Pläne von AuskunfteienDatenpools könnten Verbraucher:innen den Stromanbieterwechsel erschweren

Die Wirtschaftsauskunfteien Schufa und Crif Bürgel haben offenbar Konzepte für Datenpools entwickelt, in denen Energieversorger Informationen über Kund:innen sammeln könnten. Die Anbieter könnten die Daten nutzen, um Verbraucher:innen systematisch am Vertragswechsel zu hindern.

Wer für günstigen Strom gern den Anbieter wechselt, könnte bald in Datenpools von Wirtschaftsauskunfteien auftauchen. – Vereinfachte Pixabay Lizenz Free-Photos

Wer einmal ein großes Vergleichsportal genutzt hat, kennt es: Alle paar Wochen landen E-Mails mit Werbung für einen Stromanbieter-Wechsel im Postfach. Verbraucher:innen in Deutschland können bislang frei entscheiden, wann und wie häufig sie ihren Anbieter wechseln möchten. Inzwischen lehnen jedoch offenbar immer mehr Energieversorger Neukund:innen ohne konkrete Begründung ab – eine Entwicklung, die sich künftig verschärfen könnte.

Einer Recherche des NDR und der Süddeutschen Zeitung zufolge planen die privaten Wirtschaftsauskunfteien Schufa und Crif Bürgel Datenpools, in denen Energieversorger Daten von Kund:innen sammeln können. Alle beteiligten Anbieter könnten demnach Daten einspeisen und auslesen. Daten- und Verbraucherschützer:innen befürchten, dass die Anbieter diese Datenpools nutzen könnten, um wechselfreudige Kund:innen zu identifizieren und abzulehnen.

Viele Strom- und Gasanbieter locken Neukund:innen mit Boni und vorübergehenden Vergünstigungen in einen Vertrag. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl derer, die sich für einen neuen Vertrag entschieden, stark gestiegen. 2010 wechselten 2,7 Millionen deutsche Haushalte ihren Energieversorger, 2018 waren es bereits 4,7 Millionen. Verbraucher:innen, die günstige Vertragskonditionen ausnutzen und häufig wechseln, sind bei den Anbietern jedoch unbeliebt. Für sie lohnen sich die Einstiegstarife erst, wenn Kund:innen über die Mindestlaufzeit hinaus bei ihnen bleiben.

Pläne zu Datenpools gibt es schon länger

Die geplanten Datenpools könnten den Energieversorgern in die Karten spielen. Bislang melden diese den Auskunfteien nur, ob jemand seine Rechnung nicht bezahlt oder den Versorger betrogen hat. Könnten Anbieter zusätzlich einsehen, wer häufig wechselt, könnten sie diese Verbraucher:innen systematisch ablehnen oder ihnen günstige Verträge verwehren.

Die Schufa tüftelt offenbar schon länger an solch einem Datenpool. Laut SZ-Recherche wollte die Auskunftei im sogenannten Schufa-E-Pool Informationen zu unbezahlten Rechnungen, zum bestehenden Energiekonto und der bisherigen Vertragslaufzeit sammeln. Anbieter könnten diese Informationen für „Entscheidungsprozesse im Neukundengeschäft“ einsetzen, hieß es in einer Werbebroschüre von 2018.

Die Schufa führte dieses Projekt bis August 2020 in einer weiteren Firmenbroschüre. Sie bezeichnete das gegenüber SZ und NDR jedoch als ein „redaktionelles Versehen“ und nahm das Produkt aus dem Netz. Der E-Pool sei nicht „marktfähig“ und man wisse noch nicht, „ob und wenn, in welcher Ausgestaltung“ die Idee weiterverfolgt würde.

Kritik von Datenschutzbehörden

Auch die Auskunftei Crif Bürgel arbeitet an einem Datenpool. Nach SZ-Informationen hat das Unternehmen ein erstes Konzept beim Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht eingereicht, wartet aber noch auf eine Entscheidung. Sowohl Crif Bürgel als auch die Schufa betonen, sich an geltendes Recht zu halten.

Ob die Auskunfteien ihre Datenpools tatsächlich einsetzen dürfen, wollen die Datenschutzbehörden von Bund und Ländern Anfang November beraten. Mehrere Behörden äußerten sich auf Nachfrage von SZ und NDR bereits kritisch zu den Plänen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

4 Ergänzungen

  1. Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall von illegaler Marktabsprache bzw. Kartellbildung. Ist das Bundeskartellamt informiert?

  2. Stellt sich durchaus die Frage, warum ein Infrastruktur-Anbieter in einem regulierten Grundversorgungsmarkt einen Kunden ueberhaupt ohne Vorliegen und Angabe von validen Gruenden ablehnen kann.

    1. Kunden darf ein jeweiliger Netzbetreiber (als Strom-Anbieter) auch nicht ablehnen (hier in Berlin ist das Vattenfall, die drei anderen wären E.ON, RWE und EnBW), wohl aber seine jeweiligen Konkurrenten. Die haben nämlich die Freiheit, Verträge abzuschließen, wie sie möchten.

  3. Was ist das? Erst machen die Angebote, die sich nicht rentieren, dann beschweren sie sich, weil Leute die Angebote nutzen und dann benutzen sie Scheußlichkeiten wie die Schufa um das Annehmen der Angebote zu unterbinden.
    Macht halt ne Mindestvertragslaufzeit. Oder schafft diese unsäglichen Neukundenboni ab. Hier ist eine Marktabsprache vielleicht Ausnahmsweise mal ok. Oder man bittet halt den Gesetzgeber, die Boni zu verbieten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.