Recht auf InternetSteiniger Weg zum schnellen Internet

Das neue Recht auf Internet nimmt Fahrt auf. Erste Haushalte haben ihren Anspruch angemeldet. Wenn sie Recht bekommen, müssen Provider Kabel verlegen. Probleme gibt es selbst in gut angeschlossenen Orten.

Ein Bagger steht neben einer einzelnen Person
Das Recht auf schnelles Internet steht jedem einzelnen Haushalt zu und dürfte einige Bagger in Bewegung setzen. (Symbolbild) – Vereinfachte Pixabay Lizenz Bild: PIRO4D / Bearbeitung: netzpolitik.org

Stuhr ist ein vorbildlicher Ort. Kaum ein anderer Fleck in Deutschland ist so gut mit Gigabit-Internet versorgt wie die südlich von Bremen gelegene Gemeinde. Mehrere Glasfaser-, DSL- und Kabelbetreiber locken Kund:innen mit Angeboten. Neben den privaten Anbietern schließt ein kommunales Projekt schrittweise die verbliebenen Ausbaulücken im Landkreis Diepholz.

Und trotzdem bleiben einzelne Häuser vom Internet abgeschnitten. Die stehen nicht einmal völlig abgelegen: „Das sind Adressen mitten in den Schwarzen Flecken“, sagt der Bürgermeister Stephan Korte. Als „Schwarze Flecken“ gelten Gebiete, die praktisch lückenlos und zeitgemäß versorgt sind, anders als etwa „Weiße Flecken“. Warum bloß haben diese Häuser kein Internet?

Vor allem neugebaute Einfamilienhäuser drohen, durch das Raster zu fallen. Führt an ihnen keine bestehende Leitung unmittelbar vorbei, wird es für die Netzbetreiber schnell unwirtschaftlich. „Die Privaten rechnen genau – bis zu einem bestimmten Haus geht es noch, aber danach ist Schluss“, sagt Korte.

Das Recht auf Internet einklagen

In genau solchen Fällen soll das neue Recht auf Internet helfen. Eingeführt wurde es letztes Jahr, seit dem Juni stehen die technischen Details fest: Wer keine Internetleitung hat oder eine sehr langsame – unter 10 MBit/s im Download und 1,7 MBit/s im Upload – kann dieses Recht einklagen. Bestätigt die Bundesnetzagentur die Unterversorgung, kann sie einen Netzbetreiber dazu verpflichten, den Anschluss herzustellen.

Bereits im Frühjahr hat sich die Behörde vor Ort umgesehen. In Stuhr, Halvesbostel, Mittelstenahe und mehreren anderen Gemeinden in Niedersachsen haben Bürger:innen ihren Anspruch auf ihr Recht auf Internet geltend gemacht. Gemeinsam mit Netzbetreibern sowie Vertretern des Bundeslandes Niedersachsen und der lokalen Politik wurden dort die „tatsächlichen Sachverhalte“ ermittelt, teilt ein Sprecher der Regulierungsbehörde mit.

Ortstermine sollen Klarheit schaffen

Peer Beyersdorff war bei dem Ortstermin in Stuhr ebenfalls dabei. Der Chef des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen koordiniert und unterstützt Kommunen beim Aufbau von Breitbandnetzen. Beim Ortstermin hätten alle mit dem Finger auf den anderen gezeigt. „Niemand will den Ball auffangen“, sagt Beyersdorff. Letztlich habe die Bundesnetzagentur unter anderem ausgemessen, wie weit der nächstgelegene Kabelverzweiger entfernt ist.

Kabelverzweiger (KVz) sind diese grauen Kästen, die an vielen Straßenrändern stehen. Von dort laufen die Kabel in die Häuser und überbrücken die sogenannte letzte Meile, in der Regel mit einem Kupferkabel. Ans Hauptnetz sind sie zunehmend über Glasfaser angeschlossen. Die allermeisten dieser KVz gehören der Telekom Deutschland, genauso wie die letzte Meile, die Teilnehmeranschlussleitung (TAL).

Noch ist nicht restlos geklärt, wie solche Prozesse von Anfang bis Ende laufen werden. „Bislang hat die Bundesnetzagentur in keinem Einzelfall die Feststellung von Bedarf und Unterversorgung getroffen“, betont die Bonner Behörde. Die Verhältnisse auf dem Markt könnten aber dazu führen, dass in vielen Fällen die Telekom zum Ausbau verpflichtet wird.

Mobilfunk und Satellit keine gute Alternative

Die Regulierer haben dabei einen „relativ großen Ermessensspielraum“, sagt der Breitbandexperte Beyersdorff. Vor allem gehe es aber darum, „wer ist wirtschaftlich am schnellsten und günstigen in der Lage, einen Anschluss herzustellen?“ Ist ein KVz mit Glasfaser ausgestattet, dann werde das oft die Telekom sein.

Beyersdorff rechnet mit rund 12 Monaten, die zwischen einer Beschwerde und einer Ausbauverpflichtung verstreichen werden. Er hält nicht viel von Alternativen wie Mobilfunk oder Satelliteninternet. Darauf verweist die Industrie gerne, und theoretisch kommen auch sie in Frage. Aber damit ließen sich weder die Mindestvorgaben in puncto Geschwindigkeit und Latenz garantieren, noch seien einigermaßen konkurrenzfähige Produkte derzeit erschwinglich.

Bis zum 1. August haben die Beteiligten Zeit, Stellungnahmen abzugeben, teilt eine Sprecherin der Deutschen Telekom auf Anfrage mit. „Falls die Bundesnetzagentur in der Folge die Verpflichtung zur Universaldienstleistung bei der Telekom sehen sollte, wird die Telekom die Entscheidung respektieren und entsprechend umsetzen“.

Dann beginnt die Uhr zu ticken: Bis zu sechs Monate haben Netzbetreiber Zeit, nach einer Verpflichtung ein Produkt bei den Kund:innen anzubieten. Die Branche sieht das kritisch. „Als privatwirtschaftliches Unternehmen können wir nur effizient arbeiten, wenn insbesondere Massenprozesse standardisiert sind“, sagt ein Sprecher des Anbieters Ewe Tel. Dies sei beim Universaldienst nur in sehr begrenztem Umfang möglich.

2030 soll jedes Haus Glasfaser haben

Das einst als Energieversorger gegründete Unternehmen bietet inzwischen zunehmend Internetdienstleistungen in Nordwestdeutschland an. Als in Stuhr tätiger Anbieter kommt Ewe Tel ebenfalls für einen angeordneten Ausbau in Frage.

Sollte es dazu kommen, müssten Tiefbaukapazitäten „extrem kurzfristig“ bereitgestellt werden – und „das für sehr wenige oder sogar einzelne Anschlüsse“, sagt der Firmensprecher. „Je mehr solcher Fälle wir bekommen werden, desto langsamer wird der eigentliche Breitbandausbau vorankommen.“

Bis 2030 soll jedes Haus an ein Glasfasernetz angeschlossen sein, schrieb die Bundesregierung jüngst in ihrer Gigabitstrategie fest. Schaffen soll das eine Kombination aus privaten Investitionen und dem seit 2015 staatlich geförderten Ausbau. Branchenangaben zufolge wollen die Privaten in den kommenden Jahren rund 50 Milliarden Euro investieren.

Bis zu 330.000 Haushalte betroffen

Ob das Recht auf Internet wirklich das Potenzial hat, diesen Plänen nachhaltig zu schaden, bleibt vorerst offen. Für einen flächendeckenden Ausbau sei es jedenfalls nicht geeignet und auch „kein Wunderinstrument“, sagt der Experte Beyersdorff. Dazu gebe es zu wenige Fälle. Laut Bundesnetzagentur könnten potenziell bis zu 330.000 Haushalte betroffen sein, allerdings wird laufend ausgebaut.

Für kleine Neubaugebiete in kleinen Gemeinden sei der Universaldienst aber eine „tolle Sache“, sagt Beyersdorff. Gerade vor dem Hintergrund der versprochenden Milliardeninvestitionen könnten die Netzbetreiber „schon an einzelnen Stellen die bittere Pille schlucken und verpflichtend ausbauen“.

2 Ergänzungen

  1. Das Internet ist seit 2010 „Neuland“ und wirklich Interesse daran, was am aktuellen Stand zu ändern, das liegt nicht vor.
    Man will die Kosten des Ausbaus auf die Nutzer abwälzen, mit falschen Versprechen wird beworben und am Ende sitzt man ohne Internet da.

    So die Erfahrungen der letzen 20 Jahre.
    Via Satellit und Funk geht vielleicht in einem Land, das so flach wie Holland ist, in Deutschland ist das teilweise nicht möglich.

    Die Digitalisierung ein schlechter Witz….

    Deutschland halt.
    Und da wird sich auch so schnell überhaupt nichts ändern.
    Die Deutschen bekommen ja nicht einmal ein Tempolimit hin, welches schon seit über 20 Jahren überfällig ist.

  2. Ist schon eine einzigartige Lächerlichkeit in Deutschland. 2015 wurde über die Telekom IP mit der Begründung vermarktet, wann wolle bis 2018 j e d e m Haushalt einen Internetanschluss mindestens 16 Mbits zur Verfügung stellen.
    Im Jahr 2022 dürfen wir feststellen, das sie ihr eigenes Ziel verfehlt hat.
    Nun soll es ein Recht auf 10 Mbits für alle Haushalte geben. Ich lache laut.

    Was mich hier mittlerweile viel mehr interessiert: Warum subventioniert der Staat das Ganze? Warum ist es erlaubt Kooperationen einzugehen, wo die eine Seite sich an die Kosten beteiligt? Zb die Koop zwischen Telekom und der Deutschen Bahn.

    Die Telko-Unternehmen machen immense Milliardenumsätze in Deutschland, Kunden bezahlen vor allem in Deutschland horrende Kosten für Mobilfunk- Internetverträge. Wie kann es da legitim sein, das sich die Telkos den Ausbau durch Kooperationen und auch staatliche Subventionen zusätzlich bezahlen lassen

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