"Das BMI ist gescheitert"Bundesrechnungshof rügt Innenministerium für De-Mail

Das Bundesinnenministerium hat trotz mehrfacher Aufforderung des Bundesrechnungshofes nie eine Erfolgskontrolle des gescheiterten De-Mail-Projektes durchgeführt. Dafür gibt es jetzt Ärger und einen Wink mit dem Zaunpfahl.

Totes Pferd in Lithografie von 1823
De-Mail ist schon seit Jahren ein totes Pferd, das Innenministerium reitet es weiter. (Symbolbild) – CC0 Théodore Gericault

In seinem Jahresbericht 2021 (PDF) widmet der Bundesrechnungshof dem Thema De-Mail ein Kapitel. Die De-Mail war ursprünglich geplant als „sichere, vertrauliche und nachweisbare“ Kommunikation im Internet. Sie basierte auf der E-Mail-Technik, war mit ihr aber nicht kompatibel und setzte sich unter anderem deswegen nie durch. Schon früh wurde De-Mail deswegen als „totes Pferd“ bezeichnet, obwohl es Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe verschlungen hatte. Nun stellt der Rechnungshof dem Innenministerium ein schlechtes Zeugnis aus: „Das BMI ist gescheitert, De-Mail als elektronisches Pendant zur Briefpost in der Bundesverwaltung zu etablieren.“

In den Jahren 2011 bis 2020 gab das Bundesinnenministerium (BMI) etwa 6,5 Millionen Euro für De-Mail aus, heißt es im Bericht des Rechnungshofes. Das BMI ging davon aus, dass in der Bundesverwaltung zwischen 2016 und 2019 etwa sechs Millionen DE-Mails verschickt würden und erhoffte sich eine Einsparung gegenüber der Briefpost von 3,5 Millionen Euro. Es kam nicht so. Laut dem Bericht hatten die Bundesbehörden im Jahr 2016 nur 250 De-Mails empfangen und weniger als 90 selbst versandt.

Weiter heißt es im Bericht:

Die Bundesverwaltung hatte in den Jahren 2016 bis 2019 rund 6 000 De-Mails versandt. Dies entsprach 0,1 % des angenommenen Aufkommens von bis zu 6 Millionen De-Mails. Demnach betrugen die Einsparungen nicht wie erwartet 3,5 Mio. Euro, sondern knapp 3 500 Euro. Wie sich das Aufkommen an De-Mail und die Einsparungen entwickelten, hielt das BMI selbst nicht nach.

Innenministerium führte nie Erfolgskontrolle durch

Das BMI führte nie eine Erfolgskontrolle durch, bemängelt der Bundesrechnungshof, obwohl man das Ministerium offiziell dazu aufgefordert habe. Zwar sicherte das Ministerium von Horst Seehofer einen Bericht zu und verlautbarte, dass die gesetzlichen Ziele erreicht seien, weil „die Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen über De-Mail erreichbar sei“. Nachdem der Rechnungshof im Jahr 2020 nachhakte, wo denn die Erfolgskontrolle bleibe, erwiderte das BMI, dass es den Erfolg von De-Mail noch nicht habe ermitteln können.

Das Urteil des Bundesrechnungshofes ist deshalb vernichtend. Im Bericht heißt es: „Damit hat das BMI seine Ziele gänzlich verfehlt.“ Die Prüfungsbehörde kritisiert weiter:

Um den geringen Nutzungszahlen entgegenzuwirken, hätte es gemeinsam mit den Behörden des Bundes die Ursachen hierfür ermitteln müssen. Welche Rolle De-Mail bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes spielen wird, ist weiterhin offen. Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass De-Mail wirtschaftlich ist.

Der Rechnungshof macht dem BMI nun klar, dass Digitalisierung nur dann erfolgreich sein könne, wenn Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen digitale Angebote auch annehmen und anwenden. Angesichts der bisherigen Entwicklung sei nicht ersichtlich, dass Bürger:innen sowie Unternehmen De-Mail als Angebot der Bundesverwaltung künftig häufiger nutzen werden.

Das BMI habe die Ursachen hierfür zu ermitteln, um dann zu entscheiden. Einen Wink mit dem Zaunpfahl geben die staatlichen Wirtschaftlichkeitsprüfer dem BMI gleich mit. Das Ministerium habe „auch zu betrachten, De-Mail als Kommunikationsmittel für die Bundesverwaltung aufzugeben“.

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6 Ergänzungen

  1. „Einen Wink mit dem Zaunpfahl geben die staatlichen Wirtschaftlichkeitsprüfer dem BMI gleich mit“

    Ein sehr schönes Bild, denn leider ist dieser Zaunpfahl ja die einzige Waffe, die dem Bundesrechnungshof zur Verfügung steht. Entsprechend wenig ernst werden seine Berichte genommen.

    Im Prinzip hat der Bundesrechnungshof die Rolle von gesetzlich bestellten Investigativjournalisten mit vollkommener inhaltlicher Unabhängigkeit, allerdings fokussiert auf das Thema Wirtschaftlichkeitsprüfung. Das ist einerseits nicht wenig, andererseits aber viel zu wenig, um wirklich Wirkung zu entfalten.

  2. >>Nun stellt der Rechnungshof dem Innenministerium ein schlechtes Zeugnis aus: „Das BMI ist gescheitert, De-Mail als elektronisches Pendant zur Briefpost in der Bundesverwaltung zu etablieren.“ <<

    Prust!
    Wann auch immer ich das mal gesagt habe "DE-Mail: Du willst Deine von Dir verschlüsselte Mail von Dritten lesen lassen?" – es ist länger her….
    Viel genialer ist dazu das beA! Das ist ein echter Hingucker.
    Aber machen wir mal in Klein:

    Frag mal beim Kammergericht Berlin nach – ach… da wird ggfls. noch die Schreibmaschine benutzt, weil gerade mal wieder (nachdem hunderte Computer, also mit Bildschirm und Tastatur… – wegen verschlüsselter Daten – verschrottet wurden) nun die ITDZ, die das ab September(?) übernommen hat, nicht in der Lage ist, einen stabilen Betrieb zu gewährleisten – Hinweis: Wir haben Dezember….
    Das ist der eigentliche Skandal… Immerhin werden hier Gelder öffentlich verbrannt. Und wer die Abendschau von gestern gesehen hat, fragt nicht mehr nach DE.mail…

      1. komisch, der Staat ist mit der Zustellungsbestätigung seiner Schreiben an den Adressaten weniger zimperlich. In den Briefkasten geworfen und Rückantwort gelten als zugestellt. Ob der Zusteller den Brief in den Müll wirft, das Schreiben von einem Angehörigen abgefangen wird, oder oder oder …, ist der Justiz völlig schnuppe.

        Einem Freund hat man das Schreiben einer gerichtliche Vorverlegung eines Termines durchs Fenster hinter die Waschmaschine geworfen. Anwalt war nicht in der Lage, von der Vorverlegung telefonisch zu informieren. Konsequenz: versäumter Termin resultierte in ein Versäumnisurteil.

        Ob der Inhalt eines Schreibens tatsächlich den eigentlichen Adressanten erreicht hat, ist einem Gericht schnurz-piep-egal.

        Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass bei manchen Gerichten die telefonische Erreichbarkeit stark unterdurchschnittlich ausfällt, um es freundlich auszudrücken, z.B. Mo,Mi-Fr 9-11:30, Do 14:15:30. Außerhalb dieser „Sprechzeit“ geht niemand ans Telefon.

        Und dann gibt es noch die nette Praxis von Anwälten, dass Schreiben mit Frankierung am Freitag erst am Mittwoch der folgenden Woche eingehen. Im Schreiben selber steht dann irgendetwas von einer Frist von einer Woche.

        Es muss gleiches Recht für alle gelten.

        1. „Es muss gleiches Recht für alle gelten.“

          Es gilt gleiches Recht für alle. Du hast dabei nur das Pech dass du kein Gericht bist. :-)

          Ich habe inzwischen aber auch die Schnauze voll von Briefen, größtenteils mit Kündigungen oder DSGVO-Anfragen, die angeblich(…) nicht ankommen. Und jedesmal ein Einschreiben geht doch mit der Zeit sehr zu Lasten des Kontostandes. Selbst der Standard-Brief bei der Post kostet bald über 1€. Da wäre mir ein System wie De-Mail prinzipiell schon recht, aber ich werde leider keine Briefmarkenpreise für Emails zahlen.

  3. Dieser Artikel fiel mir sofort wieder ein, als ich heute meine Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung aus dem Umschlag nahm. Anders als in den vergangenen Jahren liegt jetzt ein ganzes Informationsblatt bei, dass die Renteninformationen ab jetzt auch per De-Mail kommen. Wenn die so lange seit der Einführung gebraucht haben um dies anzubieten, obwohl das Schiff schon längst gesunken ist, dann dauert es bestimmt noch ein paar Jahre, bis die Deutsche Rentenversicherung merkt, dass sie damit nur Ressourcen vergeudet hat.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.