Neue Erkenntnisse zum Bundeswehreinsatz im Internet gegen die re:publica

Eine weitere Antwort der Bundesregierung erlaubt mehr Einblicke in die „Protestaktion“ der Bundeswehr bei der re:publica im Mai. Die Bundesregierung rudert zwar bei einigen Falschbehauptungen zurück, wirft aber auch neue Fragen über die misslungene Aktion und die Medienkooperation auf.

Dieses Werbefoto der Bundeswehr wird mit dem Slogan „Raus aus dem Alltag!“ angeboten. CC-BY-ND 2.0 Bundeswehr-Werbung „Wir. Dienen. Deutschland.“

Nach wie vor will niemand die Verantwortung für die misslungene „Protestaktion“ der Bundeswehr bei der diesjährigen re:publica übernehmen. Linke und Grüne im Bundestag versuchen zwar, das Geschehen durch Kleine Anfragen zu beleuchten, das Verteidigungsministerium (BMVg) zeigt sich allerdings recht einsilbig und beharrt auf bereits widerlegten Tatsachen (pdf). Es treten mit den Antworten allerdings neue Widersprüche zu Tage, unter anderem zu einem Journalisten, der den geplanten Zwischenfall medial begleitete.

Hintergrund: Die Besucher der re:publica staunten nicht schlecht, als sie am ersten Konferenztag von Soldaten in Kampfmontur begrüßt wurden, die vor einem Werbefahrzeug Flyer verteilten. Die Bundeswehr wollte mit der Aktion auf die vermeintliche Intoleranz der Konferenzmacher hinweisen und dagegen protestieren, dass sie angeblich von der Konferenz ausgeladen wurden. Politiker von Union und FDP sowie ein hochrangiger Ministeriumsvertreter solidarisierten sich mit der vermeintlich diskriminierten Armee, forderten gar die Streichung von Fördergeldern. Allein: Der Aufreger von einem Ausschluss der Bundeswehr entsprach nicht der Wahrheit.

Zurückrudern bei Falschbehauptungen

Zu den Falschbehauptungen gehört die Frage, ob uniformierten Angehörigen der Streitkräfte eine Teilnahme an der re:publica generell verweigert wurde. Das war nämlich nicht Fall, wie aus konsistenten Aussagen und aus den E-Mails des Organisationsteams der Konferenz klar hervorgeht.
 
gegen uns Dieser angebliche Ausschluss war jedoch der zentrale Drehpunkt der Bundeswehr-„Protestaktion“, mit der man die Konferenzmacher und die Teilnehmer zu vaterlandslosen Gesellen abstempeln wollte. Die mitgebrachten vorbereiteten Flyer postulieren, dass man als Bundeswehr dafür kämpfe, dass die re:publica „gegen uns sein kann“. Damit wollte man eine angebliche Ablehnung von Uniformierten auf der Konferenz unterstreichen, die es so gar nicht gab.

In der schriftlichen Antwort der Bundesregierung wird das auch indirekt bestätigt und die Aussage von der generellen Ablehnung der Bundeswehr nun eingeschränkt: Die Bundesregierung schreibt nun, es sei „der Personalwerbung eine Teilnahme an der re:publica verweigert“ worden, also nur solchen uniformierten Personen, die für eine Karriere beim Militär werben. Das bestätigten die Konferenzmacher auch von Anfang an, denn sie wollten explizit keine Rekrutierung.

Nun ist die Personalwerbung der Bundeswehr nur ein verschwindend kleiner Teil der Streitkräfte. Entsprechend kann damit nicht generalisiert werden, dass allen Uniformierten der Zutritt verweigert worden wäre und man gegen die Bundeswehr als solches sei. Einsehen wollen die Verantwortlichen ihren Missgriff jedoch nicht, denn ausweislich der schriftlichen Antwort kann das Ministerium noch immer keine Falschinformation auf seiner Seite erkennen.

Was sagen die Social-Media-Richtlinien der Bundeswehr?

Die Abgeordneten fragen auch nach der Verwendung von „Bashtags“, also absichtlich herabwürdigenden Hashtags, mit denen man bei Twitter, Instagram oder Facebook Themen markiert. Dazu gehören etwa #restrictedpublica oder #nopublica. Selbst verwendet haben Bundeswehr-eigene Accounts solche Markierungen nicht, wie auch die Bundesregierung in ihrer Antwort herausstellt. Dafür wurden sie allerdings von Angehörigen der Bundeswehr genutzt, etwa von Major Marcel Bohnert, der als einer der uniformierten Soldaten auf der Straße vor der Konferenz beteiligt war und die „Bashtags“ auch selbst nutzte.

Ob solche „Bashtags“ eigentlich mit den (befreiten) Social-Media-Richtlinien der Bundeswehr vereinbar wären, wollen die Parlamentarier wissen. Diese Social-Media-Richtlinien legen beispielsweise fest, wer die Auftritte der Bundeswehr einheitlich konzipiert und steuert. Das ist der Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums (im Militärjargon: Pr-/InfoStab 2). Darin finden sich aber auch Hinweise auf den Umgang mit Privat-Accounts von Bundeswehrangehörigen. Die Frage, ob beispielsweise Privat-Accounts Armeeangehöriger für die Bundeswehr zurechenbar sind, beantworten die Richtlinien folgendermaßen (S. 29):

Wenn Angehörige des BMVg und der Bundeswehr in Sozialen Medien als solche zu erkennen sind, treten sie automatisch auch als Botschafter auf.

Der Grund dafür ist einleuchtend: Wer sich als Teil der Streitkräfte oder des Ministeriums zu erkennen gibt, wird von Dritten nämlich als Botschafter seiner Organisation wahrgenommen. Dass sich die Verantwortlichen nun darauf zurückziehen wollen, mit den an der „Protestaktion“ teilnehmenden Privat-Accounts von Soldaten nichts zu tun zu haben, ist nicht die ganze Wahrheit.

Sie wollten die Welle reiten, aber distanzieren sich nun danach von ihren eigenen Botschaftern. Man fordere „keine Soldatinnen und Soldaten“ auf, sich im Dienst an Social-Media-Diskussionen zu beteiligen, betont die Bundesregierung. Die Aussage wirkt wenig glaubwürdig und auch unlogisch, wenn doch angeblich die „Protestaktion“ (Eigen-Beschreibung #Guerillamarketing-Aktion) gerade zu Diskussionen über die Rolle der Bundeswehr in der Gesellschaft anregen sollte.

Blättert man in den Richtlinien allerdings eine Seite um, wird es kurios. Denn selbstverständlich wird darauf verwiesen, dass auch auf den Social-Media-Plattformen neben Anstandsregeln die Wahrhaftigkeit zu beachten sei (S. 30):

Wenn man sich in den Sozialen Medien bewegt, sind die Regeln des Anstands zu beachten. In Diskussionen kann kontrovers argumentiert werden, aber mit Respekt und Anstand. Vermeiden Sie Beleidigungen, Drohungen, falsche Tatsachenbehauptungen und auch Provokationen.

Diesen Teil der eigenen Regeln hat der Stab, der die „Protestaktion“ plante und durchführte, wohl nicht recht verstanden, denn sowohl Provokationen als auch falsche Tatsachenbehauptungen wurden von Anbeginn der Aktion seitens der Bundeswehr mitgeteilt und dann auch nicht oder nur teilweise und verspätet korrigiert. Von einem Social-Media-Angriffskrieg steht in den gesamten Richtlinien übrigens nichts.

Hätte man die Verbreitung von Halbwahrheiten vermeiden wollen, wären die Richtlinien eine hilfreiche Lektüre gewesen. Sie weisen explizit auf die Schwierigkeiten beim Umgang mit den Plattformen hin (S. 10):

Dialogfähigkeit, sehr kurze Kommunikationszyklen und die unkontrollierbare Verbreitung von Inhalten sind wesentliche Merkmale von Sozialen Medien und machen sie zu einem sehr anspruchsvollen Medium der Informationsarbeit. Jedes Posting, jede Aktivität stellt in der öffentlichen Wahrnehmung eine offizielle Äußerung der Bundeswehr dar. […] Deswegen müssen die Auftritte in den Sozialen Medien hohen Qualitätsstandards gerecht werden.

Diesen Anspruch und den hohen Qualitätsstandards konnte die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr bei ihrer „Protestaktion“ vor der re:publica jedenfalls nicht genügen.

Die Rolle einzelner Medienvertreter

Einige Fragen richten die Abgeordneten an die Bundesregierung auch wegen der Rolle einzelner Medienvertreter. Sie wollen wissen, welche Medien vorab über die „Protestaktion“ informiert worden waren. Die Bundesregierung gibt hier eine Antwort, die eindeutig ist: Man hätte „keine Medien, Journalisten und Multiplikatoren außerhalb der Bundeswehr informiert“. Der Grund sei die Kurzfristigkeit der Planungen. Aus der Antwort von Staatssekretär Peter Tauber ging hervor, dass diese Planungen ab dem 17. April begannen. Allzu kurzfristig waren sie also nicht, schließlich wurden die Flyer und das Werbefahrzeug vorbereitet und organisiert. Aber es liegt wohl im Auge des Betrachters, ob man tagelange Planungen noch kurzfristig nennen kann.

Was an der Antwort überrascht: Mindestens ein Medienvertreter und sein Team, die sich Tage zuvor akkreditiert hatten, um „einen Protagonisten“ zu porträtieren, den man noch nicht nennen könne, brachten pünktlich zur Ankunft der uniformierten Gruppe und zum Beginn der Bundeswehr-Aktion die Kamera in Anschlag und filmten das Tarnfleck-Spektakel. Man sei aber nicht „gemeinsam“ mit Journalisten angereist, gibt die Bundesregierung auf Nachfrage an.

Wenn es also keine Information an Medienvertreter gab, wie die Bundesregierung angibt, kommt der Schluss in Frage, dass die Informationen hintenrum an die Medien gingen. Dann drängt sich die nächste Frage auf: Hat ein Vertreter der Streitkräfte geheime dienstliche Befehle verraten und an Medien weitergegeben, um die Berichterstattung mit einem „embedded journalist“ zu stimulieren?

Das könnte noch auf anderem Wege in Erfahrung zu bringen sein. Denn es stehen mehrere Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz aus, unter anderem zur Pressearbeit des Ministeriums. Doch spielt das Verteidigungsministerium hier auf Zeit und ließ die gesetzliche Frist zur Beantwortung der IFG-Anfrage bereits verstreichen.

Nach den eigenen Worten des teilnehmenden Majors Bohnert war der Bundeswehr-Stunt zur re:publica „vermutlich die erste größere Aktion, bei der wir unseren Platz in der Gesellschaft ganz aktiv einfordern“. Man darf wohl gespannt sein, welche Veranstaltung die nächste sein wird.


Offenlegung: netzpolitik.org ist unabhängig und leserfinanziert, wir sind auch finanziell unabhängig von der re:publica und von newthinking communications. Markus Beckedahl, der netzpolitik.org gegründet hat, ist jedoch auch Mitgründer der re:publica. Mehrere jetzige und ehemalige Mitglieder der Redaktion von netzpolitik.org haben (unentgeltlich) mit Vorträgen und Diskussionen am Programm der re:publica mitgewirkt. Wir hatten zugleich einen Stand auf der Veranstaltung. Wir waren dort nicht uniformiert.

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16 Ergänzungen

  1. Also vorweg: ich bin ein großer Fan eures Blogs!
    Diesen Artikel empfinde ich beim lesen als ungewohnt eng. Das klingt stark nach Erziehungsberechtigten.
    In der Vergangenheit hatte die repuplica auch Mal eine gewisse selbst-Ironie und von daher sollten wir herzhaft über die BW lachen und drüber herziehen wie sie über das Ziel hinausgeschossen ist…aber hier jetzt interne Regularien zu wälzen um ihnen ihre eigene Unzulänglichkeit zu beweisen…. ist auch übers Ziel hinausgeschossen:-)

    1. Die Kernfrage ist: „Was darf Propaganda?“

      Es ist bezeichnend, dass sich Peter Tauber in der Antwort auf die kleine Anfrage von den „Privataccounts“ der im Dienst befindlichen und agierenden Soldaten distanziert. Nicht nur im Fall Bohnert werden die Social Media Regeln aktiv unterlaufen.

      Auch der erwähnte Christian Bell (@Kottem1), der aus dem PsyOps-Bereich der Bundeswehr stammt, spielt da eine Rolle. Angehörigen dieser Einheit (zu der ich zwischen 2002 und 2008 als Offizier gehörte) ist das Einwirken auf Zielgruppen im Inland (hoffentlich immer noch) verboten. Doch die Meinungsbeeinflussung im Sinne der Bundeswehrkampagne fand statt.

      Auffällig ist auch Bohnerts Nähe zu den von der Identitären Bewegung praktizierten Kommunikationsmustern und auch seine publizistische Nähe zu einem Akteur, die in Frage 36 der Kleinen Anfrage belegt ist.

      Es wird in mindestens zwei Fällen ein dienstliches Regelwerk durch privat-dienstliche Aktivitäten unterlaufen. Dazu werden von der BMVg-Spitze die verbreiteten Falschinformationen geduldet, statt die unprofessionelle Kommunikation zu rügen.

      Ich hoffe, dass dieser Fall im Parlament noch deutlicher kritisiert und besprochen wird.

      1. Ach was!
        Doch nicht im Parlament!
        Man stelle sich vor, Frau von der Leyen müsste die Verantwortung für das Handeln ihres Führungsstabes übernehmen, nach solch einem Gelage!
        Das geht gar nicht!
        Zu diesem Zeitpunkt hat sie schon unterm Tisch gelegen oder war auf Weg zur Latrine!

  2. „…. misslungene „Protestaktion“ …“

    Würde ich nicht sagen. die Aktion hat mehr Aufmerksamkeit erlangt als so manch andres Thema auf der republica. Schön zu sehen wir ihr euch immer noch grämt. Macht weiter so und empört euch, und wenn ihr euch ausgeweint habt könnt ihr ja wieder miot anderen wichtigen Themen wie dem facebook Datenskandal oder der Netzneutralität weiter machen.

    1. . die Aktion hat mehr Aufmerksamkeit erlangt als so manch andres Thema auf der republica.

      Und wenn erst einer von denen Umsich geschossen hätt‘, weil sie keinen Spass oder Nein verstehen!

  3. „Dieser angebliche Ausschluss war jedoch der zentrale Drehpunkt der Bundeswehr-„Protestaktion“, mit der man die Konferenzmacher und die Teilnehmer zu vaterlandslosen Gesellen abstempeln wollte.“

    Diese Derrorisdn und *inn’n, jeder der sich anschickt diese Veranstalldung zu besuch’n, ist ein Querulant und notorischer Unruhestfder!
    Da gommen die Derrorisdn und *inn’n her, denkt sisch die Bundeswehr und gestadded ihren Angehörichen nich die Deilnahme an dieser Veranstalldung, da in ihren Reihen geine Queruland’n und notorische Unruhestfder sein dürfen!
    Irgendeine Begründung muss man seinen Soldad’n und ‚inn’n ja geben, wenn se da nich hin soll’n, ’ne woar!
    Un de Flyerverdeiler sollden die „Undercoverderrorisd’n und *inn’n“ davon abschreck’n, dennoch zu dies’n Unruhestfdern zu jehen!

    Das dies nadürlisch in der Öffentlischgeit ’n bischen schrägrüber gommt und nisch Lochisch zu erklärn is‘, wird den Oberhäuptern der streitlustichen Druppe nu Klar.
    Man hädde das eben nisch bei einem Biergelache aushacken soll’n, ’ne woar!

    1. Erisch, an deiner Theorie bzw. VT könnte was dran sein.

      Die Bundeswehr möchte nicht, das ihre Angehörigen zur „re:publica“ gehen, um sich für ihre persönliche Meinungsbildung zu informieren.
      Die Bundeswehrführung behauptet, das uniformierten Angehörigen der Streitkräfte eine Teilnahme an der re:publica generell verweigert wurde.

      Um nun Sicherzustellen, das nicht doch Angehörige der Bundeswehr an der „re:publica“ Teilnehmen, entgegen der Behauptung des Führungsstabes, das sie dort nicht erwünscht wären, hat der Führungsstab diese „Protestaktion“ ins Leben gerufen, um ihre Angehörigen durch die Präsenz ihrer „Kollegen“ abzuschrecken!

      Ich hoffe nur, das die Rechnung des Stabes nicht aufgegangen ist und die interessierten Angehörigen der Streitkräfte dennoch die „re:publica“ besucht haben!

  4. Interessant ist die komplette Aussageverweigerung des BMVg zur -> dienstlichen <- Teilnahme von Bundeswehrangehörigen an der republica und – darauf aufbauend – die ebenso komplette Aussageverweigerung zu Social Media Aktivitäten von in dienstlichem Auftrag handelnden Bundeswehrangehörigen über private Accounts.

    Für mich ein klares Indiz, dass diese Form von Astroturfing und Guerilla-Marketing dienstlich tätiger Bundeswehrangehöriger (auch zukünftig) gedeckt werden soll – einschließlich der Falschbehauptungen und sonstigen Entgleisungen.

  5. Hallo,

    ich finde die ausufernde Berichte zum Thema zunehmend tendenziös.

    Ich kann als Autor einerseits nicht auf die Bedeutung von exakten Begriffen pochen -wie bspw. bei der Frage, mit welcher Begründung/ welche Art von Bundeswehr ausgesperrt wurde- und anderseits Worthülsen wie „Soldaten in Kampfmontur“, „Bundeswehr-Stunt“ oder „Social-Media-Angriffskrieg“ verwenden.

    Für mich ist das weder Journalismus noch Kommentar sondern platte Stimmungsmache.

    Markus

    1. Was für ausufernde Berichte denn? M. E. erhält das Thema nicht annäherungsweise die Aufmerksamkeit, die es verdient. Mit der Aktion hat die Bundeswehr aggressiv und mit unlauteren Mitteln, unter Verstoß gegen ihre eigenen hehren Prinzipien, Politik gemacht.

      Handelt es sich um eine verselbstständigte Armee? Wurde auf Befehl gehandelt? Wie ist diese Aktion in Zeichen konzertierter „Social-Media-Guerilla-Meinungs-Kriegsführung“ – in Ermangelung eines besseren Wortes, und für viele: aus regierungsnahen Kreisen in Russland – zu bewerten? Warum war die re:publica das Ziel?

      Da lässt sich gut und gerne noch mehr drüber schreiben.

      Offenlegung: Ich bin langjähriger Unterstützer von netzpolitik.org und der Bundeswehr als Parlamentsarmee, die sich aus Staatsbürgern in Uniform zusammensetzt. Ich danke beiden für ihre Arbeit in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen. Die Aktion gegen die re:publica zähle ich nicht dazu.

    2. „ich finde die ausufernde Berichte zum Thema zunehmend tendenziös.“

      Welche ausufernde Berichterstattung? Mit bisher zwei Artikeln haben wir noch nicht das Ausmaß der Berichterstattung der FAZ erreicht. Und auch die Welt hat häufiger über den Fall berichtet. Übrigens alle mit Fehlinformationen, die im Nachhinein nicht korrigiert wurden.

      1. @ Beckedahl:

        „… Mit bisher zwei Artikeln…“ Ok, das ist richtig.
        Neben bei: ich kann und will das Fehlverhalten der Bundeswehrverantwortlich auch gar nicht in Abrede stellen.

        Dennoch lese ich die bisherigen Texte als persönliche Kampfansage aus der Egoperspektive des Betroffenen.
        Wortwahl, Darstellung und Sichtweise genügen mMn nicht den Ansprüchen eines journalistischen Produkts (so hatte ich es zunächst interpretiert). Selbst betroffen sein und gleichzeitig angemessen darüber berichten wird vmtl. niemandem gelingen. Dass der persönliche Zusammenhang zur Republica in der Offenlegung zumindest erwähnt wird, finde ich gut. Vielleicht hätte man diese Beiträge auch in einer gesonderten Rubrik erscheinen lassen und nicht zwischen die sonstigen Artikel schieben sollen.

        Unverändert gilt, es ist Ihr Blog – Sie sind der Hausherr.
        Ich hätte aber mehr Reflektion und Sachlichkeit erwartet.

        Markus

        1. Ich schrieb schon deswegen keine „persönliche Kampfansage aus der Egoperspektive des Betroffenen“, weil ich in die Organisation und Durchführung der Veranstaltung nicht involviert war (auch noch nie in den Jahren davor). Ich war allerdings an einem Tag als Referentin und an einem anderen Tag als Teilnehmerin anwesend und habe beim Ankommen vor dem Gelände das Vorgehen, die Werbeaufbauten und die Flyer mit eigenen Augen gesehen und Gespräche der Soldaten mit Konferenzteilnehmern gehört, danach habe ich die Reaktionen auch verfolgt und später einiges nachgelesen auf Plattformen, die ich sonst meide.

          Wie es unten im Artikel auch explizit steht, ist die Redaktion von netzpolitik.org unabhängig (auch finanziell) und nur insofern mit der re:publica verbunden, dass Markus Beckedahl sie mitgegründet hat und weiterhin daran mitarbeitet und dass einige Mitglieder der Redaktion als Referenten auf den Bühnen sprachen. Aber ich erlaube mir meine ganze eigene Meinung zu dem Vorgehen der Streitkräfte, ich empfinde es sogar als Selbstverständlichkeit.

          Ob man den Artikel, der die Antworten der Bundesregierung bewertet und einordnet und dazu einschlägige Richtlinien zitiert und kommentiert, für ein journalistisches Produkt hält, steht jedem natürlich frei. Meine Wortwahl, meine Darstellung und vor allem meine Sichtweise wähle ich in der Form, wie sie mir angemessen erscheint. Ich bin jedoch nicht „selbst betroffen“, ich wüsste auch nicht wodurch.

          Wir haben schon in der Redaktion überlegt, ob wir überhaupt darüber schreiben sollen, weil Markus Beckedahl natürlich im Rahmen der Bundeswehr-Aktion vielfach Statements abgegeben hat und eben Mitgründer der re:publica und seit Jahren dabei aktiv ist. Aber wir haben uns auch deswegen dafür entschieden, weil hier deutlich mehr Fragen aufgeworfen werden als nur die zur re:publica selbst. Davon zeugt schon die Tatsache, dass sich Parlamentarier mit den Vorgängen auseinandergesetzt haben und die Bundesregierung Stellung nehmen musste.

          Ich habe versucht, diese grundsätzlichen Fragen nach der Wahrhaftigkeit, den Verantwortlichkeiten, den Medienkontakten und generell nach Social-Media-Aktivitäten des Militärs aufzuwerfen. Wenn man vielleicht mal seine eigene Meinung zu dem konkreten Vorfall für einen Moment beiseite lässt, sollten sie auch erkennbar sein.

          Dass ich nicht hinter dem Berg halte, was meine eigene Meinung zu den Aktivitäten der uniformierten Offiziere und den dafür verantwortlichen Planern der Kampagne ist, geht aus dem Text klar hervor. Mangelnde Reflexion und Sachlichkeit kann man mir dabei vorwerfen, wenn man das so sieht. Aber ich leide gewiss nicht an Hörigkeit und lasse sie mir auch nicht unterstellen.

  6. Und schon steckste mitten drin im Täter-Opfer-Schlamassel. Egal, wie man es dreht oder wendet, die Situation ist Mist. Die Rollen sind klar verteilt – und irgendwie dann doch wieder nicht. Kampf bleibt Kampf, und den gerade will doch niemand. Manche wollen die Situation durch Humor auflösen, andere mit Logik oder Rechtsvorschriften. Und dann gibt es die Idee des Täter-Opfer-Ausgleichs. Irgendwie eine gemeinsame Ebene und Sprache finden jenseits der allseits bekannten Stereotype. Vielleicht ja ein Thema für die nächste Republica?

    1. Woher kommt eigentlich die Haltung, die hier aus einigen Kommentaren ersichtlich ist, dass ein Kommunikationsverhalten, wie von (meinem Ex-Arbeitgeber) der Bundeswehr gezeigt geduldet werden darf?

      Warum wird Journalist_innen das Recht abgesprochen staatliches Handeln zu hinterfragen? Dafür sind wird da. Das ist unser Beruf.

      Warum taucht „erziehungsberechtigt“ auf – ein Narrativ, dass gerade aus konservativen Kreisen an nahezu jedes unliebsame Thema geknüpft und Journalist_innen zum Vorwurf gemacht wird?

      Ein „Täter-Opfer-Schlamassel“ vermag ich nicht zuerkennen. Staatliche Stellen, die Falschinformationen in Umlauf bringen, sind in erster Linie Täter. Da können sich die Uniformtragenden noch so sehr als Opfer gerieren, was sie ja vor dem re:publica-Gelände und in Social Media schon fleißig taten.

      Ich konnte in der Zeit verfolgen, wie mit der Bundeswehr-Kampagne in Veteranen-Netzwerken umgegangen wurde. Die Beschimpfungen, die ich dort erfuhr, als ich das Verhalten der Bundeswehr kritisierte waren unterirdisch und gingen von einem Co-Autoren (JU-Mitglied bis Funktionär) eines der Bohnert-Bücher aus, der die Kampagne in ähnlichem Stil, wie Bohnert befeuerte.

      Summenzug: Es verabredeten sich aktive Soldaten (teils mit Schnittstelle zur Identitären Bewegung) mit Reservisten aus konservativen Parteikreisen von FDP, CDU und einem etablieren Freelance-Journalisten eines öffentlich-rechtlichen Mediums zu einer Aktion, die sich gegen eine Konferenz, auf der Kritik an der Verteidigungspolitik zu erwarten war.

      Interessenkonflikte:

      1. Buchautor Bohnert und sein Co-Autor gerieren sich im Sinne ihrer privaten Publikation. Finanziert aus Steuergeldern.

      2. Das Verteidigungsministerium will sich zur Schnittstelle mit einer rechtsradikalen Organisation nicht äußern.

      3. Die Informationskampagne wird wider dienstlicher Regelungen zur Social-Media-Kampagne „mit Rückendeckung, dieses Mal von ganz oben“ geführt.

      4. Parteikreise der CDU (Tauber, AKK) verurteilen das Verhalten der Veranstalter und tragen die Falschinformationen mit.

      5. Trotz erkennbarer Kontroverse und Rücksprachen mit beiden beteiligten Gruppen schlägt sich der ZDF-Freelancer gleich zu Beginn der Kampagne auf die Seite der Bundeswehr. Seine Verbandelungen zur Bundeswehr sind derzeit öffentlich nicht eindeutig zu belegen, waren aber zwischenzeitlich über das LinkedIn-Profil, in dem er nun ausschließlich zivil auftritt fragwürdig dargestellt.
      Die öffentlichen Facebook-Postings des Journalismusprofessors im Mai und Juni legen nahe, dass Bohnert eine zentrale Rolle in der von ihm geplanten Doku spielen wird.

      Das sich informelle Absprachen nicht nachweisen lassen, liegt in der Natur der Sache. Ich plädiere in Kenntnis all dieser möglichen Interessenkonflikte an dieser Stelle dafür, dass Reservisten der Bundeswehr, die in Politik und Journalismus agieren, ihren Reservistenbezug öffentlich machen müssen. Für beide Personengruppen ist das zumutbar, denn sie agieren abhängig und profitieren von der öffentlichen Wahrnehmung. Warum also das Versteckspiel.

      Gleichzeitig sollte dem BMVg auferlegt werden, sich grundsätzlich zu Publikationen und Autoren äußern zu müssen, die sich zu dienstlichen Themen publizistisch betätigen.

      Ebenso muss klar sein, wo derzeit Reservisten Entscheidungsbefugnis in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben, über bundeswehrkritische Produktionen zu befinden. Dies sollte grundsätzlich vermieden werden.

      Ich bin überzeugt: sind alle Hintergründe offengelegt, dann sind es in der Masse aktive Soldaten, Reservisten und Verteidigungspolitiker, die sich zu dem Thema betätigt haben. Astroturfing par excellence. Militär und Politik wollen die öffentliche Wahrnehmung von Themen bestimmen – das hatten wir im 20. Jahrhundert und das wollten wir mit dem Grundgesetz und der Struktur des Nachkriegsmediensystems für alle Zeit vermeiden. Gerade aber entgleitet uns das.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.