Am Mittwoch wurde verkündet, dass Angela Merkel nun auch Google Hangouts für den Bürgerdialog nutzen möchte. Dass das nicht wirklich nach offenem Bürgerdialog klingt, kritisierte ich da bereits. Jetzt meldet auch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) Bedenken an, jedoch aus anderen Gründen: Zum einen fragt die mabb in einer Meldung gestern, ob für einen solchen Live-Chat eine Rundfunklizenz nötig ist, „weil eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern gleichzeitig erreicht werden kann, der Inhalt eine publizistische Relevanz hat, und dem Angebot eine Sendeplanung zu Grunde liegt“.
Andererseits könnte der Hangout mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinbar sein. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1961 das von Konrad Adenauer geplante Regierungsfernsehen untersagt. Es gehe jedoch laut mabb jetzt um einen völlig anderen Sachverhalt, es gehe „um die Öffentlichkeitsarbeit von Verfassungsorganen im Zeitalter des Internets“.
Der Direktor der mabb, Hans Hege, fordert eine aktuelle medien- und netzpolitische Diskussion „zu Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit im Zeitalter des Internet“. Sie seien ein Beispiel für die Notwendigkeit, die Rundfunkordnung zu einer Medienordnung weiterzuentwickeln und damit überholte Unterscheidungen zu überwinden. Eine abschließende Aussage zum Vorhaben der Kanzlerin könne es derzeit zwar nicht geben, doch die Medienanstalten seien angehalten, das geltende Recht anzuwenden.
Das ist doch typisch Deutsch sich über sowas in solchem Maße den Kopf zu zerbrechen. Als ob es nichts wichtigeres gäbe.
Zumindest das erste Argument finde ich mehr als bedenklich. Die Lizenzpflichtigkeit für Rundfunk lässt sich m.E. nur damit rechtfertigen, dass die Rundfunkfrequenzen eben limitiert waren und nicht jeder rumfunken konnte. Da sehe ich es ein, dass der Staat die Frequenzen vergibt, meinetwegen auch nach inhaltlichen Kriterien.
Das ist im Internet aber nicht so. Hier kann jeder streamen, youtuben oder hangouten wie er lustig ist. Es gibt daher auch keine Rechtfertigung, sowas erstmal zu verbieten und von einer Erlaubnis (=Lizenz) abhängig zu machen.
Insbesondere die aufgezählten Kriterien (publizistische Relevanz und Sendeplanung) klingen zwar erstmal sehr hochgestochen und juristisch relevant. Bei genauerer Betrachtung machen sie aber auch keinen Sinn. Sind „relevante“ und „geplante“ Sendungen gefährlicher als der durchschnittliche YouTube-Blödsinn?
Letztlich sieht eine Institution der Medienanstalt doch nur ihren Einfluss wegbröckeln und versucht reflexartig dagegen zu halten. Die Erkenntnis, dass man aus technischen Gründen nicht mehr gebraucht wird, ist eben erst mal nicht so einfach zu schlucken.
Trotzdem graut es mir davor, wenn in Zukunft eine Medienanstalt oder ein angeblich nach gesellschaftlicher Relevanz zusammengesetzter Rat (Geistliche, Gewerkschaftlter etc.) darüber zu entscheiden hat, ob ein YouTube-Channel die Lizenz zum senden bekommt…
Ich halte den Rundfunkstaatsvertrag für völlig falsch im Hinblick auf das Internet. Aber auch bei Frau Merkel muss die Landesmedienanstalt einfach geltendes Recht vollziehen.
Irgendwelche übereifrigen Regulierer (im Zweifelsfall auch aus Frau Merkels Partei) haben das in den Rundfunkstaatsvertrag gepackt.
http://www.medienrecht.jura.uni-koeln.de/fileadmin/sites/medienrecht/LS_Hain/Docs/Medienrecht_I/konsolidierte_Fassung_RStV_hp.pdf
Es gab dazu ja auch Anfragen an die Medienanstalt:
http://ne-na.de/merkel-tv-sendung-ueber-den-google-dienst-hangout-on-air-verstoss-gegen-den-rundfunkstaatsvertrag/001847
Ich finde auch, dass diese Regelung völlig weltfremd ist (wie auch der Vorschlag von Beck weltfremd war, Inhalte im Internet nur zu bestimmten Zeiten freizuschalten wegen angeblichen und empirisch nicht gesicherten Jugendschutz). Aber wir werden den mühsamen Weg gehen müssen, auch unser Parlamente mit dem Internet vertraut zu machen, auch wenn es irrsinnige Mühe kostet und sich der Bürger bisweilen entsetzt abwendet.
Moment, Google ist doch eine amerikanische Firma, richtig? Also ist das eine Rundfunkübertragung, die von Amerika aus stattfindet. Warum gslten da deutsche Gesetze? :)
Gab es bzgl. der Liveübertragung der Sitzungen der Internetenquete ins Netz (als Teil der „Öffentlichkeitsarbeit von Verfassungsorganen“) eigentlich kritische Töne von netzpolitik.org?
Herr Beckedahl, wie stehen Sie dazu?
@Christian: Von mir aus können noch viel mehr Gremiensitzungem ins Netz gestreamt werden.
Die Frage der mabb ist nicht unberechtigt, wirkt auf mich aber bemüht und theoretisch. Aus subjektiver Sicht ist die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien in den gewählten Kanälen fragmentiert genug und Zuschauer nicht bloß reine Empfänger einer verdeckten Einflussnahme. Ich hab da kein Problem mit, dass Parteien und Regierungen eine „Programmgestaltung“ erarbeiten, die Ihnen ein Maß an Kontrolle läßt in einem eigenen Präsentationsrahmen. Solange der Absender klar ist, so what? Darf das nur durch den Filter Journalismus? Meinungsbildung findet doch schließlich statt. Das der Rahmen vom Hangout mit Merkel strikt ist schmälert allenfalls die Attraktivität und hat bei den Verbreitungskanälen meiner Meinung nach eine Relevanz von 0,1/10.