Hadopi-Bilanz nach zwei Jahren: 24 Millionen Euro, 14 Fälle bei der Staatsanwaltschaft, keine Verurteilung

Die französische Urheberrechts-Behörde Hadopi hat in zwei Jahren nur 14 Fälle an Staatsanwaltschaften verwiesen, von denen noch kein einziger vor Gericht behandelt worden ist. Das gab die Präsidentin der Behörde gestern auf der jährlichen Pressekonferenz bekannt. Für diese Ausbeute und etwas mehr als eine Millionen E-Mails gibt Frankreich pro Jahr 12 Millionen Euro aus – zu viel für die neue Kulturministerin.

Seit Oktober 2010 verschickt die französische Urheberrechts-Behörde Hadopi Warnhinweise an vermeintliche Urheberrechtsverletzer. Von drei Millionen „identifizierten“ IP-Adressen sind bis Ende Juni 1,15 Millionen per E-Mail angeschrieben worden. Eine zweite Verwarnung per Brief haben gut hunderttausend Anschlussinhaber erhalten. Nur 340 davon haben bisher einen dritten „Strike“ bekommen. Das berichten Sophian Fanen auf französisch und Peter Sayer auf englisch.

Auf der jährlichen Pressekonferenz sagte Hadopi-Chefin Mireille Imbert-Quaretta:

Bis heute hat Hadopi nur 14 Akten an Gerichte übergeben, obwohl andere der 340 folgen könnten, wenn sich Rechteinhaber innerhalb eines Jahres nach ihrer letzten Warnung erneut über sie beschweren. Keiner der 14 Fälle ist bisher vor Gericht gegangen, obwohl Staatsanwälte die Hadopi-Behörde in vielen Fällen um weitere Informationen gebeten haben.


Trotz dieser mageren Ausbeute ist Imbert-Quaretta zufrieden mit ihrer Behörde. Dass nur so wenige Personen tatsächlich mit Netz-Sperren oder Strafzahlungen rechnen müssen, zeige, dass das Prinzip der Warnung und Aufklärung funktioniere.

Kritiker hingegen betrachten die gesamte Behörde als unverhältnismäßig. Hadopi hat ein Budget von 12 Millionen Euro pro Jahr. Für 14 Fälle bei der Staatsanwaltschaft in zwei Jahren sind das 1,7 Millionen Euro pro Fall, wegen ein paar nicht-kommerziellen Urheberrechtsverletzungen. (Die kommerziellen Fälle werden immer noch direkt verfolgt.)

Das sieht auch die neue französische Kulturministerin Aurélie Filippetti so, wie netzpolitik.org bereits Anfang August berichtete:

Zwölf Millionen Euro im Jahr und 60 Beamte sind ganz schön teuer, um eine Million E-Mails zu verschicken.

Deswegen will sie das Budget von Hadopi „erheblich reduzieren“.

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19 Ergänzungen

  1. Das ist mir jetzt schon fast etwas unangenehm darauf hinzuweisen aber die Zahlen im Artikel belegen doch recht eindrücklich, wie gut Hadopi funktioniert.

    Die Idee hinter der Regelung ist ja eben gerade nicht, dass man bei den über 1er Million Filesharingmörder die Leitung kappt. Die niedrige Quote zeigt doch, dass die abschreckende Wirkung aufzugehen scheint…

      1. Ich finde, dass kann man auch als Gewinn einstufen. Also das jetzt mehr Menschen wissen wie man vpn oder proxies benutzt. Vielleicht auch freenet oder tor, vielleicht betriebt der ein oder andere jetzt sogar ein Relay. :)

    1. Ich frage mich, wie die Zahlen aussehen würden, wenn die Empfänger der Warnungen zufällig ausgelost werden würden. Wenn ich mal die Zeit dazu finde, mach‘ ich ein paar statistische Analysen auf den Daten…

      1. Der Verdacht hat sich (leider) nicht bestätigt, die Unterschiede in den Chancen, die zweite und dritte Verwarnung zu bekommen sind sowas von signifikant (p<10^-10).
        Das beweist natürlich nur, dass, falls Schmu im Spiel ist, die Adressaten der Warnungen nicht einfach ausgelost wurden – nicht ob sie tatsächlich etwas getan haben.

  2. Herr Hollande ist nicht zuletzt von den „Hadopi“ Gegnern Gewählt worden, was beim knappen Wahlausgang wohl Mitentscheidend war. Nun fehlt es wieder einmal am Mut sich gegen Lobby zu stellen und trotz frühere Ankündigungen dieses „Hadopi“ Gesetz wieder Abzuschaffen.
    Wieder ein Typisches Beispiel nicht nur für gebrochene Wahlversprechen , sondern auch das die Sozialdemokratie kaum andere Netzpolitik betreibt als Konservative Kreise.
    Nicht nur in Frankreich auch in Deutschland sind ihre Lippenbekenntnisse kaum Glaubhafter.

    1. Vor wievielen Jahren wurde Hollande denn gewählt? Glaubst du der kann einfach so mit dem Finger schnippen und so eine Behörde dem Erdboden gleich machen? Wir reden hier immerhin von einem demokratischen Land. Da muss man sich an Regeln und Prozesse halten.
      Wenn Hollande sagt er will Hadopi durch etwas sinnvolleres ersetzen dann muss dieses „Sinnvollere“ auch erstmal ein Konzept haben bevor man Hadopi verdrängen kann.

    2. Weshalb sollte er und seine Partei wenn sie die nötigen Mehrheiten haben das nicht können? oder haben Behörden Ewigkeitsrechte?
      Bei der Demokratie entscheidet die Mehrheit und damit können Gesetze zur Not innerhalb von Wochenfristen umgesetzt werden erleben wir zur Zeit auch mit der EU.
      Hadopi durch etwas sinnvolleres ersetzen zu wollen? ist wie etwas weniger „Schwanger“ …….

  3. Sind in den 12 Mio. Euro pro Jahr die Personalkosten für die 60 Beamten schon enthalten? Oder sind die 12 Mio. Euro nur Sachkosten, und die Personalkosten kommen noch dazu? Weiß da jemand was?

    1. Das was die Beamten kosten, kommt noch zusätzlich zu den Zwölf Millionen Euro noch mit da hinzu – ist wohl damit gemeint, ansonsten hätte da wahrscheinlich nicht „und“ gestanden, sondern nur so ungefähr:. „Zwölf Millionen Euro sind ganz schön teuer, um eine Million E-Mails zu verschicken.“ — Aber da steht ja: Zwölf Millionen Euro im Jahr => UND 60 Beamte, sind ganz schön teuer, um eine Million E-Mails zu verschicken.

      1. Diese Lesart macht Sinn. Allerdings werden zumindest in Deutschland die Personalkosten üblicherweise in die Budgets mit einberechnet. Vielleich hat Fr. Filippetti das auch mit „und“ formuliert, um die Zahl größer wirken zu lassen.

        Ich hab mal versucht, den Haushaltsplan von Hadopi zu finden, kam aber nicht weiter. Auf hadopi.fr. funktionieren bei mir nicht mal die Downloads.

  4. Diese 1,15 Mio. muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – das sind etwa 4% aller Haushalte! Wenn man dazu überlegt, wie gering das Risiko ist, erwischt zu werden, kann man auch gleich jeden anschreiben; auf die paar False-Positives kommt es dann auch nicht mehr an.

    Die erste Warnung bleibt da auch wirkungslos; das nur 10% ein zweites Mal erwischt werden, ist wohl eher durch das geringe Risiko begründet, erwischt zu werden. Um in größerer Zahl gleich dreimal erwischt zu werden, sind 20 Monate wohl einfach zu wenig Zeit.

  5. Hm… also wenn ich eine staatliche Leistung in Anspruch nehme, dann gibt es oft (nicht immer) eine Gebührenordnung dafür und ich muß etwas für diese Leistung Zahlen.
    Bei Hadopi nehmen die Rechteverwerter eine staatliche Leistung der, nenne wir es „Urheberrechteüberwachung“ in Anspruch.
    Ich könnte mir also gut vorstellen, daß der französische Staat auch eine Gebühr von den Rechteverwertern nimmt, die ihre Rechte im Internet überwacht haben wollen.
    Wäre mal spaßig das Geschrei zu hören, wenn sie dafür plötzlich Geld bezahlen müssten :)))

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.