Janko Röttgers hat über den Trend geschrieben, auf einmal überall nach schwedischem Vorbild Piratenparteien zu gründen: Piraten auf dem Weg ins Parlament?
Als schwedische Tauschbörsen-Nutzer Anfang des Jahres eine Piratenpartei gründeten, klang es noch nach Humor aus dem Lande der seltsamen Möbel-Namen. Jetzt macht sich das Phänomen auch in anderen Ländern breit. Doch was wollen die Piraten im Parlament erreichen?
Jedes Land bietet etwas anderes. Lustig sind die USA, wo man zu vielen Themen Positionen entwickelt, nur nicht zum Urheberrecht. Oder in Österreich meldet sich die KPÖ und meint, schon die richtige Piratenpartei mit den notwendigen Positionen zu sein. In Deutschland gibts schonmal ein Wiki und ein Forum unter piratenpartei.de.
Ich bin ja kein Fan von Parteineugründungen und erinnere gerne an die fast unereichbare 5% Hürde in Deutschland und den bürokratischen Aufwand für sowas. Schweden ist schon etwas anders im parlamentarischen Umfeld. Insgesamt dürfte es wesentlich einfacher sein, in einem „Marsch durch die Institutionen“ die gängigen Parteien und Organisationen zu verändern, als eine Piratenpartei über die 5% Hürde zu bringen.
Es mag wirklich nicht einfach werden, die PPD über die 5% Hürde zu bringen, aber wenn das mal geschafft ist, dürfte die Möglichkeit der Veränderung der aktuellen Politik bezüglich geistiger Schutzrechte so groß sein, wie man das sonst nicht erreichen kann. Die ganzen Initiativen, die sich mit dem Thema befassen scheinen mir zu zersplittert. Daher finde ich die Idee absolut unterstützenswert, auch in Deutschland.
Was meinst du denn eigentlich mit einem “Marsch durch die Institutionen”?
Wikipedia hat einen Artikel zum Marsch durch die Institutionen. Sagen wir es mal so: Ich schätze die Chancen einer Ein-Thema-Partei (=Veränderung der aktuellen Politik bezüglich geistiger Schutzrechte), die 5% in Hürde ein Deutschland zu erreichen, gleich Null % ein.
Viel wichtiger und aussichtsreicher ist es, die bestehende Parteien von Innen zu verändern. Das geht nur, indem Menschen da reingehen und Demokratie nicht denen überlassen, die dort jetzt Politik machen. Und das fängt schon bei den Jugendorganisationen an. Aber nicht nur bei den etablierten Parteien sollte man dies machen, es lohnt sich auch, in Gewerkschaften, IHKen und sonstigen Organisationen für einen Geisteswandel bezüglich geistiger Schutzrechte einzutreten. Und da sind die wenigen Ressourcen meiner Meinung nach sinnvoller aufgehoben, als eine Partei zu gründen und irgendwann mal 0,2% zu erreichen, wenn überhaupt.
Interessant fänd ich ja ein solches Partei-Projekt zum Erzeugen von Öffentlichkeit. Der Marsch durch die Institutionen mag dazu geführt haben, dass die Grünen mittlerweile eine ganz passable IT-Poitik besitzen – nur bekommen die meisten Leute davon wenig mit, da die die Partei bei der Bundestagswahl nun mal nicht die Möglichkeiten einer Legalisierung von Tauschbörsen auf Plakatwänden bewirbt. Man will es sich eben auch nicht mit seiner BAP-Klientel verscherzen – und mit Antje Vollmer schon gar nicht.
Umgekehrt könnte eine Partei, die es gar nicht auf das Überwinden der Fünf-Porzent-Hürde angelegt hat, sagen was sie will – und damit Leuten zeigen, dass es eben auch Alternativen zum bestehenden Urheberrechtsregime gibt. So ein paar Werbespots direkt vor der Tagesschau wären dafür schon ein ganz netter Ansatz.
Ich befürchte allerdings, dass die Piratenparteien dann doch nicht clever genug sind, so was auszunutzen …
@ Janko: Antje Vollmer ist ja zum Glück mittlerweile in Rente. Auch wenn sie wohl die einzige Politikerin bleiben wird, die ich jemals in diesem Themenfeld in einem Meeting fast zum heulen gebracht haben.Und woran ich mich wohl lange noch erinnern werde.
Ich befürchte, dass eine Piratenpartei in Deutschland mehr mit eigenen Flügelkämpfen beschäftigt wäre, als damit, eigene Wahlkampfspots zu erzeugen. Eine Gegenfrage: Wieso denken die meisten immernoch in herkömmlichen Organisationsstrukturen wie einer Partei, als die Offenheit des Netzes zu nutzen für Proteste und Gegenöffenltichkeit?
Ich habe angefangen, mich ein klein wenig bei der Piratenpartei zu beteiligen. Bisher ist die Paretei ja noch nicht gegründet und ich kenne noch niemanden persönlich aber die Ansätze dort gefallen mir bisher gut. Was Janko sagt:
ist ein guter Hinweis. Werde das mal bei der Piratenpartei in die Diskussion einbringen. Aber unbedingt muss das doch nicht der Startegie widersprechen, die 5-Prozent-Hürde zu erreichen. Denn wenn die PPD das schafft, dann imho nur als reine Themenpartei und indem sie massiv von ähnlich denkenden Initiativen und Organisationen unterstützt wird. Die Einschätzung von euch gibt natürlich zu denken. Aber ich habe den EIndruck, die meisten Leute bei der PP sind tatsächlich von der Sache überzeugt und wollen was verändern und nicht eine persönliche Karriere starten. Das heißt, für Jankos Idee, sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren, Öffentlichkeit für die Sache an sich zu bekommen, sehe ich eigentlich gute Chancen.
Weil die meisten nicht gerne alleine dastehen. Wenn man nicht wie du in einer Haupt- und Großstadt sitzt, findet man nur u.U. schwer Gleichgesinnte, die auch noch politisch motiviert sind. Leider sind Vereine wie z.B. der WOS oder dein Netzwerk Neue Medien ja immer lokal und scheinbar vorwiegend in Berlin beheimatet. Ich selber nutze ja schon die „Offenheit des Netzes“, fühle mich aber ohne Rückendeckung von einer Initiative o.ä. (vor Ort) manchmal etwas allein. Hab‘ auch schon mal überlegt, zu den Grünen zu gehen oder so, aber bis ich da in einer Position bin, wo ich was zum Thema beisteuern kann, muss man erstmal an den ganzen „Ökospießern“ vorbei, die nach dem “Marsch durch die Institutionen” vielleicht nach wie vor die Öko-Politik hochhalten, sonst aber auch nur an ihren Posten kleben bzw. den GF-Job bei der Solaranlagenfirma behalten wollen (sorry an die Grünen für die etwas harsche Wortwahl).
@ Musikdieb: Du bemängelst, dass bei Dir vor Ort keine Initiativen wie hier in Berlin zu finden sind, (wo jeweils wenige Leute etwas aktiv tun) willst aber dann sofort eine ganze Partei gründen?
Und zu den Grünen, bzw. Parteien im Allgemeinen kann ich nur sagen, dass man schonv iel erreichen kann, ohne auf einem „bdeutenden Posten“ angekommen zu sein. Man erreicht viel mehr, wenn man diejenigen, die schon auf diesen Posten sitzen, überzeugt.Das geht von innen und von aussen, nur von innen viel besser. Im Moment ist in Deutschland überall die Situation, dass es so gut wie keine menschen in den Parteien gibt, die das Thema Wissensgesellschaft verstanden haben. Hier ist eine Menge Potential, in den Parteien das Thema zu entwickeln. Oder z.b. in den Jugendorganisationen, wo es noch viel einfacher ist. Versucht mal beispielsweise, bei den Jusos, keine unbedeutende Jugendorganisation, irgendwen zu finden, der von dem Thema einen Plan hat und die politischen Visionen und Forderungen der Jusos für eine Wissensgesellschaft entwickelt. Meine letzte Anfrage nach Ansprechpartnern bei denen wurde damit beantwortet, dass deren Webmaster jetzt einen Arbeitskreis gegründet hätten.
Halte ich deswegen für sinnvoll, da man so die Leute bündeln kann, die eben nicht in Großstädten wohnen. Stimmt schon, dass die Parteigründung aufgrund des (scheinbar) geringen Interesses einer breiten Öffentlichkeit etwas übertrieben wirken könnte. Aber dieses Interesse wollen wir ja wecken.
Zu deinen Vorschlägen bezüglich der etablierten Parteien: Das ist sicher auch ein Weg, der Sinn macht. Aber das schließt sich ja nicht aus. Bzw.: jeder muss halt seinen Weg gehen. Ich für meinen Teil habe das Gefühl, bei einer relativ jungen Partei am besten wirken zu können. Ob die Partei dann was bewirken kann, ist eine andere Frage, das wird sich zeigen. Schaden kann’s ja nicht, höchstens die Verschwendung der Ressourcen könnte man bemängeln.
kleine anmerkung:
die pp soll keine ein themen partei werden:
(ausm pp-forum)
1. Recht auf Privatkopie und öffentliche Zugänglichmachung (Filesharing)
2. Keine Software-, Gen-, Geschäfts- oder sonstigen Merkwürdigpatente
3. Mehr Datenschutz
4. Schrittweise mehr Informationstransparenz
5. Förderung von Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung
das sind alle klassischen hackerthemen. nicht nur urheberrecht.
Sorry,
aber damit ist es immer noch eine Ein-Themen-Partei.
Vergleiche die 5 Einzelpunkte mal mit dem gesamten Themenbereich der Politik (Wirtschaftspolitik, Bildung, Umwelt, Soziales, Außen, Finanzen, …)
naja. es ist natürlich ein sehr übersichtliches themenfeld. da hast du schon recht. aber es ist eben nicht „nur“ das urheberrecht. die grünen dürften ähnlich angefangen haben. (vermute ich mal)
Die Grünen waren am Anfang ein riesiges Sammelbecken der sogenannte „Neuen sozialen Bewegungen.. Dort waren viele verschiedene Themen vertreten, nicht nur die Ökologie, bzw. Umweltbewegung.
Zu dem ganzen generellen Thema bin ich ganz klar der Meinung, daß eine Piratenpartei in Deutschland sinnvoll und notwendig ist. Warum? Entgegen der hier teilweise geäusserten Meinung ist es sehr viel leichter, andere Parteien von außen zu beeinflussen, als von innen! Wie das nun?
Indem die Piratenpartei an der öffentlichen Meinungsbildung aktiv teilnimmt – und beweißt, daß es möglich ist, mit dem Themenkomplex Kommunikationsfreiheit-Urheberrecht-Patente-Privatsphäre (und dessen direktes Umfeld) erfolgreich politisch zu wirken. Andere Parteien werden versuchen, sich diese Themen (so weit mit ihren politischen Grundsätzen vereinbar) zu eigen zu machen, um das Profil der PP zu verwischen. Nur mit dem Entermesser am Stimmensäckel der etablierten Parteien zwingt man neue (bzw. vernachläßigte) Themen in den politischen Alltag.
Darum ist _jede_ Stimme wichtig: Weil die anderen sie haben wollen!
Gruß, 0ffh