Druck auf soziale NetzwerkeIndien will Corona-Nachrichten zensieren

Die Regierung Indiens versucht erneut, gegen ungewollte Inhalte rund um die Corona-Pandemie in sozialen Netzwerken vorzugehen. Plattformen sollen alle Beiträge löschen, in denen die Formulierung „indische Variante“ auftritt.

Warnschild vor Corona-Hotspot
Indiens Regierung schafft in der Coronapandemie gesperrte Bereiche – auch im Netz. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Govind Krishnan

Seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Coronavirus-Variante B.1.617 als besorgniserregende Variante eingestuft hat, macht die „indische Variante“ immer häufiger Schlagzeilen. Die Virusvariante wurde erstmals in Indien nachgewiesen – dass sie deshalb so genannt wird, passt der indischen Regierung allerdings nicht. Sie hat Social-Media-Plattformen jetzt aufgefordert, Inhalte mit dem Begriff „indische Variante“ zu löschen.

Das indische Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie (MEITY) wandte sich am vergangenen Freitag mit einem Brief an die Plattformen. Beiträge, in denen es um die „indische Variante“ geht, in denen Bezug darauf genommen oder der Begriff erwähnt wird, sollen unverzüglich von den Plattformen entfernt werden.

Das Ministerium begründet seine Aufforderung damit, dass Meldungen verbreitet würden, dass sich eine indische Variante des Coronavirus in verschiedenen Staaten ausbreite. Dies sei „völlig FALSCH“, heißt es in dem Brief in Großbuchstaben, schließlich gebe es keine solche Variante. Die WHO habe die Virusvariante B.1.617 in keinem ihrer Berichte mit dem Begriff „indische Variante“ verbunden.

Bereits im März 2020 hatte das MEITY ein Schreiben mit dem Titel „Empfehlungen zur Eindämmung von Falschnachrichten und Fehlinformationen zum Coronavirus“ veröffentlicht und durch eine erneute Mitteilung am 7. Mai 2021 verschärft. Darin forderte das Ministerium die Plattformen auf, Inhalte mit falschen Informationen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu löschen, die die öffentliche Ordnung gefährdeten. Die indische Regierung unter Premierminister Narendra Modi forderte soziale Netzwerke in den vergangenen Monaten außerdem schon mehrmals auf, konkrete Beiträge oder Konten zu sperren, die den Umgang der Regierung mit der Pandemie kritisierten.

Konflikt zwischen Twitter und indischer Regierung

Besonders mit Twitter, das von 17,5 Millionen Inder:innen genutzt wird, steht die Regierung im Konflikt. Wie der Guardian berichtet, suchte die indische Polizei erst am gestrigen Montag Twitter-Büros auf, nachdem ein Tweet eines Sprechers der Regierungspartei Indische Volkspartei als manipuliert gekennzeichnet worden war. Im Februar 2021 kam das Unternehmen im Zusammenhang mit Bauernprotesten der Aufforderung nach, 500 Accounts zu sperren. Nach internationaler Kritik gab Twitter die Konten wieder frei. Daraufhin drohte die Regierung jedoch mit Inhaftierungen von Twitter-Mitarbeiter:innen.

Wie die betroffenen sozialen Netzwerke mit der aktuellen Aufforderung der indischen Regierung umgehen, ist noch unklar. Auf Anfrage teilte die Pressestelle von Facebook am Dienstagmittag mit, dass man derzeit dazu keinen Kommentar abgebe. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert eine Führungsperson eines nicht genannten sozialen Netzwerks, dass es schwierig sei, alle Inhalte zu löschen, die den Begriff „indische Variante“ enthielten, da es hunderttausende solcher Beiträge gebe. „Ein solcher Schritt würde dazu führen, dass stichwortbasierte Zensur vorangebracht würde“, zitiert Reuters die Person.

Sorge um die Virusmutation

Indien ist besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen. Am Wochenende überschritt die Zahl der Toten 300.000, die Zahl der Infizierten liegt bei über 26 Millionen. Die Virusvariante B.1.617 hat sich in Indien zunächst im Bundesstaat Maharashtra ausgebreitet und ist nun auch in Großbritannien in einigen Regionen dominant.

Die deutsche Bundesregierung führt Großbritannien deshalb nun auf seiner Liste der Virusvarianten-Risikogebiete. Laut Robert-Koch-Institut gibt es drei Untervarianten von B.1.617. Bei einer der Untervarianten liegen demnach epidemiologische Hinweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit vor.

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