Mobilfunkanbieter wollen Fahrverhalten von Autofahrern erfassen und an Versicherungen melden

Das Telekommunikationsunternehmen Telefonica hat heute auf der 19. Handelsblatt Jahrestagung verkündet, dass es bis Ende diesen Jahres eine Technik einführen will, die das Fahrverhalten von Autofahrern erfassen kann.

Das System Telefónica Insurance Telematic ist laut Telefonica der nächste Schritt zum „connected car“: Basierend auf der Machine-to-Machine Technologie (M2M) soll das Fahrverhalten analysiert werden, um damit die Preise von Autoversicherungen genauer berechnen zu können. Ein Modul, das in das Auto eingebaut wird, erfasst dabei Faktoren wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, Bremsverhalten und Nachtfahrten und überträgt diese per Mobilfunk an die Versicherungsgesellschaft. Laut dem Strategie-Vorstand von Telefónica Deutschland, Markus Haas, ermöglicht diese Technik den Versicherern eine „attraktivere und gerechtere Gestaltung ihrer Tarife“:

Die Versicherer haben damit ein Ass im Ärmel, um sich im hart umkämpften Markt zu bewähren und Ihren Kunden maßgeschneiderte Tarife anzubieten. Auch Logistik-Unternehmen und andere Branchen profitieren stark, weil M2M große Kosteneinsparungen und neue Dienste wie digitale Fahrtenbücher ermöglicht.

Das Hauptaugenmerk liegt nach Telefonica auf der sicheren Übertragung und Speicherung der Daten. Fahrinformationen würden verschlüsselt und getrennt von den Systemen des Versicherers verarbeitet. Der Versicherte kann die aktuelle Auswertung des Fahrverhaltens über ein Internet-Portal oder eine Smartphone-App einsehen.

Der Versicherer bekommt die Gesamtwerte in Form eines Punktestands übertragen, in den Faktoren wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, Bremsverhalten oder Nachtfahrten eingehen. Dieser Punktestand wird dann dazu genutzt, die monatliche Versicherungsprämie zu ermitteln, ohne die einzelnen Fahr- oder Ortsdaten einzusehen.

Jedem Schritt müsse der Kunde ausdrücklich zustimmen, und auch eine Erfassung von Bewegungsprofilen sei ausgeschlossen. Eine „freiwillige Vorratsdatenspeicherung des Kfz-Halters“ nennt es der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar: Die Freiwilligkeit der Zustimmung könnte vielmehr zu einem ökonomischen Zwang werden, und das solle gesetzlich verhindert werden. Zudem könnte der Halter eines Fahrzeugs andere Fahrer kontrollieren und deren Strecken nachvollziehen – ebenso der Arbeitgeber bei Außendienstmitarbeitern.

In Spanien wird die Technik von Telefonica bereits in Zusammenarbeit mit Generali Seguros einsetzt, in Deutschland arbeitet Telefónica nach eigenen Angaben bereits mit einer Reihe von großen Versicherungen zusammen.

Zuletzt hat Telefonica im Oktober 2012 mit Smart Steps Schlagzeilen gemacht. Hier sollten die Bewegungs- und Bestandsdaten von Kunden dahingehend analysiert und aufbereitet werden, dass sie für Geschäftsführer und Unternehmen besonders interessant sind. Diese Pläne hatte das Wirtschaftsministerium geprüft und für unzulässig befunden.

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26 Ergänzungen

  1. Tja… Ich finds nicht schön sowas. Datenschutztechnisch ist das kein wünschenswertes Szenario.

    Sich aber kategorisch gegen solche „Features“ zu wehren halte ich für zwecklos. Kommen wir das so oder so.

    Was man vielmehr machen sollte ist, solches Eindringen in private Daten streng, transparent und nachvollziehbar zu reglementieren.

  2. Kündigung – das ist der einzige Weg für Kunden die solch eine Überwachung nicht akzeptieren wollen. Man möchte gerne glauben, dass diese Unternehmen ernsthaft diskutieren möchten. Doch es ist ihnen völlig egal. Eine Diskussion wird lediglich simuliert und die PR-Maschine beginnt ihre Arbeit. Nur mit einer Kündigung um dem kompletten Verzicht auf den jeweiligen Anbieter kann ein Signal gesetzt werden. Leider fehlt es an demokratischen Strukturen. Das Resultat muss die Abstimmung über die Brieftasche sein.

    1. Nene das wird einem schon nicht untergejubelt sowas. Man hat ja einen Vertrag mit der Versicherung.

      Was vielmehr passiert wird ist sowas: „Wechseln sie jetzt in unserem $dauerÜberwachungsTarif und profitieren Sie finanziell von Ihrer umsichtigen Fahrweise!“. Wer sagt da noch nein — einige, wie wir, aber nicht mehr viele und je mehr Leute auf sowas anspringen desto teuer werden die Tarife für diejenigen, die nicht drauf eingehen. Insofern hat der Schaar schon Recht. Am Ende hat der Kunde so oder so die A*-Karte gezogen.

      Aber das ist Marktwirtschaft, die Leute denken nicht so weit. Insofern ist es zwar einerseits verständlich und wünschenswert, sich gegen solche Entwicklungen zu wehren, aber die große Masse wirds eben nicht tun, sofern jeder einzelne da seinen eigenen Vorteil meint ziehen zu können. Deswegen meine ich, dass man vielleicht besser gleich auf eine strenge Reglementierung besteht.

  3. So sehr ich Herrn Schar und den Datenschutz schätze – wir leben hier in einer kapitalistischen Marktwirtschaft. D.h., Datenschutz „als solcher“ wird immer spätestens in der Spruchpraxis bzw. im RL die schwächere Karte sein.

    Was wir IMO viel DRINGENDER brauchen, als ein Verbot ist die Klärung des Besitzes an den der Verwertungsrechte der Daten – hier z.B. der Bewegungsdaten: Es ist meine Person, die Die Daten aufzeichnet und es ist das Mobiltelefon, das mir gehört!! Wie kann es da anders sein, als dass ich dem Telekom-Unternehmen VIELLEICHT eine Lizenz zur Nutzung – natürlich gegen Bares! – einräume.

    Wenn ich dann die Preishoheit für diese Lizenz habe, kann ich bei Bedarf Ablehungsangebote machen ;-) Dann braucht man gar kein starres Verbot – dann reicht die Marktwirtschaft zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte.

    Vielleicht etablieren sich dann auch ein akzeptable Modelle, bei denen Versicherungen eine Zet lang „mitfahren“ und dafür Nachlass bei dem Tarif bieten – und am Ende ein Angebot machen ..

    Aber wo sind wir bitte, dass die TelKos unser Eigentum einfach so nutzen und versilbern dürfen, ohne uns zu beteiligen?! Oder leben wir hier im FDP-Sozialismus?!!1!

    1. Ups, da ist was durcheinander gekommen:

      Was wir IMO viel DRINGENDER brauchen, als ein Verbot brauchen ist, den Besitzes bzw. die Verwertungsrechte der Daten zu klären – [..]

    2. *rotwerd* ich hatte den Text nur überflogen und das Handy als Sensor verstanden. Insofern ist mein Beitrag etwas unpassend ..

  4. Unangenehmer finde ich das mit Blick auf die niedrigere Schwelle von staatlicher Seite künftig solche Datenbanken nutzen zu wollen.
    Dann wird irgendwann jede Übertretung umgehend abgerechnet. Eventuell gibt es dann eine Verkehrs-App, die ein Kassenklingeln verlauten lässt sobald man zu schnell war…

  5. … ein spontaner, unausgegorener Gedanke:
    Wenn man den individuell aus persönlichen Handlungen zusammengestellten Daten eine ausreichend große Schöpfungshöhe zugestehen könnte, würde jede unlizenzierte Speicherung und Nutzung derselben einen Urheberrechsverstoß begründen.
    Solle mer se abmahne?
    Wenn das Urheberrecht schon zur Zensur mißbraucht wird, kann man es ja vielleicht auch sinnvoll zweckentfremden.

  6. Ich fände gut, bei schwerwiegenden Unfällen, also solchen mit Verletzungen bei bis zum Tod von Dritten, ermitteln zu können, ob der betreffende Verkehrs- gleichzeitig Gesprächsteilnehmer war. Die 20 Euro für Telefonieren während der Fahrt gehen doch allen Fahrzeugführern am Arsch vorbei, obwohl es Headsets schon für weniger gibt und sie zum Großteil gleich mitgeliefert werden. Wer so Unfälle herbeiführt, sollte entsprechend haftbar gemacht werden können. Wer während der Fahrt telefoniert handelt genau so verantwortungslos wie Betrunkene.

    1. Tut mir Leid: So sehr ich verstehe wo du hin willst, ist das kein Grund für eine flächendeckende Kfz-Überwachung.
      Szenario: Du fährst mit einem Kollegen irgendwohin. Es kommt zum Unfall. Obwohl du Fahrzeughalter bis, habt ihr an der letzten Raststätte die Plätze gewechselt. Dein Kollege ist gefahren, du warst Beifahrer. Du hast zum Zeitpunkt des Unfalls als Beifahrer telefoniert…
      Und nun? Sitzsensoren Pflicht für jedes Auto? Biometrie beim Anlassen, damit der Fahrer eindeutig ist? Bezahlst du gerne diese ganze Technik, damit der Strafverfolger auf Knopfdruck den Täter benennen kann?

  7. Wenn jetzt sprunghaft die O2-Kunden in Deutschland abspringen, wird das Unternehmen den Wink vielleicht auch verstehen. Und wenns doch die eine oder andere Versicherung versucht, muss man halt mobilisieren und die ebenfalls unter einem Shitstorm begraben.
    Zumindest in der Theorie klingt das doch ganz gut…

  8. Huhu,

    Also verstehe ich das richtig: wenn ich mal spät nachts aus dem Büro in den Zug nach Hause falle, steigt dann meine Versicherung weil ich Nachtfahrten mache…?

    Tonnerre

    1. Nur wenn du diese Fahrt auf dem Autozug unternimmst, denn dein Handy ist nicht der Sensor sondern eine Blackbox in deinem Auto. Sonst würde M2M Tarif nicht funktionieren.

  9. „Wenn jetzt sprunghaft die O2-Kunden in Deutschland abspringen, wird das Unternehmen den Wink vielleicht auch verstehen“
    Da glauben einige immer noch an die „Marktmacht“ des Konsumenten. Langfristig werden wohl die Versicherungstarife, für jeden, der sich weigert diese Technik zu nutzen, sprunghaft ansteigen. Sollte der Druck über das Geld wider Erwarten nicht reichen, wird da halt ein neues Gesetz eingeführt, selbstverständlich für unser aller Sicherheit.

  10. In den USA gibt es ähnliches übrigens schon länger, man lässt einen Monat sein Fahrverhalten aufzeichnen und bekommt evtl. Rabatte, vgl.

  11. Der Versicherer bekommt die Gesamtwerte in Form eines Punktestands übertragen, in den Faktoren wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, Bremsverhalten oder Nachtfahrten eingehen.

    Verstehe ich das richtig – da wird es dann wie bei Schufa und Konsorten einen Gesamtscore geben, an dem sich unsere Versicherungsprämie bemisst und wir erfahren zwar, was (naja, zumindest ungefähr, alles wird man uns wohl kaum verraten) darin einfließt aber niemand weiß, wie er konkret berechnet wird. Und wenn zu einem bestimmten Parameter keine Daten vorliegen, wird automatisch vom Worst Case ausgegangen und der Kunde hat die Arschkarte. Ja?

  12. Datenschutztechnisch ein wenig fragwürdig. Auf solch eine Umsetzung und die Qualität der auswertbaren Daten bin dennoch gespannt und werde das weiter verfolgen. Eigentlich eine coole Idee.

  13. Die meisten hier glauben daran, daß so ein Verfahren eingeführt wird.
    DAS ist das alte Spiel, was es zu durchschauen gilt. Wer seine Macht erkennt und weiß, was Gedanken und Gefühle bewirken in der Welt, der muß hier, bei solchen als „Ankündigungen“ getarnten Propagandamaßnahmen zur weiteren Entrechtung der Menschen einfach nur für sich klarstellen: Sowas kommt nicht in Frage und wird nicht eingeführt.
    Probiert es aus und erlebt, wie die uns eingeredete Machtlosigkeit abfällt. Welchen Weg da jeder Einzelne geht, selbst ob man sich mit Anderen bespricht, ist letztlich nicht von Bedeutung. Aber die Erklärung des eigenen, bewußten Willens ist eine Anweisung an die Welt, der sie sich nicht entziehen kann.

  14. Sollten sich Versicherungstarife nicht eher nach der Unfallhäufigkeit und den dadurch für die Versicherung entstehenden Kosten richten? Mit dem o.g. System kann/wird es passieren daß ein guter Fahrer (und die Fahren meistens nicht 100% nach den Regeln) viel Beitrag bezahlt obwohl er/sie nie Unfälle hat und verursacht. Ein rollendes Verkehrshindernis dagegen könnte einen niedrigen Beitrag bekommen, trotz Unfälle, aufgrund des Bremsverhaltens? Das kann nicht wirklich ernst gemeint sein? Vom Datenschutz ganz zu schweigen…

  15. So neu ist das gar nicht. Berufsfahrer werden längst „überwacht“.
    Viele LKW (nicht nur Daimler) haben ein System namens Fleetbord eingebaut das nicht nur laufend Fahrzeugdaten und den Standort liefert. Es zeichnet auch eine ganze Menge Daten zum Fahrverhalten auf. Spritverbrauch, Bremsverhalten, Motor-Standlaufzeiten usw. Alle Daten auf den Fahrer bezogen. Bis vor kurzem musste dazu eine separate persönliche ID-Karte in das Gerät eingeschoben werden um die Daten dem Fahrer zuzordnen. In neueren Fahrzeugen ist der elektronische Fahrtenschreiber (Tachograph, gesetzlich vorgeschrieben für gewerbliche Transporte), der Arbeitszeiten und Geschwindigkeit aufzeichent, mit dem Fleetbord verbunden. Damit werden die Fahrerdaten direkt von der persönliche Fahrerkarte im Tachographen bezogen ohne die nicht gefahren werden darf.
    In vielen Firmen erhalten die Fahrer monatlich eine Auswertung der Daten und am Anschlagbrett hängt dann die „Rangliste“.
    Infos zu Fleetbord gibts hier:
    http://www.daimler.com/technologie-und-innovation/mobilitaetskonzepte/fleetboard

  16. “attraktivere und gerechtere Gestaltung ihrer Tarife”

    So ein Spruch aus der Versicherungsecke ist der blanke Hohn.

    Wer jemals einen Schadensfall hatte, kann sich sehr genau vorstellen,
    was dann passiert.

  17. Ich finds gut, sollten wir erst mal zu Testzwecken bei Politikern und Beamten einführen, die haben ja nichts zu verbergen …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.