Vielfältige Körper und kein Klischee-Sex. Respektvoller Umgang mit Darsteller*innen auch vor der Kamera. Transparenz, wer hier eigentlich filmt. So zum Beispiel sehen die Pornos aus, die Esti für Porn Better rezensiert. Es geht um sexuelle Bildung. Das Motto der Website: „Wir helfen Dir, feministische, diverse, ethisch produzierte und empowernde Pornoseiten einfach zu finden.“
Heute sagt die studierte Kulturwissenschaftlerin aus Leipzig über ihr Projekt: „Vielleicht waren wir naiv.“
Seit der Corona-Pandemie, 2022, betreibt sie die Seite gemeinsam mit Freundinnen. Aber Medienaufsicht und Staatsanwaltschaft hatten damit offenbar ein Problem. Wegen Porn Better gab es eine Strafanzeige. Der Vorwurf: Verbreitung pornografischer Inhalte. Das höchste Strafmaß laut Strafgesetzbuch ist Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Kann man wirklich im Knast landen, weil man feministische Pornos rezensiert hat?
Im Interview mit netzpolitik.org spricht Esti zum ersten Mal über die Strafanzeige. Zwar wurde das Verfahren inzwischen eingestellt, doch die Geschichte ist bemerkenswert. Es geht um rosafarbene Dildos, biometrische Alterskontrollen – und um einen geplatzten Traum.
Pornoseiten, die besser zu einem passen
netzpolitik.org: Esti, bevor wir über den juristischen Ärger sprechen, wofür ist Porn Better genau gut?
Esti: Auf Porn Better lernen Nutzer*innen Pornoseiten kennen, von denen sie vorher vielleicht noch nicht gehört haben. Und sie können durch die Rezensionen informierte Entscheidungen über ein Abo treffen. Bevor wir die Seite gegründet haben, ist uns aufgefallen: Selbst in unserem eigenen sexpositiven Umfeld wissen viele Leute nicht, dass es auch queere oder feministische Pornoseiten gibt. Also Seiten, die vielleicht viel besser zu einem passen als „Mainstream“-Pornoseiten. Und „Mainstream“ bitte in Anführungszeichen schreiben!
netzpolitik.org: Warum in Anführungszeichen?
Esti: „Mainstream“-Pornos ist ein moralisch aufgeladener Begriff, genauso wie „ethische“ Pornos. Die Begriffe legen nahe, dass die eine Sache gut ist, die andere nicht. Aber das ist definitiv nicht der Fall! Ich möchte das nicht werten. Deshalb finde ich beide Begriffe inzwischen schwierig. Bei Porn Better geht es uns um Pornos, die sich von klassischen, heteronormativen Darstellungen abgrenzen. Also dass vom Mann zum Beispiel vor allem der erigierte Penis zu sehen ist, und dass die Frau jung, schlank und passiv ist.
netzpolitik.org: Vom konservativ regierten Staat Sachsen habt ihr sogar eine Förderung erhalten. Wie kam es dazu?
Esti: Das hat uns auch überrascht. Wir hatten das Projekt auf der Leipziger Gründungsnacht vorgestellt. Dort wurden wir darauf angesprochen, ob wir uns nicht bei „futureSAX“ bewerben möchten. Das ist eine Gründungsförderung der öffentlich-rechtlichen Sächsischen Aufbaubank. Wir waren uns zuerst nicht sicher, ob wir eine Chance haben. Aber es hat geklappt. So haben wir, verteilt über ein Jahr, eine Förderung von rund 25.000 Euro bekommen.
Dildo-Bilder ausgetauscht
netzpolitik.org: Wie ging es dann weiter?
Esti: Wir haben eine GbR gegründet und die Seite weiter aufgebaut. Die dauerhafte Finanzierung sollte über Affiliate-Links laufen. Das heißt, wenn Menschen über Porn Better ein Abonnement abschließen, erhalten wir eine Provision. Wir haben sogar darüber nachgedacht, ob wir einmal von Porn Better leben können.
netzpolitik.org: Und dann – ist etwas passiert.
Esti: Die AfD hat davon Wind bekommen und sich im Landtag und auf Twitter über die Förderung echauffiert. So sind wir auf dem Radar vieler Nachrichtenmedien gelandet, unter anderem der Zeit, Deutschlandfunk Nova und RTL. Die Aufrufzahlen für die Seite gingen sehr nach oben, einmal waren es rund 25.000 an einem Tag. Aktuell haben wir uns bei 300 bis 500 Besuchen pro Tag eingependelt. Durch die neue Aufmerksamkeit damals wurde uns aber auch mulmig. Wir hatten beschlossen, uns nochmal gezielt mit Jugendschutz zu befassen.
netzpolitik.org: Was hieß das konkret?
Esti: Wir haben uns von einem Jugendschutzbeauftragten beraten lassen und zum Beispiel Bilder ausgetauscht. Das waren Bilder, die wir zwar nicht für pornografisch halten, aber auf die wir vorsorglich verzichtet haben. Zum Beispiel Aufnahmen von rosafarbenen Dildos. Es klingt absurd, aber offenbar sind bunte Dildos sicherer.
Grob aufdringlich?
netzpolitik.org: Über die teils verwirrenden Regeln haben wir mal ausführlich berichtet. Es geht um die Frage, was aus rechtlicher Perspektive nur erotisch ist, oder bereits pornografisch und damit strafbar. Was geschah dann?
Esti: Ende 2023 haben wir Post von der Staatsanwaltschaft bekommen. Mit einer Strafanzeige…
netzpolitik.org: Was wurde zum Beispiel beanstandet?
Esti: Da kann man sich wirklich an den Kopf langen. Da war zum Beispiel ein Bild von einer Person, die Teufelshörner auf dem Kopf hat und mit Latexhandschuhen ein Sexspielzeug in den Händen hält. Zur Begründung hieß es, die Inhalte würden menschliche Bezüge „ausklammern“ und sexuelle Vorgänge in „grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund“ rücken. Da war auch die Rede von der „Degradierung des Menschen zum bloßen auswechselbaren Objekt“.
Das sind offenbar juristische Standard-Formulierungen. Aber es ist genau das Gegenteil von dem, was wir mit Porn Better bezwecken! Wir zeigen richtig schöne Bilder, die zwar erotisch aufgeladen sind, aber gewiss keine Menschen degradieren.
netzpolitik.org: Auf netzpolitik.org haben wir bereits darüber berichtet, wie es ablaufen kann, wenn Medienaufsicht – und nachgelagert auch Staatsanwaltschaften – gegen sexuelle Inhalte im Netz vorgehen. Wie habt ihr auf eure Anzeige reagiert?
Esti: Uns hat das eingeschüchtert. Wir hatten Angst, im schlimmsten Fall vielleicht eine Gefängnisstrafe auf Bewährung zu erhalten. Einige Zeit waren wir uns nicht sicher, wie es mit Porn Better weitergeht. Ende 2024 wurde das Verfahren dann gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt, auch dank unseres Anwalts. Wir haben 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation gespendet.
Biometrische Alterskontrolle – für eine URL
netzpolitik.org: Auf Porn Better gibt es keine direkten Links zu den besprochenen Pornoseiten. Um zu den Seiten zu gelangen, sollen Nutzer*innen zuerst eine biometrische Alterskontrolle über sich ergehen lassen. Warum?
Esti: Weil wir nicht ohne solche Alterskontrollen auf die Pornoseiten verlinken dürfen.
netzpolitik.org: Ein Link kann genauso strafbar sein wie ein Porno selbst?
Esti: Genau. Wir nutzen deshalb den britischen Anbieter Yoti. Wenn du über Porn Better eine Pornoseite öffnen willst, dann musst du zuerst dein Alter mit einem biometrischen Gesichtsscan abschätzen lassen. Dafür zahlen wir Yoti pro Scan rund 30 Cent.
netzpolitik.org: Das heißt, hinter eurer Alterskontrolle verbirgt sich nicht etwa ein Porno – sondern ich bekomme nur einen Link, den ich auch hätte googeln können?
Esti: Ja. Du bekommst einen Link.
netzpolitik.org: 🫠
Esti: Ich finde es auch absurd. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Maßnahme irgendeinen Jugendlichen daran hindert, Pornos im Internet zu finden. Aber wir sind uns sicher, dass es Menschen davon abhält, für die Pornoseiten zu bezahlen, die wir empfehlen.
netzpolitik.org: Was wird jetzt aus Porn Better?
Esti: Wir haben uns inzwischen von der Vorstellung verabschiedet, dass wir einmal von Porn Better leben können. Wir möchten die Seite aber nebenher weiter betreiben und gelegentlich neue Inhalte hinzufügen. Es freut uns, dass zumindest ein paar Leute trotz der Alterskontrollen über unsere Seite an alternative Pornos kommen.
gut, dass ich sex-negativ bin, trotzdem danke für das interview
„Degradiert“ auf welchem Planeten leben die Behörden? Mich würde mal interessieren, ob das verlinken selbst nicht schon eine Grauzone sein kann.
Kenne jetzt zwar nicht die Webseiten, aber in der LGBT-Szene sind sog. „Twink“ und „Daddy“ Rollen beliebt. Kann dann auch strafbar sein, weil die Darsteller für Günther, 60 Jahre zu jung aussehen und gefälligst drn richtigen Körper haben sollen. Height and cup size of consent. Da gabs mal eine richtige Hetzjagd in Östetreich deswegen.
Das ist Degradierung.
Man kann ja von Pornographie halten, was man will (ich halte die großen X-Seiten für problematisch und die Kleinen zum Teil für gemeingefährlich), doch die Betreiberinnen setzen sich hier für Rechte von Frauen ein und ich teile offenbar (nach kurzem Überfliegen ihrer Seite) ihre Position. Ich denke, hier presst ein Staatsanwalt seine (männliche) Sicht der Sache den Betreiberinnen auf, als hätten Frauen kein Recht auf ihre eigene Sexualität.
Das wäre eigentlich schon genug, gäbe es da nicht im Grundgesetz einen Vermerkt, man könne sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (mit der Einschränkung des Jugendschutzes). Wenn Frau oder Mann sich unterrichten, dann ist der Jugendschutz sicher nicht gefährdet. Wenn die verlinkten Dienste Bezahlseiten sind, dann richten die Dienste sich an Erwachsene. Hier sehe ich kein Problem mit dem Jugendschutz.
Wenn die beanstandeten Links tatsächlich zu „verbotenen“ Inhalten führen, dann ist der Staat in der Pflicht, diese Betreiber zur Verantwortung zu ziehen. Es gibt international Mittel und Wege dazu. Wenn der „Staat“ das nicht kann, dann ist das nicht die Schuld des Link-Setzers. Dann braucht es wenigstens eine richterliche Aussage, dass dieser Link „verboten“ ist. Sonst gibt es keinerlei Rechtssicherheit.
Die Strafanzeige an „Porn Better“ ist hier vollkommen absurd und willkürlich. Aus meiner Sicht schadet das nicht nur dem Jugendschutz.
Danke für diesen Beitrag