ kooperierender Provider jedenfalls leicht toppen lassen.

*Tragfähige Geschäftsmodelle für die digitalen Zukunft wurden leider nicht präsentiert. Im Gegenteil.

14 Ergänzungen

  1. Bei 2-Strikes fordert der Börsenverein kein dpi, das heißt aber noch lange nicht, dass dpi-Fantasien nicht von denen vertreten werden. Das Problem bei den 2-Strikes ist, dass man erstmal speichern muss, dass es bereits einen ersten Strike gab. Dazu braucht man wahlweise neue Datenbanken bei den Providern oder eine Behörde wie in Frankreich.

    ich hab mal beim BMJ angefragt, ob ich den Redeausschnitt von Leutheusser-Schnarrenberger richtig verstanden habe, denn die vorgebrachten Argumente gelten auch für 2-Strikes (Abgesehen von der Kommunikationsfreiheit, die auf den dritten strike abzielt).

  2. Ich bin ja ganz verzückt, von der sich Schnarre 2.0 (nach dem damaligen Flop im ersten Anlauf) nun als Wahrerin digitaler Rechte geriert. Und natürlich gespannt, wie lange das diesmal gutgeht, ehe ein protestierener Rücktritt wie damals als einzige Option bleibt.

    Und nun erzählt mir nicht, ich sei wie üblich pessimistisch ;)

  3. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat sich bereits im Namen der Bundesregierung von entsprechenden Vorstößen distanziert

    Nicht wirklich.

    Die Bundesregierung wird daher keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen.

    Im Klartext: gesetzliche Vorgaben wird es nicht geben, aber wenn sich Content-Mafia und ISPs privat auf derartige Maßnahmen einigen, sollen sie ruhig. Das ist doch die FDP-Standardlösung, siehe auch Koch-Mehrin zu den Censilia-Plänen

  4. @Markus: Lassen wir den Börsenverein aussen vor (habe ich oben ja auch):

    Die Frage ist doch, wie man den Part der von Otto geforderten „Selbstverantwortung“ auf Providerseite interpretiert.

    Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, die Provider reagieren weiterhin ausschließlich auf Hinweise von aussen. Dazu müsste die Rechteindustrie weiterhin loggen lassen, könnte aber zumindest nicht mehr direkt (bzw. nach Richterbeschluss) abmahnen.

    Das klingt – ausgehend vom bisher unterstellten Geschäftsmodell der beteiligten Kanzleien – für mich nicht sonderlich praktikabel/realistisch. Oder? Andererseits, bei den zur Diskussion stehenden Volumen …

    Oder die Provider suchen „selbstverantwortlich“. Dann müsste via DPI gefiltert werden (Checksummen meinethalben in Kooperation mit der Industrie), inkl. Vorratsdatenspeicherung.

    Ich würde angesichts der Formulierung „Für dieses „Two-Strikes“-Modell seien neben der Kooperationsbereitschaft der Provider auch ein gesetzlicher Rahmen nötig“ eher auf die DPI-Variante tippen. Aber gut, daher ist ja auch ein Fragezeichen in der Überschrift.

    1. @Jörg-Olaf Schäfers: Die Debatte in Deutschland dreht sich erstmal nur um den ersten Punkt. Statt (oder wohl eher parallel?) zu Abmahnungen will man diese Verwarnungen. Sagt man zumindest öffentlich. In Grossbritanien gibt es auch den weg mit nicht-staatlichen Internetsperrungen durch freiwillige Kooperationen zwischen Rechteindustrie und ISPs. Dager bin ich bei einer Ablehnung von staatlichen Internetsperrungen mit der Betonung auf „staatlich“ immer hellhörig.

      Der Punkt 2 wird gerade über internationale Ebene bei Acta gespielt und will die Haftungsregelungen verändern. Das würde zwangsläufig zu dpi führen. Aber da verschiedene Lobbys sich regelmäßig unterschiedlich zu Wort melden, will ich Pnkt 2 für die nationale Debatte nicht ausschließen.

  5. Zum einen dürfte es rechtlich für die Provider unmöglich sein auf eigene Faust den Datentransfer auf illegale Aktivitäten zu überwachen, zum anderen dürfte es für die Provider technisch unmöglich sein diese Inspektion vorzunehmen, da der nicht total beknackte Illegale ’seine‘ Daten ausschliesslich über verschlüsselte Leitungen senden wird. Ist dann jeder verdächtig der seine Kommunikation verschlüsselt?

  6. @manka: Die Rechtslage kann man anpassen. Ich sehe das Problem auch eher im Bereich der zu überwachenden Datenmengen und im Bereich Verschlüsselung.

    Letztere ist in einem p2p-Netz mit infiltrierten/eingeschleusten peers aber weitgehend irrelevant (Ob diese – wie bisher – von externen Dienstleistern oder direkt vom Provider betrieben werden, ist nochmal eine andere Frage).

  7. Die ISPs sollten mal auf den Boden stampfen und sagen: „Nein Danke, uns gehts jetzt schon so scheiße, dass wir versuchen (müssen) Unternehmen doppelt zur Kasse zu bitten (erst die Standleitung, dann dir präferierte Durchleitung). Da können wir nicht jetzt auch noch die Rechte der Urheber auf eigene Kosten schützen.“

    Oder noch viel besser. Ihr macht das, und geht dann zu GEMA und sagt: „Wir kriegen 50% euer Einkünfte, da wir die ganzen Raubkopien verhindern.“ Na da werden die Rechteinhaber aber Augen machen….

  8. erst darf der michel die banken retten, jetzt gehts darum EU-betrüger zu retten, damit dort die leute weiterhin mit 58 in rente gehen können und der öffentlich dienst dort weiter deutlich mehr verdient als hier.
    als dank wird fleissig an den bürgerrechten rumgefrickelt etc. irgendwann wird den herrschaften politik mal gewaltig in demn arsch getreten werden.

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