Wirrwarr an Systemen: Bundesbehörden dürfen Passfotos abfragen, können aber nicht

Polizeien und Geheimdienste könnten nach einer Gesetzesänderung direkt auf Lichtbilder bei 4.300 Meldebehörden zugreifen. Die Ausweisregister werden jedoch von Dutzenden Dienstleistern und Herstellern betrieben, was den behördlichen Abruf erschwert. Eine Arbeitsgruppe will nun einen einheitlichen technischen Standard für die neue Überwachungsmethode schaffen.

Die Gesichtsbiometrie in Personalausweisen und Pässen führt zu neuen Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden. – Alle Rechte vorbehalten Bundesministerium des Innern

Nach einer Änderung des „Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises“ im Juli 2017 dürfen Sicherheitsbehörden direkt auf die bei Meldebehörden gespeicherten Lichtbilder zugreifen. Die Polizei- und Geheimdienste des Bundes haben dieses automatisierte Verfahren aber noch nicht begonnen, schreibt der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Ole Schröder, in der Antwort auf eine Schriftliche Frage. Demnach gibt es nach dem neuen § 25 Absatz 2 des Passausweisgesetzes zwar eine entsprechende Rechtsgrundlage, jedoch fehle eine „bundeseinheitliche technische Realisierung“. Laut dem Bundesinnenministerium betrifft dies 4.300 kommunale Behörden. Bislang werden die dortigen Ausweisregister von 40 verschiedenen IT-Dienstleistern und 10 Herstellern betrieben.

Zur Abfrage von Lichtbildern im Personalausweisregister und im Passregister berechtigt sind die Polizeibehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst, der Bundesnachrichtendienst, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Steuerfahndungsdienststellen der Länder, der Zollfahndungsdienst und die Hauptzollämter. Abgefragt werden die Personalausweis- und Passregister aller Melde- und Bürgerämter, bei denen biometriebasierte Lichtbilder gespeichert sind. Der automatisierte Zugriff muss nicht begründet werden, auch eine richterliche Überprüfung ist nicht nötig.

Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit der Bundesdruckerei

Für welchen Zweck eine Abfrage hauptsächlich erfolgen soll, ist derzeit unklar. Die Begehrlichkeiten mögen im Ausbau der biometriebasierten Videoüberwachung begründet sein, wodurch Personen über ihre Gesichtsbilder identifiziert werden könnten. Im Gesetzesentwurf hatte die Koalition im vergangenen Jahr außerdem geschrieben, der automatisierte Abruf solle zeitkritische Abfragen zur Gefahrenabwehr ermöglichen. Manche Abrufe seien gescheitert, weil die Meldebehörden am Wochenende nicht besetzt waren. Zudem bestehe die Gefahr der Verhinderung von Maßnahmen, wenn die abgefragten Personen durch Angestellte auf den Meldeämtern über den Vorgang informiert würden. Schließlich sorge der automatisierte Abruf auch für eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands.

Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll jetzt die technische Umsetzung bei den registerführenden Behörden prüfen. Dem Projekt Freiheitsfoo hat das Bundesinnenministerium auf Nachfrage weitere Details genannt. Demnach trägt die im Dezember erstmals zusammengetretene Arbeitsgruppe die Bezeichnung „Zukunft der Pass- und Ausweisregister – automatisierter Lichtbildabruf“. Mitglieder sind unter anderem die Meldebehörden der Länder sowie der Deutsche Städtetag. Als IT-Dienstleister nehmen die Datenzentrale Baden-Württemberg und die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung Bayerns teil. Als einziger Hersteller von Ausweisdokumenten und Lesegeräten ist die Bundesdruckerei GmbH bei den Beratungen an Bord.

Weitere Änderungen werden geprüft

Unter Leitung der ebenfalls beteiligten Koordinierungsstelle für IT-Standards will die Arbeitsgruppe ein „Rahmenkonzept für den automatisierten Lichtbildabruf aus Registern“ entwerfen. Zusammen mit dem „Änderungsbeirat Xmeld“, der für die Fachstandards zum Austausch von Meldedaten zuständig ist, soll Ende Mai 2018 über ein Rahmenkonzept beraten und entschieden werden.

Möglicherweise geht das neue Verfahren mit einer weiteren „Modernisierung und Harmonisierung“ im Pass- und Ausweis- sowie Meldeverfahren einher. Dem Bundesinnenministerium zufolge könnten dadurch „erhebliche Verbesserungen und Einsparungen für die abrufenden Behörden und Verwaltungskosteneinsparungen“ erzielt werden. Entsprechende Möglichkeiten würden derzeit geprüft.

9 Ergänzungen

  1. „Bislang werden die dortigen Ausweisregister von 40 verschiedenen IT-Dienstleistern und 10 Herstellern betrieben.“
    Na, was kann da schon schiefgehen?!

    1. Das war und ist schlicht ein feature, denn es soll(te) explizit keine zentrale Datenbank mit diesen Daten geben.

      Der Bund hebelt das aus, indem er einen zentralen automatisierten Zugriff auf alle Datenbanken realisiert.

      Das Ziel heisst halt GeStaPo2.0

      1. Das nahm ich oller Pessimist schon als gesetzt an.

        Zum Glück hab ich nur ganz wenig Ahnung von EiTi, sonst würde mich die „Datensicherheit“ bei solchen Konstrukten wohl nicht mehr schlafen lassen.
        Daß der Stasidreck so einfach nicht funktioniert ist doch nur ein Zuckerli und irgendwann repariert. Kostet halt wieder was extra, was der Bespitzelte auch noch selbst zahlen darf.

  2. Ich erinnere mich noch, als diese biometrischen Fahndungsfotos eingeführt wurden, dass Polizei & Co. darauf keinen Zugriff erhalten. Das war ein Grundsatz, wieso das überhaupt umgesetzt werden durfte. Wie schnell wir Menschen doch vergessen oder leugnen.

    1. Das haben wir damals schon nicht geglaubt, und wie so oft haben wir Recht behalten.

      Das Problem ist nicht, dass die einen Menschen vergessen oder verleugnen.
      Das Problem ist, dass die anderen Menschen ignorieren oder zu bloed sind.

      1. Das ist doch immer so, sobald du in der Öffentlichkeit sagst bzw. prophezeist wie der Hase läuft bzw. laufen werden wird, bist du ein Verschwörungstheoretiker!
        Sobald das System greift, beschweren sich die selben Leute, darüber, das man sie nicht über die Folgen informiert hätte oder behaupten einfach, das sich diverse Leute mit den entstandenen Möglichkeiten „bereichern“ (Informationen/Daten/Profile)!

  3. Der schlimmste der Feind der Überwachung ist die Imkompetenz der Überwacher.
    Wir müssen besser werden.

    1. “ schlimmste der Feind der Überwachung ist die Imkompetenz der Überwacher“

      Sich darauf zu verlassen ist sehr schnell lebensgefährlich, wie ein Blick auf vergangene wie gegenwärtige Diktaturen klar zeigt.

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