Dieser Artikel erschien zunächst auf Englisch unter dem Titel „Dutch ban on zero-rating struck down – major blow to net neutrality“ im zweiwöchentlichen Newsletter EDRi-gram. Autor des Originalartikels ist David Korteweg von Bits of Freedom (Niederlande). Übersetzung und Überarbeitung von Alex Hiller.
Der 20. April war ein schlechter Tag für die Netzneutralität in den Niederlanden sowie auch insgesamt in Europa. Der Gerichtshof in Rotterdam kippte das allgemeine Verbot der Preisdiskriminierung, einschließlich des Zero-Ratings, wie es das niederländische Telekommunikationsgesetz vorsah. Das Gericht urteilte, dass die kategorische Ablehnung von Preisdiskriminierung „eindeutig“ die europäische Verordnung zur Netzneutralität verletzt.
Wie kam es soweit?
Die Europäische Regulierungsbehörde für elektronischen Kommunikation (BEREC) ließ in ihren Richtlinien zur Netzneutralität einigen Interpretationsspielraum hinsichtlich der Problematik des Zero-Ratings. Trotzdem machte der niederländische Gesetzgeber im Mai 2016 klar, dass Preisdiskriminierung unter der Verordnung zur Netzneutralität verboten ist. Dies passte gut zur bisherigen Tradition der Niederlande, ein starkes Gesetz zur Netzneutralität aufrechtzuerhalten, einschließlich des Zero-Rating-Verbots.
Kurz nachdem das Gesetz in den Niederlanden verabschiedet war, startete T-Mobile einen neuen Service, der es T-Mobile-Kunden ermöglicht, bestimmte Musik-Streaming-Dienste abseits ihres monatlichen Datenvolumens zu nutzen. Eine solche Zero-Rating-Politik verletzt die Grundprinzipien der Netzneutralität. Anbieter sollten nicht als Gatekeeper fungieren. Der gesamte Verkehr sollte gleich behandelt werden, jeder Dienst sollte unter gleichen Bedingungen online zu erreichen sein und keine Diskriminierung stattfinden.
Insofern T-Mobile seinen Kunden allerdings freien Zugang zu einigen bestimmten Diensten ermöglicht, zu anderen aber nicht, schaffen sie damit einen starken Anreiz, bestimmte Dienste eher zu nutzen als andere, selbst wenn es bessere Alternativen gäbe. Beispielsweise zahlen die T-Mobile-Kunden derzeit nicht für die Nutzung der Musik-Streaming-Dienste Spotify und Tidal, aber für die Nutzung von ähnlichen Dienstleistungen durch Apple oder Google. Auch wenn Apple und Google dank ihres Erfolgs kaum zu bemitleiden sind, steht hier doch mehr dahinter: In Zukunft wird es wahrscheinlich so laufen, dass große Unternehmen, die genügend Kapazitäten haben, in der Lage sein werden, die Bedingungen der Telekom zu erfüllen, und damit in einen Kreis der kostenfrei vermittels Zero-Rating zugänglichen Dienstleister aufgenommen werden. Bei Inanspruchnahme von kleineren, neueren, innovativeren oder ausländischen Diensten dagegen werden die Kosten auf die Nutzer abgewälzt werden.
Das EDRi-Mitglied Bits of Freedom drängte die niederländische Telekom-Regulierungsbehörde ACM (Authority for Consumers and Markets) dazu, die Freiheit der Endnutzer zu schützen und die Regeln zur Netzneutralität gegen T-Mobile durchzusetzen. ACM entschied tatsächlich, dass T-Mobiles Service gegen die Netzneutralität verstößt, jedoch ging T-Mobile vor dem Gericht in Rotterdam in Berufung.
Was sagte das Gericht?
Das Gericht entschied, dass die Verordnung zur Netzneutralität Preisdiskriminierung nicht per se verbietet, sondern von Fall zu Fall entschieden werden muss. Außerdem stellte es fest, dass sich das Verbot der Diskriminierung in Absatz 3 des dritten Artikels allein auf die technische Ebene des Datenverkehrs bezieht, jedoch nicht auf die Kosten eines Internetzugangs. Die kategorische Ablehnung der Preisdiskriminierung im niederländischen Gesetz ist demnach eine „offensichtliche“ Verletzung der Verordnung. Obwohl es sich hier um eine Frage der Auslegung von europäischem Recht handelt, sah das Gericht keinen Anlass dazu, den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiterzuleiten. Das Gericht urteilte zudem, der niederländische Gesetzgeber habe angesichts der unmittelbaren Auswirkungen der Verordnung nicht die Befugnis zur Festlegung des Geltungsbereichs der Nichtdiskriminierungs-Klausel.
Da sich die Entscheidung des ACM gegen T-Mobile einzig auf die Verletzung des kategorischen Verbots der Preisdiskriminierung bezog, ist die gesetzliche Handhabe des Gerichts allein darauf beschränkt, darüber zu urteilen, ob eine solche Diskriminierung unter der Verordnung stattfand oder nicht. Das Gericht beurteilte nicht, ob T-Mobiles Service generell gegen die Netzneutralitätsverordnung verstößt.
Was folgt? Es bedarf der Regulation.
Sollte dieses Urteil nicht angefochten werden, sind die seit 2012 gewachsenen starken Netzneutralitätsgesetze der Niederlande hinfällig. Dies stellt auch für die gesamte Netzneutralität in der Europäischen Union einen schlechten Präzedenzfall dar. Im März drängte Bits of Freedom in einem Schreiben ACM zur erneuten Anrufung des Gerichts mit der Forderung, Maßnahmen gegen T-Mobile durchzusetzen, da diese immer noch gegen die Regeln der Netzneutralität verstößt.
Ich denke, dass das Gericht hier richtig entschieden hat.
Mit dem neuen Zero-Rating-Service gibt es keine zweite Klasse im Internet, werden doch alle Datenpakete gleich behandelt. Aber ob ein Datenpaket aufs Datenvolumen angerechnet wird, während das beim anderen nicht passiert, hat nichts mit der Netzneutralität zu tun.
Wie der Name „Zero-Rating“ bereits erkennen lässt, betrifft dieser Service allein das „Rating“ und hat mit dem Netz erst mal nichts zu tun.
Ein solches „Zero-Rating“ ist doch im Alltag vollkommen normal und keiner würde wegen sowas vor Gericht ziehen. Wenn ich z.B. Konzertkarten kaufe, ist häufig das Ticket für den Nahverkehr dabei, aber eben kein Ticket für ein Taxi oder Fernbus. Oder wenn ich in den Urlaub fliege, dann legen viele Reiseveranstalter Bahntickets dazu, mit denen ich aber weder Fernbus oder andere Verkehrsunternehmen benutzen kann.
Dieses Zero-Rating ist eine normale Kooperation zwischen Unternehmen, von denen der Kunde sehr stark profitieren kann. Warum das verkehrt sein soll wird in diesem Artikel nicht richtig erklärt.
Wenn bestimmte Unternehmen ausgegrenzt werden und sie keine Möglichkeit haben bei dem Zero-Rating mitzumachen, dann hätte ich auch Zweifel. Aber so sehe ich keine Benachteiligung.
Kann dieser Punkt nochmal besser und genauer betrachtet werden?