Erster Tag PdF-Europe

In Barcelona läuft gerade die „Personal Democracy Forum Europe Conference“, eine Veranstaltung rund um Politik im Netz. Heute Morgen gab es eine Keynote-Konversation mit Charles Leadbeater. Die hätte ich gerne mitgebloggt, aber mir fiel es schwer, was zu verstehen. Das lag an einer schlechten Akkustik auf meinem Sitzplatz und an der Person neben mir. Der war tatsächlich eingeschlafen und fing an zu schnarchen. Hab ihn dann geweckt, woraufhin er sein Übersetzungsgerät rausgepackt hat und auf voller Lautstärke die katalanische Übersetzung hörte, so dass ich genau soviel verstand wie vorher. Das Gespräch über „Cloud politics and culture“ war interessant, aber ich hatte teilweise das Gefühl, dass der neue Hypebegriff für Internet nach „Web 2.0“ nun Cloud ist. Die Session wurde aufgezeichnet und wer Lust hat, kann sie sich anhören.

Danach sprach Joe Rospers von Blue State Digital, der Internet-Agentur hinter der Obama-Kampagne. Das war überraschenderweise doch nicht so langweilig wie gedacht. Erstmal gab es diverse Zahlen. Die Obama-Kampagne hatte zum Schluß Daten von 13 Millionen Unterstützern und konnten Beziehungen zu diesen aufbauen. Das waren rund 20% aller Wähler. 45.000 Unterstützer-Gruppen wurden bei my.barackobama.com eingerichtet, wo Menschen sich thematisch und/oder terretorial vernetzten. Es gab Millionen Türklopfer und Telefoncalls, da hatte man bei dieser Wahl wohl keine genauen Zahlen. Mehr als 200.000 Offline-Events wurden organisiert und bei Youtube wurden 1,2 Milliarden Video-Minuten angeschaut. Über das Internet hat man 500 Millionen Dollar von 3 Millionen Spendern gesammelt, die insgesamt 6,5 Millionen Spenden getätigt haben. Soviel zu den Zahlen.

Die Kampagne wurde auf vier Prinzipien aufgebaut:

1. Transparenz

Die Webseite war das Fenster der Kampagne. Besucher sollten dort sofort erkennen, wer was wann und wo macht. Man sah die eigene Rolle u.a. darin, Anleitungen zu geben, wie Demokratie funktioniert, damit Menschen selbst aktiv werden und sich beteiligen können. Beispielsweise hat man die Prozese des Iowa Caucus bei den Vorwahlen sehr ausführlich beschrieben, weil diese wohl recht kompliziert sind. „Not usability-friendly“.

2. Authentizität

Echt Menschen wurden als Botschafter gesehen, die viel authentischer Obama an ihre Freunde und Bekannten vermarkten konnten als die Kampagne alleine. Ausserdem wirkte Obama authentisch.

3. Partizipation.

Man überlegte immer, wie man mehr Menschen motivieren konnte, bei der Kampagne mitzumachen. Dabei sollten die nicht nur spenden und Leute anrufen, etc. Man baute auch Strukturen auf, mit denen man schnell die Unterstützer bei neuen Gerüchten über Obama unterrichten konnte, damit diese im persönlichen Gespräch oder im Netz gegensteuern konnten.

4. Kommunikation

Inhalte / Content war wichtig für die Beziehung zu den Unterstützern. Es war nicht nur wichtig, was Obama sagte, sondern auch, was die Menschen über ihn sagen. Man hat sehr früh angefangen, die Menschen ihre eigenen Geschichten erzählen zu lassen und die Inhalte wieder auf der Webseite zur Verfügung zu stellen. Journalisten wurden angeheuert, die Inhalte verfassten, wie die Blogs und die ganze Video-Produktion. Über die Kampagne wurde auch ständig aus dem Headquarter berichtet, beispielsweise ein tägliches Strategie-Briefing. Dabei hat einer der STrategie-Berater täglich in eine Notebook-Kamera reingelabert, was man dann auf Youtube stellte. Dabei habe man extra auf gute Kameras verzichtet, um ein intimeres gefühl zu vermitteln, wie bei einer persönlichen Skype-Schaltung.

Was klar wurde: Man habe nicht alles neu erfunden, sondern Werkzeuge optimiert, um Kommunikations-Barrieren zu verringern und Menschen die Möglichkeit zu geben, einfach mi anderen zu kommunizieren. Man hatte auch das Glück, dass Obama ein Community-Manager war und den Menschen das Gefühl vermitteln konnte, sich selbst zu helfen und sich auch für ihre eigenen Ziele einzusetzen.

Eine erfolgreiche Fundraising-Aktion war ein „Dinner with Obama“. Die Iree stammte aus der Howard Dean Kampagne. In der Regel organisieren Politiker in USA teure Fundraising-Dinners mit reichen UNterstützern, wo man ein Essen für teuren Eintritt bekommt. Man hat das übers Netz abgebildet und mit 5 Euro war man dabei. Zwar nicht alle, aber vier wurden ausgelost (oder so) und durften mit Obama essen. Das wurde auf Video aufgezeichnet und eine 10 Minuten Version online gestellt. War wohl eines der erfolgreichsten Videos der Kampagne.

Danach gab es noch eine Diskussion, warum sowas wie die Obama-Kampagne in Europa nicht funktioniert, aber das war eher langweilig.

Nach der Mittagspause mit Lunch-Tüte (US-Style: Apfel, Banane, Wasser und zwei Brötchen in einer Papiertäte) gab es die Session „How Blogs are Transforming Politics“. Das war interessant, weil vier politische Blogger auf verschiedenen Ländern erzählten, was sie tun und wie sie arbeiten. Kam mir alles sehr bekannt vor.

John Aravosis, Heidi Nordby Lunde, Mick Fealty, Nicolas Vanbremeersch and Antonella Napolitano (moderator)

Nicolas Vanbremeersch berichtete über die französische Blogosphäre. 2003 gab es einige politische Blogs, aber sonst vor allem persönliche Tagebücher und Tech-Blogs. Das änderte sich 2005 mit der Diskussion rund um ein Referendum über die Europäische Verfassung. Hier gab es einen Gap zwischen alten und neuen Medien. Während die Medien überwiegend staatstragend berichteten und Verfassung gut fanden, baute sich in den Blogs die Opposition auf. Danach starteten die Vorbereitungen für den Wahlkampf 2007, wo Sarkozy als Präsident gewählt wurde. Das Wahljahr war auch das erste Jahr, wo Medien über politische Blogs richtig berichteten und sie ernster nahmen. Dabei gab es in der politischen Blogosphäre einen Gap, den wir auch in Deutschland beobachten können. Politische BLogs waren vor allem Mitte-Links und die Konservativen hatten kaum Blogs. Die Sarcozy.Kampagne hat wohl noch versucht, eine eigene konservative Blogosphäre aufzubauen, aber das hat wohl kaum jemand interessiert. In den letzten zwei Jahren hat sich in Frankreich eine Symbiose zwischen Online-MEdien und Blogs gebidlet, die eine ähnlich neue Öffentlichkeit darstellen, die wir hier in Deutschland auch immer mehr sehen. Das kam mir alles recht bekannt vor.

MIck Fealty berichtete über Blogs in Nord-Irland. Da scheint einiges zu laufen, er erzählte eine Menge spannende Dinge. Leider war es mir kaum möglich mitzubloggen, weil er einen sehr irischen Akzent hatte und in Kombination mit ganz viel Namedropping von mir unbekannten irischen Bloggern und einer shcnellen Sprech-Geschwindigkeit hab ich lieber zugehört. Das klang aber am spannendsten von allen Vorträgen. Muss ich mir nochmal genauer anschauen.

Heidi Nordby Lunde ist Bloggerin in Norwegen und gleichzeitig hohe Funktionärin bei der konservativen Partei dort. Das ist eine lustige Kombination, weil sie gleichzeitig die Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung mitorganisiert. Die soll auch in Norwegen eingeführt werden, weil Norwegen seit 10 Jahren alle EU-Richtlinien umsetzt, obwohl sie das wohl nicht müssten. Sie begann 2005 mit dem bloggen, aber am Anfang noch anonym und eher als „Sex in the City“-Erzählung. Politisch und nicht mehr anonym begann sie in der Diskussion um die dänischen Mohammed-Karikaturen zu werden. Die hatte damals die Karikaturen gepostet, weil sie der MEinung war, dass Meinungsfreiheit sehr wichtig sei und wenn viele diese gebloggt hätten, konnten sich die mOrddrohungen icht auf wenige Menschen konzentrieren. Eine andere Geschichte war interessant. Die norwegische Regierung hat kurz vor Weihnachten einen GEsetzesvorschlag zu Blasphemie vorgestellt, als alle Journalisten schon an Urlaub dachten oder dort schon waren. Damit sollte Kritik an Religion reguliert werden. Die Story wurde nur von Blogs aufgenommen und mehrere Monate auch nur in Blogs kritisiert. Journalisten stiegen erst darauf ein, als das Gesetz dieses Jahr wenige Wochen vor Verabschiedung stand und Blogger-Netzwerke eine große Petition organisiert hätten, um mit KÜnstlern dagegen zu protestieren. War etwas wie Zensursula-Petition. Das Thema hat ja hier Journalisten vor der Petition auch kaum interessiert.

John Aravosis kommt aus den USA und schreibt das americanblog, eines der größten demokratischen Left-Wing-Blogs. Nach eigenen Angaben stand er von den Top-Blogs am frühesten auf Seiten von Obama, wurde aber gleichzeitig ein großer Kritiker, als Obama für die FISA-Überwachungsǵesetze stimmte, was er vorher anders angekündigt hatte. Er war der Meinung, dass Blogger dsa genaue Gegenteil von Politikern seien und Politiker eher Angst vor Bloggern hätten, weil sie die nicht kontrollieren könnten und Politiker auch nicht ihre Versprechen halten. War eine etwas gewagte These und er konnte aus Zeitmangel nicht näher drauf eingehen.

Nach den ganzen Präsentation gabs endlich eine DIskussion, die spannend zu werden versprach. Ein Journalist beschwerte sich darüber, dass Blogger doch nicht neutral seien. Das wollte aber auch niemand. Und dann ging es um Vertrauen. Kann man einem Blogger vertrauen? Als Gegenbeispiel wurde gesagt, dass man bei den Anfangszeiten unserer bekannten Medienmarken doch dieselbe Situation hatte und die New York Times sich auch erstmal Vertrauen in ihrer Leserschaft aufbauen musste.

Hier hätte ich gerne weiterdiskutiert, aber aufgrund einer Kaffeepause mussten wir aus dem Raum. Das war schade, weil das hätte die spannendste Diskussion werden können. Etwas überrascht war ich, dass die vier politischen Blogger aus vier anderen Ländern mehr oder weniger dieselben Ansichten hatten über das, was sie machen, wie ich.

In eine halben Stunde sitze ich auf dem Panel und diskutiere über „Transnational Collaboration“ zusammen mit Jeremie Zimmermann von La Quadrature du Net und wie wir EU-weit uns für Bürgerrechte im Telekom-Paket eingesetzt haben. Das blog ich aber nicht live mit.

Links pack ich vielleicht später noch rein und Rechtschreibfehler können selbstverständlich in diesem Text stehen. Ich versuch jetzt erstmal wach zu werden. Die Session zu „How the Internet is Changing Politicians“ ist doch etwas langweilig gerade.

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3 Ergänzungen

  1. „1. Transparenz
    […]
    2. Authentizität
    […]
    3. Partizipation.
    […]

    Nennt sich Network Marketing und ist tatsächlich nichts grandios neues, aber gerade im Netz nicht sonderlich verbreitet, hier zählt eher noch das Buzzword Virales Marketing, wenn gleich beides sowohl on als auch offline fast identisch ist.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.