Fachdialog zu Netzneutralität im Wirtschaftsministerium: Nichts genaues weiß man nicht.

Gestern fand im Bundeswirtschaftsministerium der vierte Fachdialog Netzneutralität statt. Im Gegensatz zu früheren, eher theoretisch gehaltenen Diskussionsrunden im BMWI zum Thema, gab es diesmal ein konkretes Thema: Die Drosselpläne der Deutschen Telekom.

In drei Panel-Diskussionen ging es aus verschiedenen Richtungen darum, was die Deutsche Telekom vorhat oder vorhaben könnte, ob das rechtlich und regulativ in Ordnung ist und was das überhaupt bedeutet. Kurzzusammenfassung: Nichts genaues weiß man nicht. Und alle sind unzufrieden mit der Deutschen Telekom.

Am deutlichsten machte sich das auf dem Panel „Die Sicht der Politik“ bemerkbar, wo ich selbst als Teilnehmer drauf sass. Die Bundestagsabgeordneten aus verschiedenen Fraktionen waren deutlich unentspannt über die Kommunikation der Deutschen Telekom, ständig aus den Medien Neues erfahren zu dürfen, was genau der ehemalige Staatskonzern nun plant oder auch nicht. Überraschenderweise erklärte die FDP-Abgeordnete Claudia Bögel, dass die Drosselung mit ihr nicht zu machen sei. Was immer das konkret bedeutet. Es würde mich zumindest positiv überraschen, wenn die FDP sich jetzt dafür einsetzt, die Drosselung zu verhindern. Aber wichtiger ist uns das Thema Netzneutralität. Zumindest rhetorisch waren Thomas Jarzombek (CDU) und der BMWI-Staatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP) deutlich genervt von der Deutschen Telekom und den möglichen Auswirkungen der Plänen.

Das Argument der Telekom, dass man nicht diskriminiere, weil man ja jedem Anbieter erlaubt, sich in die Überholspur einzukaufen, ließ Staatssekretär Otto nicht gelten. Neben dieser „positiven Vertragsfreiheit“ gibt es auch eine „negative Vertragsfreiheit“. Wenn sich große Firmen von Einschränkungen freikaufen, sind Wettbewerber quasi gezwungen das auch zu tun, um einen vergleichbaren Dienst liefern zu können. „Ich will nicht unterstützen, dass jeder einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Telekom schließen muss, um einen neutralen Zugang zu haben.“ Diese Ungleichbehandlung und der Anreiz/Zwang zum „Freikaufen“ sind sehr wohl diskriminierend. Es freut uns, dass die Bundesregierung unsere Einschätzung offensichtlich teilt. Thomas Jarzombek brachte das Argument, dass sich kleine Startups nicht leisten könnten, eine Person einzustellen, die dann damit beschäftigt ist, bei allen Telkos Verträge auszuhandeln, damit die eigenen Dienste / Plattformen auch diskriminierungsfrei durchgeleitet werden können. Ebenfalls fiel öfters der Spotify-Deal im T-Mobil-Netz, wo Spotify von einer Drosselung ausgenommen ist. Der Telekom-Vertreter versprach mir dann, dass ich auch mit meinem Audio-Podcast einen Vertrag für diese Bevorzugung aushandeln könnte. Ich werde das mal ausprobieren.

Hans-Joachim Otto zeigte sich offen für eine gesetzliche Regelung, falls die Verordnungsmöglichkeit §41a im TKG nicht ausreichen würde, um die Deutsche Telekom an ihren Plänen zu hindern. Wir lassen uns gerne positiv überraschen!

Martin Dörmann von der SPD kritisierte, dass die Verordnungsmöglichkeit nicht der richtige Weg sei, um gesetzliche Rahmenbedingungen für Netzneutralität zu schaffen und dies im TKG direkt besser aufgehoben sei. Die SPD wird wohl kommende Woche eine Neuauflage ihres Gesetzesentwurf für eine solche Regelung aus dem Jahr 2011 präsentieren. Dörmann kritisierte ebenfalls, dass es wenig transparent für einen Neukunden sei, der 2013 einen Vertrag unterschreibe, der 2016 dann sowieso geändert werde, wie die Telekom es angekündigt hat.

Bei der Diskussion „Die Sicht des Marktes“ bekam die Deutsche Telekom Unterstützung der anderen Telkos in Form ihres Verbandes VATM. Die wollen ja (fast?) alle, dass Inhalteanbieter zur Kasse gebeten werden, wie es die Deutsche Telekom jetzt angekündigt hat. Allerdings war deutlich zwischen den Zeilen zu hören, dass die Wettbewerber ebenfalls mit der Kommunikationspolitik der Telekom unzufrieden sind. Der VATM-Vertreter erklärte dann weiter, dass das offene Best-Effort-Internet nur ein historisches Versehen gewesen sei und man das jetzt mal korrigieren wolle. Neue Geschäftsmodelle seien wichtig, eine Diskussion über Netzneutralität (die dabei ja eine nicht unerhebliche Rolle spielt) sei da aus Sicht der Telkos wenig hilfreich.

Etwas Spaß machten wenigstens manchmal die Ausführungen des Telekom-Vertreters Jan Krancke. Dieser verwechselte konsequent MBit und MByte und versprach zusätzlich noch 384 MB/s Upload nach einer Drosselung. Wenn das die Telekom früher bereits versprochen hätte, wäre das Image heute deutlich besser. Lustig war auch die Erklärung, dass der Telekom-eigene Video-on-Demand-Dienst womöglich ebenfalls Durchleitungsgebühren zahlen müsste (Dreimal dürft Ihr raten, an wen), damit die Wettbewerber nicht diskrminiert werden.

Ernüchternd war die letzte Diskussion „Die Sicht der Regulierung“. Da man nichts genaues wisse, konnte man auch nicht genau sagen, was man denn machen könne. Der Direktor der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), Hans Hege, forderte eine Konkretisierung des §41a dahingehend, dass die Forderung „Keine Priorisierung für Geld“ dort untergebracht werden müsse.

Heise hat in zwei Artikeln darüber berichtet:

Netzneutralität: Wettbewerber stellen sich hinter Telekom
Flatrate-Drossel: Regulierer hat wenig gegen die Telekom in der Hand

Wir wollten eigentlich die ganze Veranstaltung aufzeichnen und die MP3s ins Netz stellen, aber die Aufnahme ist leider komplett übersteuert und kaum anhörbar. Von der dritten Diskussion „Die Sicht der Regulierung“ haben wir zumindest einen Livestream geschafft, hier gibt’s die MP3.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

2 Ergänzungen

  1. Offensichtlich ist Bewegung in die Diskussion um die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität gekommen. Während bisher die Bundesregierung der Auffassung war, bereits ein solches Gesetz in der Hand zu haben, sieht der Bundeswirtschaftsminister den möglichen Bedarf für ein solches Gesetz wohl inzwischen ein. Deutlich wird das z.Bsp. hier in der gemeinsamen Pressemitteilung mit der Content-Allianz: http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/2013-06-05-BM_Roesler_trifft_Deutsche_Content_Allianz.pdf
    Ich vermute, dass wir die Schlacht um die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität bald als erfolgreich geschlagen verbuchen können. Dank der unfreiwilligen Hilfe der Telekom, die offenbar ihre Möglichkeiten total überschätzt hat und Dank der Petition, die deutlich gemacht hat, dass dies kein Nischenthema ist, sondern zur massenhaften Mobilisierung taugt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.