Berliner Senat will keine Freie Software

Nachdem im Dezember letzten Jahres der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vom Berliner Senat gefordert hatte, bis März eine Fahrplan für eine Migration der Landesinfrastruktur hin zu Freier Software vorzulegen, gibt es jetzt eine Antwort des Senats, die Heise vorliegt: Berliner Senat sperrt sich gegen vollständige Linux-Migration.

Die von dem Beschluss angemahnte Migration hin auf freie Software „erscheint dem Senat als nicht marktkonforme, technologisch und insbesondere wirtschaftlich nicht vertretbare Maßnahme“, konstatiert der heise online vorliegende Bericht zur Position des Parlaments. In seinen Konsequenzen sei der Beschluss der Abgeordneten auch so „nicht umsetzbar“, heißt es in dem vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) unterzeichneten Papier. Die vollständige Umrüstung widerspreche den Zielen der Berliner IT-Strategie.

Allerdings scheint die Begründung eher bemüht und politisch motiviert zu sein als dass es technische Bedenken gäbe. Zumindest klingt das os, wenn schon die eigene SPD-Fraktion von einem „armseligen Papier“ redet:

Aber in der SPD-Fraktion zeigt sich die Basis ebenfalls sehr unzufrieden mit der Stellungnahme des Senats. „Die Schlange windet und windet sich“, ist dort zu vernehmen. Nach „einem Vierteljahr Arbeit hoch bezahlter Beamter und zusätzlicher Experten“ sei ein „armseliges Papier“ herausgekommen.

So werde etwa die Tatsache ignoriert, monieren die sozialdemokratischen Kritiker, dass irgendeine Migration weg von Windows NT4 generell stattfinden müsse. Gleichzeitig falle kein Wort über die Kosten des Hardware-Ersatzes von mindestens einem Drittel aller Berliner Verwaltungscomputer im Fall einer Migration nach Windows XP und des dabei gleichfalls erforderlichen Anwendungstransfers. Es gehe auch im Beschluss der Abgeordneten nicht um eine vom Senat unterstellte „Hau-Ruck-Umstellung“, sondern um Vorgaben für unbedingt notwendige Neubeschaffungen und Updates. Eine wirkliche Öffnung der Infrastrukturen sei generell erst über die Jahre hinweg zu erwarten. Der Senatsbericht dürfe daher auf keinen Fall abgenickt werden, um eine „proprietäre Migration“ zu verhindern.

Über die engen Beziehungen zwischen dem Berliner Senat und der Firma Microsoft hatten wir ja im Herbst vergangenen Jahres schon ausführlich berichtet, als Microsoft als erste Firma überhaupt eine Party im Abgeordnetenhaus schmeissen dürfte – mit Beteiligung des Senates und zufällig mitten in der Debatte um einen Nachfolger für die alten Windows Versionen.

Ich werde mal ausführlicher über dem Bericht schreiben, wenn ich ihn gelesen habe. Bei der Pressestelle der Berliner SPD-Fraktion geht leider im Moment niemand ans Telefon, die scheinen schon Fussball zu schauen.

Am 22. Juni wird sich der Ausschuss für Verwaltungsreform und Kommunikations- und Informationstechnik im Abgeordnetenhaus wieder mit der Linux-Migration beschäftigen. Da bin ich leider schon in Brasilien, aber ich werd mal schauen, dass jemand da mitbloggen kann, wenn der Ausschuss öffentlich tagt.

Update:

Und hier ist die Antwort des Senats als PDF. Ich freue mich über Peer-Review und Bemerkungen in den Kommentaren. Im Laufe der Woche werde ich noch eine Argumentationshilfe verfassen, die wir den Fraktionen schicken. Nach einem kurzen Überfliegen kann ich mich der Meinung aus der SPD-Fraktion anschliessen – besonders gut argumentativ ist die Antwort nicht, eher bemüht. Die darin zitierten Papiere habe ich in Papierform, ich werde mal schauen, dass ich sie schnell noch in digitaler Form bekomme,um sie online stellen zu können.

Update: Alle notwendigen Bericht und Papiere finden sich hier: Hintergrundinformationen zu Linux in die Berliner Verwaltung!

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