Hört nicht auf die Heidelberger Bocksgesänge

Lesenswert setzt sich Thierry Chervel beim Perlentaucher mit dem Heidelberger Appell auseinender: Hört nicht auf die Heidelberger Bocksgesänge.

Schön und gut. Er hat recht, er ist von Google nicht gefragt worden – er kann nur seine von Google vorausgesetzte Erlaubnis zurückziehen. Aber eins kann er auf Teufel komm raus sowieso nicht, auch wenn ihm irgendeines seiner früheren Werke peinlich sein sollte: er kann seine Bücher nicht entöffentlichen. Das Problem hat er auch ohne Google. Er kann nicht zur Deutschen Bibliothek gehen und sie auffordern, missliche Jugendschriften aus ihren Depots zu entfernen. Er hat dieses Recht schlicht nicht. Das Buch in der Deutschen Bibliothek gehört ihm nicht. Nicht einmal das Werk, die bloße, vom Papier gelöste Zeichenfolge, „gehört“ ihm. Darum ist der Begriff des „geistigen Eigentums“ Unsinn. Das Geistige, und das gilt auch für seine dümmeren Manifestationen, die ihre Urheber gern vergessen möchten, gehört letztlich der Allgemeinheit. Das Urheberrecht kommt aus dem Interesse der Allgemeinheit, den Schöpfern geistiger Werke eine Existenz zu ermöglichen. Man fragt sich also, ob Googles pragmatisches Vorgehen wirklich eine so perfide Tat ist.

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8 Ergänzungen

  1. Sehr schöner Artikel. Lohnt sich auf jedenfall zu lesen. Einige gute Punkte drin… und zeigt mal wieder wie einfallslos die großen Medienindustrien sind :(

  2. Dass ein Urheber gar keine Möglichkeit hat „Jugendsünden“ zu „entöffenltichen“ ist allerdings so nicht richtig. Schließlich kann er soweit es ihm nicht mehr zuzumuten ist, seine erteilten Nutzungsrechte zurückrufen, § 42 UrG: http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__42.html

    Auf einem anderen Blatt Papier steht allerdings, ob für den Urheber ein solcher Rückruf tatsächlich in Frage kommt: Denn er hat den ursprünglichen Rechteinhaber angemessen zu entschädigen.

  3. Es frage mich wirklich weshalb die Gegner des Urheberrechts ihre Argumentation nehmen, das kostenlose zur verfügung stellen geistiger Inhalte sei auch für die Schaffenden das beste.

    Wer glaubt ein Autor/Künstler wisse selber nicht welche Umstände ihm das nötige Brot zum Leben sichern kennt schlicht deren Situation nicht.

  4. @3: Es gibt genau eine Trennung: Wer öffentlich finanziert ist, z.B. durch Forschung und Wissenschaft, sollte auch ein Verständnis dafür haben, dass seine Werke selbstverständlich kostenlos der Allgemeinheit wieder zur weiteren Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Bei allen anderen greifen die Schrankenregelungen des Urheberrechts. Nichts mehr und nichts weniger. Im übrigen kenne ich nur wenige Gegener des Urheberrechts. Die meisten mir bekannten Personen wollen es nur reformieren.

  5. „Erst ohne deutsche Bücher in der Google Buchsuche – oder ähnlichen Angeboten – werden Jeanneneys Alpträume wahr werden. Die Reader und die E-Books werden kommen. Und auch deutsche Leser werden sich mehr und mehr englische Bücher herunterladen, wenn sie deutsche nicht finden. Die Heidelberger Appellierenden fürchten um ihre Relevanz. Wenn sie gewinnen, werden sie sie endgültig verlieren.“

    Nur zu wahr, ich hoffe sehr der eine oder andere sogenannte „Entscheidungsträger“ liest da mit…

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