bitsGanz in Weiß mit einem Blumenstrauß

Seit zwölf Wochen protestiert eine wachsende Zivilgesellschaft in Belarus gegen gefälschte Wahlen. Die Journalismus-Professorin Katja Artsiomenka ordnet für den bits-Newsletter die Proteste ein und erklärt die Hintergründe und die Symboliken. TV- und Radio-Dokumentationen erklären die Polarisierung der US-Gesellschaft. Und noch mehr gibt es in unserem Tagesrückblick.

Unser wochentäglicher bits-Newsletter erscheint natürlich auch am Dienstag.
Unser wochentäglicher bits-Newsletter erscheint natürlich auch am Dienstag. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Hallo,

seit zwölf Wochen gibt es Proteste in Belarus, im Volksmund auch Weißrussland genannt. Die Massendemonstrationen entzündeten sich an den letzten Scheinwahlen, die der seit 26 Jahren amtierende Diktator Aljaksandr Lukaschenka offiziell mit knapp 80 Prozent der Stimmen gewonnen hat. In Medien habe ich häufig von Wahlfälschungen, unterdrückter Opposition und festgenommenen Journalist:innen gelesen, aber aufgrund von fehlendem Hintergrundwissen zur letzten Diktatur Europas konnte ich die Proteste nicht wirklich einschätzen.

Deshalb habe ich Katja Artsiomenka interviewt, die als Professorin an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln im Fachbereich Journalismus und Kommunikation arbeitet und sich privat für Demokratie in Belarus engagiert, wo sie herstammt.

In unserem rund 25 Minuten langen Gespräch erklärt sie mir die Hintergründe der Proteste und warum sie jetzt viel größer sind als bei früheren Wahlen. Das hat auch mit der größeren Verbreitung von Smartphones und Internet zu tun, auch wenn das Regime häufig das Netz ausschaltet, um Vernetzung zu behindern.

Artsiomenka erklärt mir auch die Symbolik der Proteste, die visuell von Frauen in weißer Kleidung und Blumen geprägt werden. Das habe damit zu tun, dass die Protestierenden einen friedlichen Aktivismus mit zivilem Ungehorsam praktizieren und das damit zeigen wollen.

Wir reden über die Nachhaltigkeit dieser Proteste, aber auch darüber, wie sich die Belarus-Community in Deutschland darüber vernetzt und welche Rolle Medien dabei spielen können, die Demokratiebewegung zu unterstützen und Licht darauf zu werfen.



(Hier als MP3)

Von Katja Artsiomenka gibt es auch das ausgezeichnete Radio-Feature „Das Gefühl von Sicherheit – Über eine deutsche Sehnsucht“, wo sie aus ihrer weißrussischen Perspektive über Freiheit reflektiert hat und mich dafür interviewte.

(Wer jetzt von der Überschrift einen Ohrwurm hat und den los werden möchte, bitte schön.)

Neues auf netzpolitik.org

Leonard Kamps berichtet: Drei Nutzer:innen verhindern Trumps TikTok-Verbot, denn die Redefreiheit triumphiert gegenüber persönlichen Interessen des Präsidenten.

Die Video-App TikTok wird in den USA weiterhin funktionieren. Das Verbot der App durch US-Präsident Trump hat ein Gericht jetzt ausgesetzt. Der entscheidende Grund ist die Redefreiheit.

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Rechtsanwalt Oliver Rosbach erörtert: Grobe Verletzungen datenschutzrechtlicher Vorschriften in Hinblick auf Schulunterricht in Zeiten der Pandemie. Im Sinne der DSGVO müssen Verantwortliche zum Schutz der Schüler*innern bestimmt werden.

Die personenbezogenen Daten von Kindern genießen einen besonderen Schutz, der immer berücksichtigt werden muss. Bei einer durch die Schule erzwungenen Nutzung von Office 365 kommt es aber zu schwer oder gar nicht kontrollierbaren Datenabflüssen. Rechtsanwalt Oliver Rosbach hat am Beispiel einer bayerischen Schule die Datenschutzverstöße analysiert.

Kurze Pausenmusik:

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Was sonst noch passierte:

Heute wird in den USA gewählt und heute Nacht dürfte es im Netz spannend werden, je nach Ausgang der Wahl. Es gibt seit langem die Befürchtung dass die großen Plattformen nicht ausreichend darauf vorbereitet sind. Jillian York ordnet bei der EFF das Versagen der Plattformen bei Wahlen in anderen Staaten ein und befürchtet nichts Gutes: Now and Always, Platforms Should Learn From Their Global User Base.

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Das Imageboard 4chan war mal in den Nuller-Jahren ein einflussreicher Bestandteil der Netzkultur, aus dem u.a. die Anonymous-Bewegung entstanden ist. Allerdings ist 4chan mit der Zeit immer weiter nach rechts gerückt, entwickelte sich zu einem Nährboden für die Alt-Right-Bewegung und zeigt noch mehr die düsteren Seiten des Netzes. Vice-Motherboard hat die Gründe dafür recherchiert: The Man Who Helped Turn 4chan Into the Internet’s Racist Engine.

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Das Altpapier des MDR bietet seit 20 Jahren einen medienjournalistischen Tagesüberblick mit viel Kontext. Es gehört für mich seit vielen Jahren zu meiner wochentäglichen Lektüre. Zum 20. Geburtstag wurde ich gebeten, eine Geburtstagsnachricht zu schreiben. Die findet sich hier: Welten, die leider (!) immer noch (!) parallel (!) leben.

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In Berlin laufen momentan „40 Disziplinarverfahren gegen mutmaßlich rechtsextreme Polizisten“. Bisher haben sich die Zahlen schon im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

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Der Twitter-Account @TagesschauVor20 zeigt, welche Themen vor 20 Jahren relevant waren. Dabei gibt es erschreckend viele Themen, bei denen man das Gefühl hat, dass sich nichts weiterentwickelt hat und wir immer noch in denselben Debatten feststecken. Der Account wird von dem Literaturwissenschaftler Hannes Fischer ehrenamtlich betrieben. Die Süddeutsche Zeitung hat ihn dazu interviewt: „Die Gegenwart bekommt mehr Tiefe“.

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Die Internet Movie Database wird 30 Jahre alt. Bei Golem gibt es einen Rückblick auf die Geschichte: Die größte Filmdatenbank der Welt.

Audio des Tages: Die Radikalisierung der US-Demokratie

Ein spannendes Radio-Feature zur politischen Situation in den USA gab es von Tom Schimmeck bei „WDR Dok 5 – Das Feature“: Wurzeln des Zorns – Die Radikalisierung der US-Demokratie. Interessant sind auch die historischen Wurzeln und Strategien.

Video des Tages: Familie Dutschke

Ingo Zamperoni ist Tagesthemen-Moderator und mit einer US-Amerikanerin verheiratet. Im Vorfeld der US-Wahl hat er mit Kamerateam und Frau eine Reise durch die USA unternommen und ihre Familie an unterschiedlichen Orten besucht. Dabei ist ein einfühlsames Portrait über die Zerrissenheit der Gesellschaft herausgekommen: Trump, meine amerikanische Familie und ich.

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Das Attentat auf Rudi Dutschke im April 1968 wurde bisher nicht klar als rechtsterroristisches Attentat in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Zu dem Ergebnis kommt die ARD-Dokumentation „Dutschke – Schüsse von Rechts“.

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John Oliver erklärt in der „Last Week Tonight“-Show die Verantwortung von Trump in der US-Coronakrise: Trump & the Coronavirus.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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