Türkei: Investigativjournalist Ahmet Şık hält vor Gericht flammende Rede für die Pressefreiheit

Ahmet Şik (Archivbild 2016) – Public Domain Hilmi Hacaloğlu

Ahmet Şık ist einer der prominentesten investigativen Journalisten der Türkei – und sitzt derzeit im Gefängnis. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Unterstützer der Gülen-Bewegung zu sein. Das ist besonders absurd, weil Şık deren Aufstieg und Verstrickung in den türkischen Staat schon 2011 in seinem Buch „Die Armee des Imam“ beschrieb und als einer der schärfsten Kritiker der Bewegung gilt. Das Buch ist bis heute verboten, Erdoğan nannte es damals – vor dem Bruch mit der Gülen-Bewegung – „gefährlicher als eine Bombe“. Şık wurde damals für ein Jahr verhaftet, das Buch wurde in der Türkei über das Internet hundertausendfach verbreitet.

Eine neuerliche Verhaftung des preisgekrönten Journalisten erfolgte Ende 2016. Vor Gericht nutzte Şık nun seine Verteidigungsrede zur Anklage gegen den Präsidenten Erdoğan und für einen flammenden Appell zur Verteidigung von Demokratie und Pressefreiheit. Im ersten Teil zeigte er die Verbindungen und Verstrickungen der Partei AKP zur Gülen-Bewegung auf (Rede auf Englisch).

Im Schlusswort, das „Die Welt“ auch auf Deutsch dokumentiert hat, sagte Şık dann:

Die Geschichte wird einmal mehr auf unserer Seite sein. Es wird euch nicht gelingen, aus der ‚Cumhuriyet‘ oder uns Terroristen zu machen. […] Ich verteidige mich hier nicht oder mache eine Aussage. Ich klage an. Diese Operation, die sich gegen uns richtet, ist nichts anderes als die Jagd auf Gedanken-, Meinungs- und Pressefreiheit. Einige Mitglieder der Justiz haben die Aufgabe übernommen, der Lynchmob dieser Jagd zu sein. Die, die denken, dass dieses dreckige System, diese Verbrecherdynastie für immer bestehen wird, liegen falsch. Das ist kein Statement zu meiner Verteidigung, weil ich das als eine Beleidigung des Journalismus und der ethischen Werte meines Berufes betrachten würde. Journalismus ist kein Verbrechen. Alles was ich sage, ist, dass ich gestern Journalist war, dass ich heute Journalist bin und dass ich auch morgen Journalist sein werde. Dafür, das ist offensichtlich, muss ein Preis gezahlt werden. Aber glauben Sie nicht, dass uns das einschüchtert. Weder ich noch die Journalisten, die draußen sind, haben Angst vor euch, wer auch immer ihr sein mögt. Denn wir wissen, dass das, was Tyrannen am meisten fürchten, Mut ist. Nieder mit der Tyrannei. Lang lebe die Freiheit.

In der Türkei sitzen mehr als 100 Journalisten in Haft, unter ihnen auch die deutschen Staatsbürger Meşale Tolu und Deniz Yücel. Zudem wurden zuletzt IT-Spezialisten und Menschenrechtler unter absurden Vorwürfen verhaftet.

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