Afghanische lokale Angestellte, die für eine deutsche Entwicklungsagentur gearbeitet haben, sind in größerer Gefahr als bislang angenommen. Das zeigt eine Recherche des Bayrischen Rundfunks. Demnach werden Afghan:innen, die in einem Bildungsprojekt für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeiteten, von den Taliban verfolgt. Für die, die noch auf der Flucht sind, könnten nun persönliche Daten, die sie für die Einstellung bei der GIZ benötigten, zu Festnahmen, Folter und Tod führen. Die Taliban haben mittlerweile Zugriff auf sämtliche Polizeidatenbanken.
Mangelnder Datenschutz wird zur Gefahr
Bei den Betroffenen handele es sich laut BR um etwa 3.200 afghanische Lehrer:innen, die für die deutsche Entwicklungsorganisation lokale Polizeibeamte unterrichten sollten. Um für die GIZ arbeiten zu dürfen, benötigten sie einen Nachweis einer Sicherheitsüberprüfung, die von den Behörden durchgeführt wurde. Diese Daten, etwa Name und Geburtsdatum, sogar Fingerabdrücke, seien nun auf Polizeiservern, auf die die Taliban zugreifen können. Ein Aufspüren der Verfolgten wird dadurch leichter. Zudem könnten die Betroffenen dadurch keine Reisepässe beantragen, heißt es in dem Bericht.
Jeder Nachweis einer Verbindung zu der Entwicklungsgesellschaft ist für die Lehrer:innen ein Problem, da sie für das Polizeiprojekt der GIZ tätig waren. Die Taliban würden sie deshalb als Teil der Sicherheitskräfte betrachten, heißt es. Ein weiteres Problem ist deshalb die Lagerung sensibler Dokumente in ungesicherten Räumen. Laut den Recherchen befinden sich dort Informationen über die Mitarbeitenden, die nach deutschen Standards so nicht zugänglich sein dürften.
Betroffene nicht als Ortskräfte anerkannt
Trotz zahlreicher Belege für die Verfolgung ehemaliger Ortskräfte werden die Lehrer:innen des Polizeiprojekts nicht als Ortskräfte anerkannt. Sie erhalten dadurch kein Visum und werden nicht nach Deutschland aufgenommen. Das Entwicklungsministerium sieht laut dem Bericht keine Anzeichen für eine systematische Verfolgung der Beteiligten. Ein afghanischer Lehrer äußerte sich gegenüber dem BR: Seine ehemaligen Kolleg:innen seien gefoltert und einer von ihnen getötet worden.
Bisher sind laut Bundesregierung knapp 20.000 afghanische Ortskräfte in Deutschland angekommen. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 sind sie und ihre Familien besonders gefährdet. Trotzdem sind immer noch Menschen dort, die den Deutschen vor Ort geholfen haben. Die Bundesregierung hatte eigentlich versprochen, sie in Sicherheit zu bringen.
In wessen Zuständigkeit fällt der Schutz sog. lokaler „Hilfskräfte“ im Ausland?
Was ist der Grund, dass Menschen die für deutsche Behörden und Instititionen gearbeitet haben, und deren Familien noch immer nicht in Sicherheit leben?
Wer sind jene, die nichts tun und wer sind jene die aktiv sich dagegen stemmen?
Man kann nur davor warnen, sich als Einheimischer bei Deutschen im Ausland zu verdingen.
Denn so schäbig kann „Dank“ ausfallen, vor allem wenn Leib und Leben gefährdet sind.
Auch andere Hilfsorganisationen können ein Lied von Nicht-Unterstützung singen, weil deutsche Ämter einfach als „nicht hilfsbedürftig“ oder „nicht zutreffend“ qualifizieren. Zitat:
„Wenige Tage später rief uns das AA an und teilte uns mit, dass unsere Mitarbeiter nicht als
Ortskräfte angesehen werden.“
https://kinderberg.org/wp-content/uploads/2021/12/Evakuierung_lokaler_Mitarbeiter_aus_AFG.pdf
Als Konsequenz daraus sollte auf Beschäftigung Einheimischer verzichtet werden, wenn die Beschäftigung zu Gefahren für Leib und Leben lokaler Hilfskräfte werden kann.
Generell haben Organisationen eine Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten und sollten kulturelle, ethnische, politische, militärische und kriminelle Umstände verantwortlich berücksichtigen. Etwaige schäbige deutsche Bundespolitik muss dabei antizipiert werden, denn sie orientiert sich an schnell wechselnden politischen Stimmungen der deutschen Bevölkerung. Zudem ist die Politik hierzulande wenig geneigt Leib und Leben deutscher Soldaten bei überstürzten Evakuierungen zu riskieren, wenn es sich nicht um deutsche Staatsangehörige handelt.
Es besteht daher eine Aufklärungspflicht von Organisationen bei Vertragsabschluss mit lokalen Hilfskräften, dass diese sich nicht darauf verlassen können, bei bedrohlichen Lagen von Deutschland gerettet zu werden.
Selbstverständlich sind deutsche Regierungen Gestalter des Ansehens Deutschlands in der Welt. Das Zurücklassen treuer Hilfskräfte im Konfliktfall prägt dieses Ansehen in der Welt genauso nachhaltig, wie es Hilfsorganisationen unter deutscher Flagge betrifft.
Erst vor einer Woche war bekannt geworden, dass Tausende Afghanen noch auf einen Termin zur Beantragung eines deutschen Visums zum Familiennachzug warten. Bei den zuständigen Visastellen an den deutschen Botschaften im pakistanischen Islamabad und im indischen Delhi sind derzeit knapp 5000 Personen registriert, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hervorgeht. Dabei betrage die Wartezeit mehr als ein Jahr. Vor allem für allein reisende Frauen sei es schwierig, überhaupt aus Afghanistan auszureisen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-ortskraefte-visa-1.5594444
Auch über den Iran würden demnach weiterhin regelmäßig Personen ausreisen. Laut Auswärtigem Amt konnten deutsche Visastellen seit der Machtübernahme der Taliban „mehr als 18.000 Visa für Ortskräfte, besonders gefährdete Personen, die eine Aufnahmezusage seitens der Bundesregierung erhalten haben, und deren Familienangehörige“ ausstellen.
Allein Anfang 2022 seien innerhalb von zwei Monaten etwa 5000 Personen ohne Pässe bei der Ausreise aus Afghanistan auf dem Landweg und anschließend bei ihrer Weiterreise nach Deutschland unterstützt worden.
https://www.tagesschau.de/inland/bundeswehr-ortskraefte-101.html