ÜberwachungssoftwareSaudischer Kronprinz soll Jeff Bezos mit WhatsApp-Nachricht gehackt haben

Eine forensische Untersuchung legt nahe, dass das Smartphone von Jeff Bezos mit Schadsoftware gehackt wurde. Den Trojaner soll der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman höchstpersönlich eingeschleust haben. UN-Experten fordern nun einen Vertriebsstopp für solche Werkzeuge.

Bezos-Graffiti
Jeff Bezos, Eigentümer der Washington Post, Amazon-Chef und reichster Mensch der Welt, ist 2018 gehackt worden. CC-BY 2.0 thierry ehrmann

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman soll höchstpersönlich am Handy-Hack des Amazon-Chefs und Eigentümers der Washington Post, Jeff Bezos, beteiligt gewesen sein. Mehreren Medienberichten zufolge habe eine forensische Untersuchung des rund zwei Jahre zurückliegenden Zwischenfalls ergeben, dass eine per WhatsApp-Nachricht verschickte, präparierte Videodatei Schadsoftware auf das Smartphone des reichsten Mannes der Welt eingeschleust haben könnte.

In den darauffolgenden Stunden soll eine große Menge an Daten abgeflossen sein, darunter höchstwahrscheinlich auch intime Details aus dem außerehelichen Liebesleben von Bezos. Einschlägige Nachrichten waren Monate später im US-Boulevardblatt National Enquirer aufgetaucht.

Politischer Hintergrund wahrscheinlich

Viele vermuteten damals einen politischen Hintergrund. Bezos selbst schrieb in einem Aufsehen erregenden Artikel von einem „Erpressungsversuch“. Als Eigentümer der einflussreichen Traditionszeitung Washington Post sei es unvermeidlich, von „bestimmten mächtigen Menschen“ als Feind wahrgenommen zu werden.

Zu diesen Personen zählen unter anderem der US-Präsident Donald Trump sowie der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman. Den beiden freundschaftlich verbundenen Machthabern ist die kritische Berichterstattung der Washington Post schon länger ein Dorn im Auge.

Ersterer pöbelt regelmäßig auf Twitter gegen das „liberale“ Blatt, letzterem gefiel es nicht, dass der saudische Dissident Jamal Khashoggi eine regimekritische Kolumne in der Tageszeitung befüllte. Khashoggi, der 2017 in die USA fliehen musste, wurde ein Jahr später im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet. Den Auftrag dazu soll Mohammed bin Salman erteilt haben, politische oder sonstige Konsequenzen blieben jedoch weitgehend aus.

Überwachung soll Kritiker zum Schweigen bringen

UN-Menschenrechtsexperten zeigen sich entsetzt über die neuen Enthüllungen. „Die uns vorliegenden Informationen legen eine mögliche Verstrickung des Kronprinzes Mohammed bin Salman in die Überwachung von Bezos nahe“, erklärten Agnes Callamard, UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen, und der UN-Menschenrechtsberichterstatter David Kaye in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Es soll sich um Versuche handeln, die Berichterstattung der Washington Post über Saudi Arabien „zu beeinflussen, wenn nicht gar zum Verstummen zu bringen“, so die UN-Experten, die eine umgehende Untersuchung durch die USA sowie andere staatliche Stellen fordern.

Alte Spionage-Bekannte vermutet

Bislang stützen sich die Enthüllungen auf eine von Bezos privat in Auftrag gegebene forensische Untersuchung der Beraterfirma FTI Consulting, die inzwischen das Online-Medium Vice veröffentlicht hat. Demnach wurde auf dem iPhone eine verdächtige Videodatei und ein damit verknüpfter „verschlüsselter Downloader“, aber keine bekannte Schadsoftware gefunden. Verdächtig mache die unverlangt und überraschend verschickten Dateien der Umstand, dass unmittelbar darauf der ausgehende Datentransfer des Smartphones sprunghaft um 29.000 Prozent in die Höhe geschnellt sei.

„Die Menge der Daten, die das Handy von Bezos übermittelte, veränderte sich dramatisch nach dem Empfang der WhatsApp-Videodatei und kehrte nie mehr wieder zum Normalzustand zurück“, heißt es im Bericht. Die forensischen Erkenntnisse, kombiniert mit einer größeren Untersuchung, Interviews und weiteren Recherchen würden nahelegen, dass die Tools von Saud al Qahtani beschafft wurden, schreibt Vice. Dieser ist ein Freund und enger Berater von Mohammed bin Salman und soll eine wichtige Rolle im Saudi-arabischen „Cybersecurity“-Bereich gespielt haben. Zudem wird ihm zugeschrieben, an der Ermordung von Jamal Khashoggi beteiligt gewesen zu sein.

Den Hersteller der verdächtigten Software benennt der Bericht nicht, bringt aber „fortgeschrittene Mobil-Spyware wie Pegasus der NSO Group oder Galileo von Hacking Team“ ins Spiel. Bei beiden handelt es sich um alte Bekannte im Überwachungsbereich. Derartige Spionagesoftware ist unter anderem bei autoritären Systemen beliebt, die damit wiederholt Menschenrechtsaktivisten, Oppositionspolitiker oder Journalisten zu überwachen versuchen.

UN-Experten fordern Moratorium

Genau dieser völlig unkontrollierte Einsatz solcher Trojaner bereitet den UN-Experten große Sorgen. Falls sich die Vorwürfe als wahr herausstellen sollten, schreiben die beiden, dann wäre dies „ein konkretes Beispiel für den Schaden, der aus der entfesselten Vermarktung, dem Verkauf und dem Einsatz von Spyware resultiert“.

Digitale Überwachung müsse einer besonders rigorosen Kontrolle unterliegen, fordern die UN-Experten, einschließlich durch Gerichte und nationale sowie internationale Exportkontrollen, um gegen den einfachen Missbrauch zu schützen. Sie fordern deshalb ein Moratorium des globalen Verkaufs und des Vertriebs privater Überwachungstechnologie.

Solche Forderungen bringen auch europäische Menschenrechtler regelmäßig vor. Der Druck hat die EU-Kommission sowie das EU-Parlament bewogen, den Export von Überwachungstechnologien beschränken zu wollen. Schärfere Exportkontrollen sogenannter „Dual-Use-Software“ war aber letztlich am Widerstand der EU-Mitgliedstaaten gescheitert, darunter Deutschland.

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