Interesse am Gutachten zur Abgeordnetenkorruption?

Der folgende Beitrag wurde zuerst von Stefan Wehrmeyer auf dem Blog von www.FragdenStaat.de veröffentlicht.

So sieht es aus, das Gutachten “Rechtsfragen im Kontext der Abgeordnetenkorruption”. 40 Seiten lang und gerade im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen sehr interessant zu lesen. Stefan Wehrmeyer hat eine Anfrage nach dem Gutachten gestellt und es für die private Einsicht erhalten. Er hat es auch schon eingescannt und würde es am liebsten als PDF online zu stellen. Aber der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat ihm die Veröffentlichung verboten und droht bei Zuwiderhandlung mit zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen.

Angeblich hat der Wissenschaftliche Dienst ein Urheberrecht auf alle Gutachten und somit könnte er entscheiden, ob und wer diese Gutachten veröffentlichen darf. Leider ist nur ein Bruchteil aller Gutachten, auf deren Grundlage unsere Bundestagsabgeordneten immerhin ihre Entscheidungen fällen, öffentlich verfügbar. Damit andere möglichst einfachen und legalen Zugang zu diesem Dokument erhalten können, gibt es auf FragDenStaat.de jetzt für Nutzer die Möglichkeit mit einem Klick die gleiche Anfrage in ihrem Namen zu stellen.

Es wurde auch vorgeschlagen, das Gutachten zu leaken, also anonym online zu verbreiten. Viel interessanter ist es den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags dazu zu bringen, seine Gutachten selbst online zu stellen. Was sollte eigentlich dagegen sprechen? Und was ist überzeugender, als wenn möglichst viele Bürger Interesse an diesen Gutachten zeigen und sie anfragen? Wenn gar der Arbeitsaufwand durch die vielen Anfragen so ansteigt, dass eine Veröffentlichung tatsächlich sinnvoller erscheint? Da eine Antwort gesetzlich bis zu einem Monat dauern darf, hier vorab die Kernbotschaft aus der Zusammenfassung des Gutachtens:

[…] ist im Ergebnis zu konstatieren, dass die Abgeordnetenbestechung in Deutschland durch den Tatbestand des § 108e StGB hinsichtlich des mit der Norm intendierten Schutzes der Integrität und Unabhängigkeit der Mandatsausübung keine ausreichende strafrechtliche Regelung erfahren hat und diesbezüglich Reformbedarf besteht.

Und noch ein schönes Zitat, das darauf hinweist, dass bei einer Reform die Nebeneinkünfte der Abgeordneten nicht vergessen werden sollten:

Verfassungsrechtlich zulässig ist es hingegen, dass übermäßig dotierte Nebentätigkeiten unter den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) fallen können.

Der Bundestag ignoriert übrigens seit mehr als 13 Jahren die Abgeordnetenkorruption. Das ist in dem Gutachten auch alles schön dokumentiert. Das komplette Gutachten können alle auf www.FragdenStaat.de registrierten Nutzer hier mit einem Klick selbst anfragen. Eine Registrierung mit echtem Namen und Postadresse ist erforderlich, da wir in eurem Namen E-Mails versenden und ihr die Dokumente aller Wahrscheinlichkeit nach per Post bekommen werdet.

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26 Ergänzungen

    1. Das ist leider traurig aber auch die Realität.

      Genau das selbe gilt im übrigen für jegliche wissenschaftliche Arbeit die von der öffentlichen Hand/Staat/EU bezahlt wurde und im Rahmen von wissenschaftlichen Publikationen bei einer größeren Konferenz oder Journal veröffentlicht wurde. Da behalten sich nämlich Springer und co. dass exklusive Vertriebsrecht vor, d.h. wenn diese öffentlich bezahlten Ergebnisse irgend einer haben möchte und die bereits einmal bei einem Verlag erschienen ist (online oder offline) dann geht das nur noch über den Verlag (gegen Bezahlung).

      1. Leider ist das so, aber man kommt da als wiss. Autor auch nur sehr schwer drumrum. Soll ich in Zukunft alle Konferenzen, Journals und Workshops meiden, bei denen die Paper im Anschluss kommerziell verwertet werden? Ist meistens keine Option.

        Man kann den Autor direkt anschreiben und um eine Kopie bitten. Fragen kostet nichts. Denn z. B. das „Consent to Publish“-Formular von Springer enthält einen Absatz, der den Autoren das Recht zugesteht, das eigene Paper auf der eigenen Website zum Download anzubieten.

        Ulf

      2. @Ulf
        Das Problem liegt ja eben nicht bei den Autoren oder uns Wissenschaftlern. Der Wille zum teilen des Wissens ist hier ja meist gegeben. Das Problem liegt dabei das die Öffentliche-Hand Gelder vergibt ohne die Projekte zu zwingen das die Ergebnisse auch öffentlich zugänglich sind.
        Sollte ein solch ein Paragraph obligatorisch in den Verträgen der Öffentlichen-Hand auftauchen würden sich die Verläge auch anpassen. Bzgl. Springer: Ja den Passus gibt es und er ist auch „fair“ aber das gilt bei weitem nicht für alle Verläge oder Organisationen. Einige gehen da sogar extrem weit: sie lassen sich das Veröffentlichen vom Autor bezahlen, bringen keine Druckversion oder Sammelwerke mehr hervor und lassen sich den download von einer normalen Publikation schon mal mit bis zu 50€ vergüten.

    1. @icke: Wir kümmern uns drum. Im Moment warten wir auf die Antwort auf das Anliegen, uns zumindest kostenfrei zu sagen, wer konkret dabei war. Wir behalten uns aber auch eine Klage vor, mit Matthias Schindler als Klagenden, die wir dann Crowdfunden lassen.

  1. Berlins Datenschutzbeauftrager heute in der Berliner Zeitung: „In diesem Zusammenhang ist ein wichtiges Verwaltungsgerichtsurteil zu nennen, dessen Thema etwas skurril, dessen Bedeutung aber groß ist. Es betrifft den Deutschen Bundestag, wo das IFG nicht gilt. Dessen Wissenschaftlicher Parlamentsdienst hatte ein Gutachten über sogenannte Unbekannte Flugobjekte (UFOS) erstellt. Das wollte ein Bürger einsehen, was der Bundestag ablehnte. Das Gericht hat aber entschieden, dass das Papier der Verwaltung des Bundestages zuzurechnen ist und dass das Urheberrecht, das beim Bundestag liegt, kein Grund ist, die Herausgabe zu verweigern. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung.“ http://www.berliner-zeitung.de/berlin/interview-schwaerzungen-nur-in-ausnahmefaellen,10809148,11666710.html

  2. ich würde es leaken, falls rechtliche schritte eingeleitet werden würden, würde ich mit dem höheren interesse der allgemeinheit argumentieren.

  3. Wäre vielleicht an der Zeit, sich mal dafür einzusetzen, dass unser Urheberrecht geändert wird. Ähnlich wie in den USA könnte man Werke, die von Angestellten des Bundes/der Länder im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erstellt werden, vom Urheberrechtsschutz ausnehmen. Sind schließlich im Auftrag der Bürger mit dem Geld der Bürger erstellt worden und sollten deshalb auch von allen genutzt werden können.

  4. Der SPIEGEL hatte daraus schonmal berichtet:
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-62603854.html

    Außerdem scheint es eine PDF-Version zu geben:
    http://carta.info/7805/gutachten-zur-abgeordnetenbestechung-das-revival-des-faxgeraetes/

    …und diese PDF-Version hat(te) u.a. Volker Beck:
    http://carta.info/7805/gutachten-zur-abgeordnetenbestechung-das-revival-des-faxgeraetes/#comment-1763

    BTW: Die Wissenschaftlichen Dienste sind auch den Mitgliedern vom Abgeordnetenhaus zugänglich. Die Piraten in Berlin könnten also versuchen, VÖ-Genehmigungen zu kriegen. Vermutlich haben die derzeit aber schlichtweg keine Zeit dazu, sich um sowas zu kümmern.

  5. Bisher erst 271 Anfragen [Stand 21.02.2012 9:51]. :-(
    Das wäre doch mal ’ne Aktion für die DigiGes. An deren Reichweite müsst ihr ohnehin noch kräftig arbeiten.

  6. Ich lese schon wiede das Wort „Verfassung“. Sind wir alle blöd hier, oder blöd gemacht worden. Auf welche Verfassung stützt sich bitte nur ein Gesetzt? Mir wird schon wieder kotzübel…

  7. Hihi. Die vielen Anfragen scheinen die Bundestagsverwaltung ein wenig aufgeschreckt zu haben. Heute wurde im Intranet des Bundestages ein Dossier zur Abgeordnetenbestechung veröffentlicht, das auch das oben genannte Gutachten enthält. Damit ist es nun allen Abgeordneten zugänglich (vorher musste es von den MdB gezielt angefordert werden).

  8. Deutschland hat hier ein dramatisches Verbesserungspotential:

    1. 84 Staaten mit ca. 4,5 Milliarden Bürgern auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als die Bürger der Bundesrepublik Deutschland [1].
    2. Mehr als 115 Staaten [2] mit mehr als 5,5 Milliarden Einwohnern haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. In fünf Bundesländern, d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland, fehlen generelle (über VIG = Verbraucherinformatiosgesetz und UIG = Umweltinformationsgesetz hinausgehende Informationsfreiheitsgesetze.
    3. Die UN Konvention gegen Korruption wurde zwar in mehr als 158 Staaten (Stand 13.12.2011) mit mehr als 6,5 Milliarden Einwohnern ratifiziert, nicht aber von Deutschland [3].
    4. Der Bundestag verweigerte sich dem Vorschlag der Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarates, das Strafrechtsübereinkommen über Korruption SEV-Nr. 173 und Zusatzprotokoll zu ratifizieren und die Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland mit Hinweis auf Recommendation Rec(2003)4 zu verbessern [4].
    5. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das weder die UN Konvention noch das Strafrechtsübereinkommen gegen Korruption ratifiziert hat [5].

    Deutschland muss, um zu Europa, der OECD und den BRIC-Staaten aufzuschließen, Informationsfreiheitsgesetze in allen Bundesländern verabschieden, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes verbessern, Nebentätigkeiten der Abgeordneten transparenter machen und die Konventionen gegen Korruption des Europarates und der Vereinten Nationen ratifizieren sowie Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern.

    Diese Forderungen sind sachlich durch Fakten belegt. Warum schreibt die Presse so wenig und verschweigt, wie schlecht Deutschland da steht? (PK)

    Siehe auch: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17510

    Quellen:
    1) http://rti-rating.org/results.html
    2) http://right2info.org/laws
    3) http://en.wikipedia.org/wiki/United_Nations_Convention_against_Corruption 4)http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp
    5) http://www.lobbypedia.de/index.php/GRECO

  9. Von der Funktion, die gleiche Anfrage auch zu stellen, haben ja nicht unwesentlich viele Personen Gebrauch gemacht. Bis heute hat aber offensichtlich niemand eine Antwort erhalten. Ich habe jedenfalls keine erhalten.

    Kann die DiGes da nicht mal nachhaken?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.