bitsIm Westen nichts Neues

Der Ausgang der US-Wahl ist ungewiss und eigentlich ist genau das Szenario eingetreten, über das seit Wochen pessimistisch berichtet wurde. Soziale Medien wurden mit Desinformation geflutet und Tote können in den USA auch ins Parlamente einziehen. Das und noch mehr gibt es in unserem Tagesrückblick.

Der bits-Newsletter erscheint auch am Mittwoch.
Der bits-Newsletter erscheint auch am Mittwoch.

Hallo,

vergangene Nacht bin ich dann doch vor den ersten Wahlergebnissen schlafen gegangen und heute Morgen hatte ich nicht das Gefühl, irgendwas verpasst zu haben. Trump hat sich zum Wahlsieger ausgerufen und während immer noch ausgezählt wird, probiert er jetzt das Manöver aus, das viele seit Monaten befürchtet und vorausgesehen haben.

Aber in den vergangenen Jahren hat man sich daran gewöhnt, dass in vielen politischen Fragen die USA leider nicht mehr viel von Bananenrepubliken zu unterscheiden ist.

Aus netzpolitischer Sicht war interessant, wie die großen Plattformen auf Desinformationen reagieren werden. Aber auch das war etwas vorhersagbar, wenn man sich deren Entwicklung angeschaut hat. Twitter und Facebook/Instagram nutzten viele Warnhinweise, aber Inhalte mit klarer Desinformation waren häufig immer noch teilbar.

Daniel Laufer und Tomas Rudl sind in der Nacht wach geblieben und konnten heute Morgen die Nacht zusammenfassen: Tag der Lügner.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Alexandria Ocasio-Cortez (auch AOC genannt) wurde erneut als Abgeordnete ins US-Repräsentantenhaus gewählt.

Und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bewies wieder, dass der Slogan in der Realität auch eingehalten wird: Der republikanische Kandidat David Andahl ist ins Parlament von North Dakota eingezogen, obwohl er vergangenen Monat an Covid-19 verstorben ist. Auch zog mit Marjorie Taylor Greene eine Anhängerin der QAnon-Verschwörungserzählung in das US-Repräsentantenhaus ein.

Irgendwas anderes war auch noch gut, das ist mir aber wieder entfallen.

Neues auf netzpolitik.org

Hilfreiche Datenvisualisierung im Überblick, dank Anna Biselli. Innerhalb dieses Artikels werden Daten zur US-Präsidentschaftswahl abgebildet. Bei all der Aufruhr und Falschmeldungen kann man schnell den Überblick verlieren. Vielleicht hilft ja etwas Struktur zum Bewahren eines kühlen Kopfes.

Informationen über den aktuellen Stand der US-Wahlen gibt es mehr als genug. Wir haben einige besonders schöne, hilfreiche oder außergewöhnliche Visualisierungen zusammengestellt.

===

Constanze Kurz analysiert: „Frontalangriff auf die informationelle Gewaltenteilung des Staates“. Das Online-Zugangs-Gesetz zur Digitalisierung von Antragstellungen staatlicher Leistungen wird heute Abend beschlossen. Eltern solle dadurch ab Ende 2022 das Leben erleichtert werden: Besuche beim Amt bleiben ihnen erspart. In Sachen Datenschutz ist das Vorhaben jedoch bedenklich.

Staatliche Familienleistungen wie das Elterngeld sollen künftig online angeboten werden. Dabei sind heikle Fragen des Datenschutzes zu regeln. Dass die neuen Regelungen mit einem eindeutigen Personenkennzeichen daherkommen, kritisieren Informatiker.

Kurze Pausenmusik:

Dieser Newsletter wird, neben viel Herzblut, durch Spenden unserer Leser:innen ermöglicht. Hier kann man uns mit einem Dauerauftrag oder Spende unterstützen.

Wir freuen uns auch über etwas Werbung für den bits-Newsletter, um mehr Mitlesende zu bekommen. Hier geht es zur Anmeldung.

Feedback und sachdienliche Hinweise bitte an markus@netzpolitik.org schicken.

Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl unterstützt.

Was sonst noch passierte:

Der zentrale Internetknoten DE-CIX verkündet mit 10 Terabit / Sekunde einen neuen Rekord am gestrigen Abend. Das sind 2,2 Millionen parallel gestreamte HD-Videos, wie Spiegel-Online ausrechnete: Corona und US-Wahl sorgen für Rekord-Internetnutzung in Deutschland.

===

Einen guten Überblick über den aktuellen Stand von dezentralen Distributed-Networks und damit verbundenen Forschungsfragen bieten die beiden Wissenschaftler Ethan Zuckerman und Chand Rajendra-Nicolucci: What if Social Media Worked More Like Email?

===

Die EU-Aufsichtsbehörde European Securites and Markets Authority (esma) wirft unserer Bafin vor, im Fall Wirecard nicht intensiv genug kontrolliert zu haben. Die Financial Times hatte 2019 in mehreren Enthüllungsartikeln über Wirecard berichtet, die Artikel wurden in den zuständigen Bafin-Abteilungen aber nicht gelesen. Ungeklärt ist für mich, ob der Grund die scharfe Paywall der Financial Times war.

===

Am Montag Abend gab es einen Terroranschlag in Wien, der wieder zu sehr viel Anschlusskommunikation mit vielen Echtzeit-Spekulationen in sozialen Medien führte. Für moment.at erklärt Ingrid Brodnig, was man bei solchen Fällen am besten machen sollte: Wie du dich bei Terroranschlägen und Krisen im Internet richtig verhältst.

===

Bei der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform läuft alles so, wie man sich das pessimistisch vorstellen kann. Bei den finalen Verhandlungen auf EU-Ebene versprachen alle Parteien, dass es nicht zu Uploadfiltern kommen würde. Aber wir wussten damals schon, dass das Versprechen von CDU/CSU nur Angesichts von großen Massenprotesten abgegeben wurde und garantiert nicht gehalten wird. Das zeigt sich jetzt, das CDU-geführte Wirtschaftsministerium möchte auch noch die wenigen vom Justizministerium vorgesehenen Bagatellausnahmen für nichtkommerzielle Nutzungen in sozialen Medien abschaffen und damit die Wünsche der Musik- und Filmindustrie erfüllen: Altmaier macht gegen Nutzung von Inhalte-Schnipseln mobil.

===

Wie infektiös sind Kinder in der Corona-Pandemie? Da gibt es weiterhin viele ungeklärte Fragen. Die repräsentative Corona-Studie „Safe Kids“ hat Kita-Kinder und Erwachsene untersucht und festgestellt, dass sich Covid-19 im Vergleich zu den üblichen Infektionskrankheiten wie Erkältungen und Grippe nicht so schnell in Kitas verteilen: Longitudinal testing for respiratory and gastrointestinal shedding of SARS-CoV-2 in day care centres in Hesse, Germany. Results of the SAFE KiDS Study (Preprint).

===

Es gibt immer Graphic Novels (im Volksmund auch Comics genannt) von und über Künstler:innen. Zuletzt hatte ich mir im Comicladen der Wahl „Bowie – Stardust, Rayguns & Moonage Daydreams“ gekauft. Als nächstes hole ich mir wohl „Sie wollen uns erzählen“ über Tocotronic-Songs, auf das die Tonart-Redaktion beim Deutschlandfunk Kultur aufmerksam gemacht hat: Wie gute gezeichnete Musikvideos.

Audio des Tages: Quantencomputer für Dummies

Im Netzteil-Podcast von Spiegel-Online unterhält sich Patrick Beuth mit dem Physiker Andreas Dewes über „Quantencomputer für Dummies“: Warum müssen Quantencomputer tiefgekühlt werden?

Video des Tages: Queen‘s Gambit

Eine Liebeserklärung an Schach mit einer großartigen Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy in einer weiblichen Nerd-Rolle ist die Netflix-Miniserie „Damengambit“ / „Queen‘s Gambit“. Für mich eine der besten Serien in diesem Jahr, leider mit sieben Folgen viel zu kurz. Positiver Nebeneffekt: Bis vorgestern war mir nicht klar, dass im englischen die Ausdrücke für Schachfiguren vollkommen andere als in der deutschen Sprache sind. Die Serie ist aber auch ein schönes Beispiel für die verrückte Welt der Filmförderung: Sie spielt in den USA und Paris, gedreht wurden aber viele Teile in Berlin. Das irritierte mich am Anfang etwas, als plötzlich das Foyer des Friedrichstadtpalastes als Kulisse zu sehen war.

===

Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

Diesen Newsletter kann man hier abonnieren.

Dieser Newsletter wird auch von vielen Spenden im Rahmen der freiwilligen Leser:innenfinanzierung von netzpolitik.org ermöglicht. Mit Deiner Unterstützung können wir noch viel mehr machen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.