Starlink & Co.Der Sternenhimmel gehört uns allen – und nicht Elon Musk und Jeff Bezos

In den nächsten Jahren sollen zehntausende Satelliten in den erdnahen Orbit geschossen werden. Das soll überall schnelles Internet garantieren. Doch das Konzept ist falsch, es gefährdet die Astronomie und den Zugang zum Weltall. Ein Kommentar.

Sternenhimmel mit Tanne
Gehören solche Bilder bald der Vergangenheit an? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Alan Chen

Im letzten Sommer sah es so aus, als sei der ruhige Sternenhimmel für immer verloren. Plötzlich kreuzten helle Satellitenzüge das Firmament. Es fühlte sich an, als ob die Sterne für immer in den Hintergrund treten würden.

Multimilliardäre wie Elon Musk und Jeff Bezos, aber auch Staaten wie China, stehen kurz davor, unseren Himmel zu dominieren. Wenn sie dabei die Satelliten nicht signifikant abdunkeln, werden unsere Kinder statt dem funkelndem Glitzern und der Magie von Sternschnuppen vor allem vorbeifliegende Gerätschaften und menschengemachte Formationen sehen. 

Die neuen Satelliten im erdnahen Orbit sollen weltweit Internet bringen. An jeden Ort. Ich bin ein großer Freund des Breitbandausbaus und von schnellem Internet überall.

Befürworter:innen der Projekte bringen neben der weltweiten Versorgung mit Internet noch ein weiteres Argument für die Satelliten-Flotten: Es könnte Zensur umgehen. Doch wie weit trägt das, wenn Konzerne – wie in der Vergangenheit schon so häufig – sich dem Druck der Wirtschaftsmacht Chinas oder anderer autoritärer Regime beugen? Und könnte ein europäisches Satelliten-Internet, wie es etwa eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik beschreibt, dem wirklich etwas entgegensetzen?

Ich fand Technikpessimisten immer sonderbar. Und vielleicht redet es sich leicht aus dem recht gut internetversorgten Mitteleuropa. Doch wir müssen das anders machen. Wir können das anders machen. Der Preis und die Gefahren eines Satelliten-Internet aus dem erdnahen Orbit sind zu viel groß. Gleichzeitig ist der Nutzen für die Menschheit fraglich.

Gefahr für die Astronomie

Die Gefahr für den Sternenhimmel ist noch nicht gebannt, weil es keine Standards gibt, wie dunkel die neuen Satelliten sein sollen. Mit bloßem Auge können wir Menschen bis zu 5.000 Sterne sehen. Das Unternehmen Starlink von Musk will alleine 42.000 Satelliten in den nahen Erdorbit schießen, zusammen mit anderen Projekten von beispielsweise Amazon sollen es in den nächsten Jahren zusammen  55.000 sein. Die Zahl 100.000 steht im Raum. Bis zum Jahr 2027 will alleine Musk 12.000 im Himmel haben.

Starlink-Satelliten in Langzeitaufnahme
Starlink-Satelliten in Langzeitaufnahme. - CC-BY-SA 2.0 jabberwock

Auf Musks Satellitenzüge gab es weltweit einen Aufschrei, nicht nur von Astronom:innen. Starlink reagierte und versucht seitdem, die Satelliten dunkler zu machen. Mittlerweile tragen die Satelliten kleine Schirmchen, damit sie nicht so hell leuchten. Dennoch wird die Astronomie in Zukunft tausende sich bewegende Satelliten gleichzeitig am Nachthimmel beobachten müssen.

Schon die heute im Orbit kreisenden etwa 1.700 Satelliten von Starlink haben den Nachthimmel aufgehellt. Auch wenn die neue Generation der Starlink-Satelliten dunkler ist: Die Arbeit der Astronom:innen ist gefährdet, sie müssen die menschengemachten Ereignisse aus ihrer Forschung teuer rausrechnen. Der Weltverband der Astronomen hat eine Studie verfasst und die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten, den Sternenhimmel zu retten. Doch die Mühlen der UN mahlen viel zu langsam, bis dahin haben Unternehmen und Staaten Fakten am Himmel geschaffen.

Weltraumschrott in nahen Orbit

Ein weiteres Problem ist der Weltraumschrott, der sich bei dieser immensen Anzahl von Satelliten kaum vermeiden lassen wird. Das Kessler-Syndrom, bei dem Schrott mit Schrott kollidiert und so kaskadierend immer mehr kleine Schrottteile die Erde umkreisen, könnte den Zugang zum Weltall und auch die Kommunikation über Satelliten überhaupt erschweren.

Hier gegen wehren sich auch Konkurrenten von Starlink, die dem Projekt nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen kritisch gegenüber stehen. Sie verweisen darauf, dass auch geostationäre Satelliten im weiteren Orbit bereits heute entfernte Gemeinden auf der Erde mit Internet versorgen können. Dabei müssen zwar längere Laufzeiten in Kauf genommen werden – aber es funktioniert.

Bislang hat die amerikanische Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) erlaubt, tausende erdnahe Satelliten ins All zu schießen. An dieser Praxis gibt es nun Kritik: eine juristische Studie geht davon aus, dass nach US-Umweltrecht die Nationale Umweltbehörde solche „Megakonstellationen“ wie Starlink genehmigen müsse. Denn bei Aktivitäten der NASA hat die Umweltbehörde mitzureden, bei privaten Firmen aber nicht. Als das Gesetz gemacht wurde, dachte noch niemand an Multimilliardäre, die private Raumfahrtunternehmen betreiben. Eine erste Klage gegen die FCC ist jetzt anhängig. Ihr Ausgang ist ungewiss.

Neue internationale Regeln nötig

Damit wir den Himmel, der niemand und allen gehört, nicht an die Konzerne von Milliardären und an Staaten mit Geltungssucht verlieren, braucht es neue internationale Regeln. Der sogenannte Weltraumvertrag ist ähnlich angestaubt wie das US-Recht, Vergabegremien wie die International Telecommunication Union (ITU) sind den neuen Gegebenheiten nicht gewachsen: Länder wie Norwegen, Liechtenstein oder Frankreich übernehmen gerne die Registrierung von Satelliten-Flotten, sollte ein anderes Land abspringen.

Bislang sendet die deutsche Politik das falsche Signal: Anstatt Sternenhimmel, Wissenschaft und den Zugang zum Weltall zu schützen, fördert sie den Zugang zum Satelliteninternet, um die Löcher in der deutschen Breitbandlandschaft zu stopfen. 

Neue Regeln müssen klar definieren, welche Art von Satelliten erlaubt sind. Sie müssen ausschließen, dass wir uns einen undurchdringbaren Ring aus Müll im nahen Erdorbit schaffen. Wir brauchen Regeln, welche die Wissenschaft und den Zugang zum Weltall schützen.

Und wir brauchen Klarheit, damit wir die Schönheit des Sternenhimmels auch noch unseren Kindern zeigen können.

18 Ergänzungen

  1. Der Sternhimmel muß erst noch beweisen daß er systemrelevant ist, sprich Kohle einbringt. Kann er das nicht kann er weg… [/zynism off]

    1. Das ist definitiv so.

      Sobald die Technik soweit ist, und das wird sie ohne Frage sein können, wird es sich lohnen, Asteroiden abzubauen. Die Möglichkeiten werden unendlich sein, aka autonomes selbstwartendes Flottenbaukommando im Schatten der Sonne o.ä.

      Lediglich im Moment ist noch eine kurze Übergangsphase, in der um Resourcen auf dem Planeten gekämpft wird.

      Natürlich ist der Export kurzer Übergangsphasen ein intergalaktisches Kapitalverbrechen, also wird das natürlich insgesamt nichts werden, wenn wir „so“ weitermachen. Dann kommt hier einfach eine Umgehungsstraße mit Tanke hin, und ein paar von uns dürfen an die Uni beim Spaceautobahnkreuz von Beta-Centauri rübermachen, bis die Resourcen hier abgebaut sind. Sachen kaputtmachen können andere sinnvoller :).

  2. „Und vielleicht redet es sich leicht aus dem recht gut internetversorgten Mitteleuropa. “

    Auf dem Land in Deutschland bekommt man 2mb download und gerade einmal isdn im upload. Versprochen werden naturlich bis zu 16mb und upload kein Ahnung.
    Das bei ca. 30euro im Monat.
    Starlink kostet immoment im Monat 100euro (ohne Anschaffung). Wenn man den Preis an die Geschwindigkeit knupft, ist das ein Schnappchen denn mit den 2mb download (die eigentlich 16000 sein sollten) zahlt man derb drauf.

  3. „Schon die heute im Orbit kreisenden etwa 1.700 Satelliten von Starlink haben den Nachthimmel aufgehellt.“
    Das stimmt so nicht, die einzelnen Satelliten und auch die gesamte Konstellation können den Himmel nicht aufhellen. Dafür sind wir hier unten mit unserer Lichtverschmutzung Schuld, wenn unsere Kinder keine Sterne mehr sehen können.

    „Sie verweisen darauf, dass auch geostationäre Satelliten im weiteren Orbit bereits heute entfernte Gemeinden auf der Erde mit Internet versorgen können.“
    Geostationäre Satelliten wären für diesen Zweck noch viel schlimmer als Starlink, da geostationäre Satelliten niemals selbst wieder in die Erdatmosphäre eintreten. Sie werden am Ende ihrer Lebensdauer in einen „Graveyard Orbit“ gebracht, sofern sie nicht unerwartet vorher ausgefallen sind oder ihre Treibstoffreserven verbraucht haben.

    Gerade letztere Satelliten können zum Kessler-Syndrome beitragen, denn wie oben erwähnt, werden die Fragmente niemals von selbst wieder in der Atmosphäre verglühen. Die Starlink-Satelliten haben bei einem Ausfall nur eine Lebensdauer von maximal einigen Jahren. Ebenso der Großteil des bei einer eventuell entstehende Schrotts bei einer Kollision.

  4. Inwiefern ist denn die Neutralität der UN in dieser Angelegenheit gesichert? Wurde nicht vor wenigen Jahren eine „strategische Partnerschaft“ zwischen der UN und dem WEF (Lobbyorganisation der Groß- und Digitalkonzerne) u.a. für die digitale Zusammenarbeit geschlossen? Die Roadmap für „digitale Kooperation des UN-Generalsekretärs sieht jedenfalls „Universal Connectivity by 2030“ vor, sowie „digitale Inklusion aller Menschen“. Natürlich muss das nicht über die Komplettaneignung des Sternenhimmels durch Tech-Milliardäre erfolgen, aber irgendetwas sagt mir, dass die UN in der Angelegenheit möglicherweise eine nicht ganz so unabhängige Position hat.

    1. Die UN ist keine übermächtige Organisation, sondern eine zwischenstaatliche Organisation und muss sich demnach an die Vorgaben ihrer Mitgliedsstaaten halten. Natürlich müssen sich die Mitgliedsstaaten in ihren Vorhaben einigermaßen einig sein.

  5. Vielleicht ist der Weltraumschrott die Lösung der Klimakrise.
    Wenn genug Sonnenlicht vom Weltraumschrott reflektiert würde, könnten wir hier unten so weitermachen wie bisher – und unser Treiben als Kampf gegen die drohende Eiszeit aufgrund der Sonnenverdunklung durch Weltraumschrott verkaufen.

  6. Wenn ich mir anschaue wie das Verhältnis aufs Handy schauen (Internet verwenden) und den Nachthimmel beobachten ausschaut kann man den Nachthimmel flächendeckend zu machen für Internet connectivity. Und die Astronomen hatten e viel lieber Teleskope im all als auf der Erde…

  7. Im sichtbaren und NIR Spektralbereich haben negative Auswirkungen v.A. auf Survey Teleskope, die einen großen Himmelsbereich beobachten. Bei optischen Teleskopen, die kleine Himmelsbereiche beobachten, sind die Auswirkungen eher gering, weil die Wahrscheinlichkeit eines Satellitendurchgangs durch das Bild zur „richtigen“ Zeit einfach geringer ist. Beispielsweise ist das im Bau befindliche ELT (Extremely Large Telescope) der ESO wahrscheinlich nicht stark von Starlink und Co. betroffen.

    https://doi.org/10.1051/0004-6361/202037501

    https://www.aanda.org/component/solr/?task=results#!q=SpaceX%20Starlink&sort=relevance&rows=10

    Im o.g. Artikel ist allerdings angedeutet, dass evtl. Radioteleskope, wie das an der an der Aufnahme des Schwarzen Loches in M87 beteiligte ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array), deutlich stärker betroffen sein könnten.

    Es wäre wirklich sehr schade und dumm, wenn die Menschheit wegen Internetsatelliten den ungehinderten Blick auf den Sternenhimmel verlieren würde. Selbst an abgelegenen Orten auf hohen Bergen und in der Wüste, weit entfernt von Quellen von Lichtvermutzung wäre man nicht geschützt. Wenn es so weiter geht, steht mglw. die bodengestützte Astronomie auf dem Spiel.

  8. Detail:
    Lichtgeschwindigkeit in Luft/Vakuum: ca. 300.000km/s
    In Kabeln ca 220.000km/s (ja, ca. 30% langsamer im Kabel)
    Durch den niedrigen Orbit ist die Funk-Strecke kaum länger.
    D.h. Die Laufzeit per Satellit ist deutlich geringer. Das ist natürlich für den Hochfrequenz-Börsenhandel zwischen New York und London sehr wichtig.
    Es ist anzunehmen das die Satellitenbetreiber wissen wie sie diesen Vorteil in (viel) bare Münze wandeln werden.

    … Ihr werdet sehen das man Geld nicht essen kann

  9. Erinnert irgendwie an „das bißchen Plastik“ kann dem Ozean doch nicht schaden.
    (Wobei man das ja nur aus Dummheit dort abgeladen hat, nicht um gezielt Gewinne zu machen… aus Gier )

  10. Groteske Idee:
    Die Satelliten sind ja rel. frei positonierbar. Die Abdunkelschirmchen auch.

    Wann wird wohl die erste M-Werbung damit auf unserem Himmel projeziert werden?

  11. Nachdem unsere Sicherheit nicht mehr in Afghanistan verteidigt werden muss, wendet sich die Bundeswehr höher gelegenen Aufgaben zu.

    Das neu gegründete Weltraumkommando [Anm. mit überschneidenden Fähigkeiten des Himmefahrtskommandos] der Bundeswehr nimmt heute seinen Dienst auf, und ist Teil der Strukturreform der Bundeswehr.

    Ministerielle Prosa hierzu: Deutschland sei eine exportorientierte, hochindustrialisierte Wissensnation, „deshalb sind unser Wohlstand und unsere Sicherheit in hohem Maße vom Weltraum abhängig“.

    Die Weltraum-Aktivitäten der Bundeswehr seien rein defensiv ausgerichtet und sollten eine „friedliche Nutzung des Weltraums sicherstellen“.

    Das neue Kommando verfolge u.a. das Ziel, die Bundesregierung über „die Vorgänge im Weltraum zu informieren“.

    Vermutlich geht es dabei primär darum auszuloten, inwieweit derzeit geltendes Weltraumrecht als bindendes Naturrecht angewendet werden kann.

  12. Erst die Wälder, dann die Meere und jetzt auch noch der Weltraum. Alleine schon die Lichtverschmutzung hat negative Auswirkungen auf die Pflanzenwelt, Tierwelt und ist zum Beispiel auch für das Vogelsterben zurückzuführen…
    Aber es kommt heutzutage immer zuerst die Wissenschaft und dann erst das Bedenken. Das es nicht aufzuhalten ist, ist mir klar, doch entwickeln wir uns da immer rasanter in eine falsche Richtung des Fortschritts Willen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.