Donnerstag spät abends hat die schwarz-rote Mehrheit im Bundestag zwei Gesetze verabschiedet, die das BKA-Gesetz ändern. Es geht dabei zum einen um vorsorgliche Datenspeicherung von Beschuldigten in der polizeilichen Datenbank INPOL und zum anderen um die Überwachung von Kontaktpersonen potenzieller Terrorist:innen.
Die bisherigen Vorgaben waren verfassungswidrig. Das hatte das Bundesverfassungsgericht letztes Jahr festgestellt und eine Änderungsfrist bis Juli gegeben. Es fehlten etwa klare Vorgaben, ab wann und wie lange Daten gespeichert werden dürfen. Anfang Juni verlängerte das Gericht die Frist bis zum 31. März 2026. Doch die Regierungsparteien hielten am ursprünglichen Zeitplan fest. Dabei äußerten Sachverständige in einer Anhörung am Montag deutliche Kritik.
Schnell, schnell – trotz Fristverlängerung
Einer der kritischen Sachverständigen ist Prof. Dr. Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Er bemängelt, dass weiterhin nicht klar geregelt ist, wann eine „vorsorgende Speicherung“ von Personendaten in Polizeidatenbanken erlaubt ist. Die im Gesetz formulierte Erlaubnis, wenn die Speicherung zur „Verhütung oder Verfolgung beitragen kann“, heiße nicht, dass diese auch erforderlich sei.
Arzt kommt zu dem Schluss: „Es drängt sich der Anschein auf, dass mit den eilig in diesem Gesetzgebungsverfahren vorgelegten Neuregelungsvorschlägen Zeit bis zur möglichen erneuten Beanstandung des Bundesverfassungsgerichts nach dem Ende dieser Legislaturperiode gewonnen werden soll.“ Das vorgelegte Gesetz sei „mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar“.
Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider hatte einiges zu beanstanden. Bei der Überwachung von Kontaktpersonen etwa fehlt ein Passus, der ihre Intimsphäre schützt, den sogenannten Kernbereich privater Lebensgestaltung. In einem Gesetzentwurf der Vorgängerregierung, der wegen der geplatzten Koalition nicht mehr durch den Bundestag kam, war das noch berücksichtigt worden.
„Ausgleich zwischen Rechtsstaat und Polizei“
Specht-Riemenschneider riet in ihrer Stellungnahme daher dazu, die entsprechenden Regeln im BKA-Gesetz „aus einem Guss“ zu überarbeiten. Durch die Fristverlängerung des Bundesverfassungsgerichts sehe sie „keine zeitliche Dringlichkeit mehr“.
Die Regierungsfraktionen haben die Mahnungen der kurzfristig konsultierten Fachleute ignoriert. Christoph de Vries (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, betonte in seiner Rede im Bundestag, der Entwurf stelle „einen Ausgleich“ zwischen rechtsstaatlichen Anforderungen und Bedarfen bei der Polizeiarbeit dar. Die Verfügbarkeit von polizeilichen Daten dürfe nicht an Ländergrenzen Halt machen.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die gegen das alte BKA-Gesetz geklagt hatte, kündigte bereits Anfang Juni an, die neuen Gesetze zu prüfen und „gegebenenfalls erneut Verfassungsbeschwerde erheben“ zu wollen. Doch bevor die Regelungen gelten, muss zumindest das Änderungsgesetz zur Datenspeicherung noch den Bundesrat passieren. Widerstand aus den Ländern ist jedoch kaum zu erwarten.
Die ewige Leier. Man ersetzt ein nicht verfassungsgemäßes gesetz durch eine anderes nicht verfassungsmäßiges Gesetz. Bis das BVerfG das wieder kassiert dauert es eine ganze Zeit und die Regierung kann weiter verfassungsfeindlich agieren. Es wird Zeit, daß die Zustimmung zu im Nachhineien vom BVerfG kassierten Gesetzen Folgen haben muß: Verlust des passiven Wahlrechts für mindestens 5 Jahre und sofortiger Verlust aller erlangter Ämter, egal ob Parlamentsmitglied, Minister, Staats sekretzär oder Bundeskanzler.
Ja, das ist durchaus ein Problem. Aktuell gibt es keinen Grund sich an das BVerfG zu halten, denn wie du sagst: einfach das verfassungswidrige Gesetz durch ein neues verfassungswidriges Gesetz ersetzen. Denn rein Formal gilt die Feststellung nur für das kassierte Gesetz. Neuer Name, neues Glück.
Das wäre doch etwas zu hart und eher ein Wunschdenken. Aber das ist auch jedem seine eigene Meinung. Viel vernünftiger wäre IMHO die Gesetze vor der Abstimmung noch einmal durch Experten der Zivilgesellschaft und von unabhängigen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Klar ist aber immer, dass nie alle Seiten zufrieden sein werden, man aber so einen >möglichst< ausgeglichenen Kompromiss erzielen könnte, mit dem alle leben können. Aber wie gesagt, hat da jeder seine eigene Sicht und Meinung.
Sie haben da mit der Demokratie anscheinend nicht verstanden. Die Legislative wird von den Buergern demokratisch durch Wahl bestimmt und legitimiert, die Buerger haben das aktive und passive Wahlrecht.
Da irgendwelche anderen Autoritaeten neben oder gar darueber zu stellen waere genau das: autoritaer und undemokratisch. Aber ist natuerlich bequem.
> Verlust des passiven Wahlrechts für mindestens 5 Jahre und sofortiger Verlust aller erlangter Ämter, egal ob Parlamentsmitglied, Minister, Staats sekretzär oder Bundeskanzler.
Damit sollte gleichzeitig auch ein Verbot einhergehen, die Personen in jeglicher Weise zur EU wegzuloben. Lebensläufe wie der einer Ursula von der Leyen gehören gefälligst endlich mal als abschreckendes Beispiel und kontraproduktiv für die öffentliche Wahrnehmung der EU betrachtet.
Der Ruf des Bürgers nach der höheren Instanz ist letztlich eine demokratiefeindliche Konsumentenhaltung.
Diese Instanz sind die Bürger mit ihrem aktiven und passivem Wahlrecht. Müsste man halt was für tun.
Gut das der de Vries das mal so klar ausspricht: die Anforderungen des staatlichen Repressionsorgans „Polizei“ benötigen einen Ausgleich via Gesetz da sie nach bisherigen Standards nicht rechtsstaatlich waren.
So klingt der Obrigkeitsstaat, ein Höllensound.
Wundert das denn bei einer Regierung mit law-and-order-Hardlinern wie CDU / CSU?
„Es wird Zeit, daß die Zustimmung zu im Nachhineien vom BVerfG kassierten Gesetzen Folgen haben muß…“
Schön wär’s. Aber darauf kann man wahrscheinlich bis zum Sankt Nimmerleinstag warten.
„Schön wär’s. Aber darauf kann man wahrscheinlich bis zum Sankt Nimmerleinstag warten.“
Naja, in meiner Modellüberschlagsrechnung erfordert eine balancierte Zivilisation diese Checks and Balances durchaus. Demgemäß müsste man also vorher aus der Kurve fliegen, jedenfalls deutlich vor dem Sanktnimmerleinstag!
„Naja, in meiner Modellüberschlagsrechnung erfordert eine balancierte Zivilisation diese Checks and Balances durchaus.“
In meiner zwar auch. Aber wie realistisch ist das angesichts der aktuellen Entwicklungen? Allen voran mit CDU / CSU an der Regierung?
Man sieht’s ja nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen EU. Klar, die Gerichte haben schon oft schlimme Dinge verhindert. Aber was ist die Konsequenz für diejenigen, die solche Dinge durchboxen wollen? Im Grunde immer nur ein „dududu, das wird nicht gemacht“. Nie mal ernsthafte Konsequenzen, die diese Überwachungsfanatiker mehr als verdient hätten.
Und solange das nicht passiert, werden die Angriffe immer weiter gehen und die Gerichte über kurz oder lang ihre bislang restriktiven Positionen scheibchenweise aufweichen. Hat man ja schon oft genug gesehen.
Sei es beispielsweise damals die VDS beim EUGH oder jetzt neuerdings von BGH die Entscheidung, dass Polizisten unter bestimmten Voraussetzungen Leute zur biometrischen Entsperrung von Geräten zwingen dürfen
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/2str23224-bgh-auflegen-finger-entsperren-handy-ermittlungen-dateien
Daher: Ja, dies Checks und Balances sind bitter nötig. Was jedoch am Ende tatsächlich erreicht wird, ist eine ganz andere Frage