Digitalstrategie„Wir müssen jetzt endlich liefern“

In Berlin fand heute die Auftaktveranstaltung zur Digitalstrategie der Bundesregierung statt. Digitalminister Wissing stellte dabei den Beirat vor, dem Vertreter:innen der Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft angehören. Gerade Letztere sollen den „digitalen Aufbruch“ in der Umsetzungsphase offenbar noch „mit frischen Impulsen“ versorgen.

Ein Beirat soll die Umsetzung der Digitalstrategie begleiten. – Alle Rechte vorbehalten BMDV

Ihre Digitalstrategie hat die Bundesregierung bereits im August vorgestellt. Bislang sind aber zentrale Fragen der Umsetzung noch offen – allen voran: Wie werden die Fortschritte bei der Umsetzung der Digitalstrategie überprüft? Welche Folgen hat es, wenn die beteiligten Ministerien ihre Ziele verfehlen? Und wie kann die Gesellschaft möglichst breit in diesen Prozess einbezogen werden?

Am heutigen Mittwoch lieferte das federführend für die Digitalstrategie verantwortliche Bundesdigitalministerium (BMDV) von Volker Wissing (FDP) Antworten: Mit einem Drei-Säulen-Modell – das auf einem Beirat, einer Datenbank und einer Wirkungsmessung fußt – soll der Fortschritt kontinuierlich beobachtet und ausgewertet sowie gegebenenfalls im Prozess nachgesteuert werden. „Wir müssen jetzt endlich liefern“, lautete der Tenor bei der Vorstellung des Vorhabens.

Der Beirat als „unbequemes Gremium“

Mit ihrer Digitalstrategie will die Bundesregierung einen „umfassenden digitalen Aufbruch“ für Deutschland einläuten. Dazu zählt etwa, die Elektronische Patientenakte oder den Online-Ausweis samt digitaler ID in den Alltag einziehen zu lassen. Als Leuchtturmprojekte nennt die Regierung etwa ein noch aufzubauendes Ökosystem für Mobilitätsdaten oder am Gemeinwohl orientierte KI-Anwendungen.

Dem frisch einberufenen Beirat, der im Vorfeld der Veranstaltung seine erste Sitzung hatte, gehören 19 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft an. Er soll den Ministerien externe Impulse liefern. Das Augenmerk der Beiratsarbeit liege auf der Liste mit 18 Leuchtturmprojekten, die auch in der Digitalstrategie genannt werden, sagte Wissing auf einer heutigen Pressekonferenz. Geplant sind 10 Sitzungen im Jahr; auf jeder dieser Sitzungen stehen zwei der Projekte im Fokus. Jedes Mitglied des Beirats übernimmt dabei eine „Themenpatenschaft“ für eines der Leuchtturmprojekte.

Es werde sich um ein „unbequemes“ Gremium handeln, kündigte Jura-Professorin Louisa Specht-Riemenschneider an. „Wir werden da mahnen, wo es zu langsam oder in die falsche Richtung geht und konstruktive Vorschläge machen“, sagte die Expertin aus Bonn. Gemeinsam mit Thomas Koenen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) steht sie dem Beirat vor.

Auch Koenen sieht den Beirat in der Rolle des „unbequemen Mahners“. Er betonte, dass es bei der Digitalisierung nicht an Ideen mangele, sondern vielmehr an der Umsetzung hapere. Es sei in den vergangenen Jahren viel geredet, aber nur wenig umgesetzt worden. Als Beispiel nannte er das Onlinezugangsgesetz.

Nach der Vorstellung der Digitalstrategie im Sommer war Kritik laut geworden, weil die Zivilgesellschaft nur mangelhaft eingebunden war. Stattdessen fanden zahlreiche Gespräche mit Vertreter:innen der Wirtschaft statt, was sich auch in weiten Teilen an der Strategie selbst ablesen lässt. Offenkundig versucht das BMDV nun, die Zivilgesellschaft zumindest in der Umsetzung einzubinden.

Letztlich müsse die Digitalisierung der gesamten Gesellschaft dienen, betonte entsprechend Specht-Riemenschneider. Die Umsetzung der Strategie müsse in einem Beteiligungsprozess erfolgen, der Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einschließt. „Man muss miteinander reden“, sagte die Juristin. Denn die Interessen von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft lägen nicht so weit auseinander, wie es oft erscheine.

Welche Wirkung hat die Digitalstrategie?

Der Beirat wird hinter verschlossenen Türen tagen, wie Specht-Riemenschneider ankündigte. Der aktuelle Umsetzungsstand soll allerdings regelmäßig öffentlich präsentiert und diskutiert werden. Ziel sei es, die To-do-Liste der Digitalstrategie konsequent abzuarbeiten.

Innerhalb der Regierung soll dazu ab dem kommenden Jahr eine Datenbank die 135 Zielvorgaben der Digitalstrategie monitoren – die zweite Säule der Umsetzungsstrategie. Dabei muss jedes Ressort eigenverantwortlich Daten einpflegen. So soll eine bessere ressortübergreifende Vernetzung sichergestellt werden. Damit werde so auch transparent, wer die Projektverantwortlichen sind und woran diese arbeiten.

Als dritte Säule soll der Thinktank Agora Digitale Transformation eine Wirkungsmessung der Digitalstrategie durchführen. Es soll „sicherstellen, dass Digitalisierungsschritte konsequent erfolgen“, so Wissing. Im Zentrum stehe dabei die Frage, wie „Maßnahmen für die Bürger:innen wirken“.

Der weitere Fortgang der Umsetzung der Digitalstrategie Deutschland soll sich auf www.digitalstrategie-deutschland.de einsehen lassen. Auf jeden Fall dürfe Deutschland bei der Digitalisierung nicht mehr weiter hinterherhinken, sagte Wissing: „Wir brauchen schnell Hebelprojekte, die Türen öffnen.“

10 Ergänzungen

  1. Liefern bei Digitalstrategie bedeutet, dass man eine Strategie erstellen muss. Ich bin nicht sicher, ob den Leuten das klar ist…

  2. Wenn in der Küche Überschwemmung herrscht, braucht man Handwerker, die wissen was zu tun ist, weil sie ihr Handwerk gelernt haben und auch ad-hoc improvisieren können. An solch pragmatischen Leuten mit Visionen, die ein Unternehmen wie ein Familienunternehmen führen können – nämlich langfristig, gebricht es im trägen Deutschland.

    Was man nicht braucht, sind Arbeitskreise, Beiräte, Stuhlkreise, Debattierclubs und sonstige Diskussionsrunden, in denen ewig durch Totquatschen um den kleinsten gemeinsame Nenner gerungen wird.

    Was zum Geier will man mit einer Datenbank, wenn Kabel fehlen, weil es sich angeblich nicht rentiert und plötzlich nach jahrelangem Nichts-Tun die Straße zweimal hintereinander im allgegenwärtigem Verteilungskampf von konkurrierenden Unternehmen aufgerissen wird.

    Niemand braucht ein „Drei-Säulen-Modell“ sondern eine Infrastruktur, die funktioniert. Und eine Verwaltung, die erreichbar und in angemessener Zeit einen Verwaltungsakt auszuführen im Stande ist, auch wenn es sich „nur“ um die Ausstellung eines neuen Personalausweises oder die Anmeldung eines PKWs handelt.

    An diesen fundamentalen Dingen krankt es in Berlin massiv. Und das nicht erst seit gestern. Das ist ein Personalproblem.

    Da muss einer von oben kräftig mit der Faust auf den Tisch hauen und durchgreifen.

  3. Aus der von Euch verlinkten Digitalstrategie-Seite:

    Digitales Gefechtsfeld (BMVG)

    KI bietet die Möglichkeit einer weitgehend automatisierten Überwachung, um bereits im Vorfeld einer Krise das Ausmaß der möglichen Bedrohung besser abschätzen […] zu können. Überwachung und Aufklärung werden so ressourcenschonender und weniger gefährlich.

  4. So auf Anhieb ist im Beirat „die Wirtschaft“ in den Gruppen „Wirtschaft“, „Wissenschaft“ und „Zivilgesellschaft“ vertreten.

    1. Ja, aber nur jew. 1x mit Stimmrecht!
      Dabei wird natürlich der Anteil aus dem Wirtschaftsbereich angesetzt.

  5. Ende der 1990er hieß es bei uns (öffentliche Verwaltung), dass man bald alles auf papierlos umstellen wolle. Wir hatten 386er Computer – auf ausgewählten Arbeitsplätzen – mit Windows 3.1.

    Hoffen wir mal, dass es nun etwas schneller wird …

    1. Nee, das damals war ein überkapables Virus, das jegliches Computersystem in kürzester Zeit lahmlegen konnte, sogar Raumkreuzer der Korg.

      Das hatten die aus dem Werbeblatt der damaligen Einflüsterer, deren Job durchaus Digitalisierung war, das allerdings nicht für die Menschheit.

  6. Sieht so aus, als müsse der online ausgefüllte „digitale Bafögantrag“ bei den Studentenwerken ausgedruckt werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.