Bevor politische Debatten ans Eingemachte gehen können, ertönt oftmals der Ruf nach Law and Order. „Mit der vollen Härte des Rechtsstaats“ werde man das Problem angehen. Das ist Symbolpolitik vom Feinsten. Denn die markige Forderung ist so inhaltsleer wie gefährlich.
Inhaltsleer ist sie, weil sie Scheinlösungen für gesellschaftliche Probleme liefert. Exemplarisch zeigt dies die jüngste Debatte um das „Sicherheitspaket“ der Ampel-Regierung. Es verschärft das Waffenrecht und ermöglicht so verdachtsunabhängige Durchsuchungen in bestimmten Zonen. Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen das Internet per Foto nach Personen im öffentlichen Internet absuchen. (Auch wenn das erstmal am Bundesrat gescheitert ist, weil es einigen Ländern nicht weit genug ging). Und Asylsuchende werden teils Sozialleistungen gestrichen, sobald ihre Abschiebung angeordnet wurde.
Keine dieser Maßnahmen verhindert, dass Menschen andere Menschen mit Messern angreifen. Mit dieser Rechtfertigung hat die Ampel ihr „Sicherheitspaket“ aber nach dem Messerangriff von Solingen durch den Bundestag gedrückt. Weil Wahlen anstehen, weil Rechtsradikale den kurzen politischen Prozess herbeischreien und weil wirklich wirksame Maßnahmen nun mal kompliziert und langwierig wären.
Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren das „Sicherheitspaket“ umfassend und einhellig. Sie sehen darin ein „gefährliches Überwachungsvorhaben“, das die Grund- und Freiheitsrechte massiv beschneidet. Weil es der Polizei willkürliche Kontrollen und Durchsuchungen erlaubt. Weil Sicherheitsbehörden biometrische Superdatenbanken anlegen dürften. Weil es zu Wohnungslosigkeit und Verelendung von Schutzsuchenden führt.
Und genau darin liegt die große Gefahr der Law-and-Order-Politik. Denn das Rechtsstaatsprinzip zeichnet sich dadurch aus, dass staatliche Gewalt an Grund- und Menschenrechte gebunden ist. Sie sind der Mindeststandard in einer Demokratie. Der autoritäre Ordnungsstaat aber schleift die Grund- und Menschenrechte. Er höhlt den Rechtsstaat aus und gefährdet die Demokratie.
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Wir entlarven die autoritären Scheinlösungen. Und im Kampf für Grund- und Freiheitsrechte geben wir der Zivilgesellschaft eine Stimme. Sie ist es, die mit Sachverstand und Durchblick die Maßnahmen kritisiert und wirksame gesellschaftliche Lösungen erarbeitet – als Gesprächspartner in den Medien, als Sachverständige in Bundestagsanhörungen und als Sprecherin auf Demonstrationen. Und die bei alledem nicht den Humor verliert.
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„Es verschärft das Waffenrecht und ermöglicht so verdachtsunabhängige Durchsuchungen in bestimmten Zonen.“
In bestimmten Zonen? In Hamburg wurde jetzt der gesamte ÖPNV zu so einer Zone erklärt. Wenn ich es richtig verstehe, sind damit in sämtlichen Bahnen, Bussen und Bahnhöfen jederzeit verdachtsunabhängige Durchsuchungen der Fahrgäste möglich. Als Nicht-Autofahrer gibt es in einer großen Stadt wie Hamburg wenig Möglichkeiten dem zu entkommen, außer mit dem Fahrrad zu fahren.
Vielen Dank für eure Arbeit. Ihr bringt die Gefahren des autoritären Ordnungsstaats für Demokratie, Rechtsstaat und eine freiheitlich orientierte Gesellschaft auf den Punkt. Man muss doch nur mal nach Moskau schauen, wo die Bevölkerung durch starke Polizeipräsenz auf Putin-treuer Linie gehalten wird, oder nach China, wo in allen größeren Städten Kameras mit Gesichtserkennung, mit Anschluss an staatliche biometrische Datenbanken und teilweise auch mit Lippenlese-Software jeden Bürger und jede Bürgerin bis ins Kleinste überwachen und kontrollieren können.
Man soll sich nichts vormachen: Solange man systemtreu ist, kann man bestimmt auch in Russland und China ein angenehmes Leben in der Mittelschicht genießen. Durch die extreme Kontrolle und Überwachung gibt es vermutlich auch tatsächlich weniger Kleinkriminalität. Aber sobald man einer Minderheit angehört – egal ob sexuell, ethnisch, politisch oder religiös – kommt man sehr schnell in Probleme. Die meisten Menschen sind doch irgendwann in ihrem Leben mal bei einigen Themen anderer Meinung als die Regierung. Auch dann kann es eventuell schwierig werden, außer man hält den Mund.
Der momentane Rechtsruck in der Gesellschaft sollte zudem doch klar vor Augen führen, wie schnell politische Verschiebungen auch bei uns möglich sein können.
Ein autoritärer Ordnungsstaat gefährdet auf lange Sicht gerade diese Pluralität an Meinungen und damit genau das, was eine lebendige Demokratie ausmacht.
Erst mal eine Anmerkung zum „Look & Feel“ der aktuellen Kampagne. Mir persönlich mißfällt die Gewählte Schriftart und die Schrillen Kontraste der Farbgebung (Gelb auf einer Art von Magenta).
Die Schriftart erinnert an alte Schriften (Kaiserreich oder… später) das Gelb an die FDP die ich nun eher mit Klientelpolitik für die Wirtschaft verbinde, und das Magenta-farbene an den größten Noch-immer-nicht-mehr Telekommunikations-Monopolisten im Lande (der gegen „Seine“ Farbverwendung IMO auch schon Rechtsmittel verwendete). Also alles genau das Gegenteil von „gut“.
Wenn das kein Hoax oder ähnlicher Spaß sein sollte, oder eine Art Adoption Fremder Stilmittel um genau denen den Spiegel vor zu halten die so was gern verwendeten – dann ist es mindestens völlig daneben gegriffen. Es ist zu Alarmistisch und stößt mich eher ab.
Zum Inhalt: Ich sehe da das Problem erst mal nicht in den Gesetzen, sondern das sie nicht angewendet werden, auch auf Taten per Internet. Oder es Schlupflöcher gibt durch die ganze Konzerne dem Gesetz entwischen. Jetzt könnte man dagegen entweder die Gesetze verfeinern (und noch mehr disputable Löcher produzieren) oder sie generalisieren und damit auch vereinfachen. Und, man könnte mehr qualifiziertes Personal ausbilden das dann auch mehr verstöße findet, aufklärt und der Gerichtsbarkeit zuführt. Die dann anhand klarerer Gesetze sicher auch leichter zu einem Urteil findet.
Hab ich damit etwa schon „Law and Order“ gefordert? Ich denke nein!