Zu langsam gehe es voran mit dem Glasfaserausbau in Deutschland, warnt die EU-Kommission. Wenn bis zum Jahr 2030 zumindest alle Gebäude einen Glasfaseranschluss haben sollen, so steht es in der Zielvorgabe, müsste sich der Ausbau „erheblich beschleunigen“.
Denn im Jahr 2024 seien nur knapp 37 Prozent der Gebäude direkt an ein Glasfasernetz angeschlossen gewesen, rechnet die EU-Kommission in ihrem aktuellen Zwischenbericht zur „Digitalen Dekade“ vor. Zwar habe sich die Versorgung im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozentpunkte verbessert, Deutschland liege jedoch weiterhin deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 69 Prozent auf dem vorletzten Platz der EU-Statistik.
Neben dem Netzausbau setzt das EU-Programm zur „Digitalen Dekade“ den Mitgliedstaaten Ziele zu digitalen Kompetenzen sowie der Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung. Die jährlich erscheinenden Zwischenberichte untersuchen den Fortschritt in den einzelnen Ländern sowie auf EU-Ebene insgesamt. Wie schneidet Deutschland ab?
Die Gigabitdefensive?
Unabhängig von der Anschlussart – ob DSL, Kabel oder Glasfaser – hinkt Deutschland dem Rest der EU nach. Über die Hälfte aller deutschen Haushalte nutzt Anschlüsse mit Bandbreiten von mindestens 100 MBit/s, im EU-Schnitt sind es knapp 72 Prozent. Gigabit-Geschwindigkeiten erreichen hierzulande lediglich 6 Prozent, EU-weit sind es über 22 Prozent.
Gut steht Deutschland aus Sicht der EU hingegen bei der Netzabdeckung mit dem aktuellen 5G-Mobilfunkstandard da. Laut Bericht erreicht das 5G-Netz inzwischen 99 Prozent der deutschen Haushalte. Selbst in ländlichen Gegenden können 96 Prozent der Haushalte über 5G funken. Allerdings nutzen lediglich etwa 38 Prozent der Deutschen 5G-fähige Angebote.
eID wenig genutzt
Damit ist die Nutzung des neuesten Mobilfunkstandards ähnlich weit verbreitet wie die der elektronischen Identität (eID), obwohl die eID bereits seit 2010 als Teil des Personalausweises ausgestellt wird. Von den knapp 40 Prozent Besitzer:innen solcher Identitäten nutzen laut Report nur 22 Prozent ihre eID auch tatsächlich. Folglich verwendeten weniger als 7 Prozent der Deutschen die eID für digitale Behördengänge – deutlich weniger als der EU-Schnitt von knapp 36 Prozent. Der EU-Bericht kommt zum Schluss: „Der wahrgenommene Nutzen der eID scheint eingeschränkt“.
Neben dieser Erkenntnis bewertet der EU-Bericht die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) durchweg positiv – ungeachtet aller Kritik und enthüllten Sicherheitslücken. Zudem kritisiert Euractiv das Framing der Kommission: So werde in den nationalen Berichten vom Erfolg des Glasfaserausbaus gesprochen, während im EU-weiten Bericht vor dem Scheitern gewarnt wird. Euractiv sieht darin eine Schieflage, mit der die Kommission kommende Deregulierung im Zuge des für Ende des Jahres geplanten Digital Networks Act (DNA) legitimieren könnte.
Der Begriff „Digitalisierung“ ist eine Begriffswolke, weil zu unpräzise. Daher eignet er sich recht gut, um weniger schöne oder gefährlich Entwicklungen zu vernebeln. Das klappt vor allem bei Menschen recht gut, die – noch immer – einem naiven Fortschrittsglauben nachhängen, und nicht merken, dass sie mit einfachen Bequemlichkeitsversprechen geködert werden und in erster Linie andere durch Digitalisierung viel mehr profitieren.
Irgendwie scheint mir, die EU Kommission ist sowas wie das herrschungszentrum für alles. Die Kommission ist weder gewählt, macht keine Gesetze und kontrolliert sich selbst, aber alle Staaten müssen folgen.
Auch hier klingt es wie ein autokratische Bürokratie, die vorschreibt welche Überwachung und Kontrollmechanismen aufgebaut werden sollen. Natürlich immer so formuliert das es klingt als ob sie was gutes wollen.
Ich Frage mich dann immer warum wir eigentlich noch kommunal, Landes und Bundesparlamente wählen, wenn die gar nicht solche Dinge entscheiden sondern nur noch umsetzen sollen?
und natürlich muss man konkret auch fragen, warum technisch sinnvolles nicht umgesetzt wird. der Glasfaser Ausbau war ja schon unter Kohl Thema. Aber dafür musste es doch vor Ort Kontrolle durch die Opposition in den Parlamenten geben. was ist mit unserer Demokratie passiert?
100 Mbit/s, Glasfaser, ePa und eId als Maßstab für „Digitalisierung“?
Mir fallen gerade dutzende Alternativen ein. Aber zugegeben, bei denen fehlen die Dollarzeichen vor den Augen und das Machtstreben in jedem einzelnen Knochen. Netzneutralität? Kinder im Netz? Das Recht sich aus öffentlich zugänglichen Quellen frei zu unterrichten? Überhaupt mal Netz zu bekommen? Digitale Selbstbestimmung? Das Recht, kein Phone zu haben?
Gut gut, wenn ich weiter mache, dann geht NP der 2000-Zeichen Platz und den Lesern die Geduld aus. Meine Erklärung für die Sicht der EU: sie wollten auch mal witzig sein.
Mich würde eher der „un(ter)digitalisierte“ Zustand interessieren: Wieviele Haushalte oder wieviel Prozent der Fläche sind entweder gar nicht erreichbar („weiße Flecken“) oder haben nur maximal 2 MBit?