Projekt Gutenberg: Keine E-Books mehr für deutsche Nutzer

Das gemeinnützige Projekt Gutenberg hat als Reaktion auf ein Gerichtsurteil seine Seite für Nutzer mit deutscher IP-Adresse gesperrt. Wann der Zugriff wieder freigeschaltet wird, bleibt unklar. Das Projekt hat angekündigt, in Berufung zu gehen.

Auf gutenberg.org stehen zumindest US-amerikanischen Nutzerinnen und Nutzern mehr als 56.000 Werke aus den letzten Jahrhunderten als E-Book zur Verfügung. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Patrick Tomasso

Bereits am Donnerstag letzter Woche hat das US-amerikanische Projekt Gutenberg den Zugriff auf seine Webseite für Nutzerinnen und Nutzer mit deutscher IP-Adresse gesperrt. Selbst der Abruf von nicht-deutschsprachigen Büchern ist seitdem nicht mehr möglich. Ein deutsches Gericht drohte zuvor mit Ordnungsgeldern bis 250.000 Euro zuzüglich möglicher Schadensersatzzahlungen.

Die gemeinnützige Organisation und viele freiwillige Korrekturleser aus aller Welt digitalisieren seit 1971 Werke, deren Urheberrecht in den Vereinigten Staaten erloschen ist.

Der S. Fischer Verlag hatte 2015 gegen die Verfügbarkeit von 18 Büchern der Autoren Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin geklagt. Laut Urteil (pdf) des Landgerichts Frankfurt vom 9. Februar verletzten die auf gutenberg.org abrufbaren Digitalisate das deutsche Urheberrecht. Danach werden Werke erst 70 Jahre nach dem Tod ihres Autors gemeinfrei, was für die infrage stehenden Autoren erst im Laufe des nächsten Jahrzehnts der Fall wäre.

Sperrung ist eine Vorsichtsmaßnahme

Gutenberg.org kündigte an, in Berufung zu gehen, da sie ihre Seite in den Vereinigten Staaten hostet und das deutsche Gericht deshalb nicht zuständig sei. Dennoch haben die Verantwortlichen für die noch unabsehbare Dauer des Berufungsprozesses den Zugriff vorerst blockiert. Das News-Portal Heise Online schreibt außerdem:

Die vollständige Aussperrung aller deutschen Nutzer scheine am geeignetsten, um künftigen rechtlichen Maßnahmen zuvorzukommen, immerhin gebe es auf Gutenberg.org Tausende Titel, deren Veröffentlichung in ähnlicher Weise angegangen werden könnte. […] Die Organisation werde nur von Freiwilligen getragen und habe keinerlei Einnahmen abgesehen von Spenden, solche Auseinandersetzungen [seien] aber teuer.

Gutenberg.org bestätigte, dass ein weiterer deutscher Verlag im letzten Jahr eine ähnliche Beschwerde eingelegt habe und freut sich über Spenden für die Prozesskosten.

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27 Ergänzungen

  1. Ein Hoch auf das Terrornetzwerk (Darknet) dessen Namen ich hier jetzt nicht zu nennen wage!
    Also VPN und Ableger.

    1. von mir dazu in wikipedia geschrieben:

      „Dazu muss man eher die “’Hintergründe beleuchten“‘: Wohl klar das der Verlag eine Musterklage geführt hat. Der Streitwert der Nutzungsrechte (Speziell zur Restlaufzeit der Autorenrechte in der Klage welcher vergleichsweise gering sein sollte … obwohl man keine „NoName-Autoren“ ausgewählt hat.) Gegen archive.org oder googlebooks wollte/konnte man vermutlich nicht klagen. Das „Freiwilligen-Projekt-Gutenberg“ musste einstweilen für andere den Kopf hinhalten … weitere Klagen ggf. über [[Netzwerkdurchsetzungsgesetz]] könnte man später „aufsatteln“. Ob wir in der Folge für Deutschland etwas bekommen wie die [[Internetzensur in der Volksrepublik China]] wird die Zukunft zeigen.

      Bisher noch erreichbar:
      * Die Buddenbrocks als stream bei archive.org = https://archive.org/stream/buddenbrooksverf00mann#page/n7/mode/2up
      * Die Buddenbrocks als epub bei archive.org = https://archive.org/details/BuddenbrooksThomasMann
      * Tod in Venedig als stream bei archive.org = https://archive.org/stream/dertodinvenedig00manngoog#page/n9/mode/2up
      * Werkübersicht Thomas Mann bei archive.org = https://archive.org/search.php?query=creator%3A%22Thomas+Mann%22

      Spannend wie es weiter geht mit dem [[Gesetz über die Einschränkung des Zugangs zu rechtswidrigen Informationen im Internet]] :-o“

      permalink zum selbstzitat:

      https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Portal_Diskussion:Literatur&diff=174972161&oldid=174965937#Project_Gutenberg_-_Geoblocking_wg._copyvio

  2. Ein Hoch auf die deutschen Gerichte! Nicht jeder amerikanische Schwachsinn ist in Deutschland legal!

    Das Internet ist offensichtlich doch kein rechtsfreier Raum.

    1. Nein in Deutschland ist heute die Dämpfung von Rücksichtslosigkeit und die Umsicht völlig vernichtend in der Erziehung gekappt worden. Der daraus entstehende Schaden ist dann immer in Form von Gesetzen zu finden, die nicht mehr die Aufgabe haben, die Freiheiten einzelner gegen die anderer abzugrenzen, sondern die die Aufgabe haben den Menschen ihren Freiraum ganz zu nehmen und sie zu Sklaven des Systems zu machen.

      Weshalb man heute sehr genau überdenken muß ob ein Gesetz überhaupt sinnig ist, denn Übersichtslose Menschen verabschieden solche gerne ohne dabei nur wirklich über deren Sinn zu sinnieren. Bsp. EU Gesetz zum Staubsauger. Da wird nicht ein effektiver Staubsauger definiert, sondern da wird definiert, daß die Arbeit weniger effektiv gestaltet werden kann und Geräte mit mehr Leistung und möglicherweise sogar mehr Effektivität sind verboten.

      Also würde ich bestehende Gesetze durchaus darauf prüfen ob sie dadurch entstanden sind, daß man im Unterhaltungsgewerbe Politiker bestochen oder erpresst haben könnte um sie überhaupt entstehen zu lassen.
      Und selbst dann muß man sie überprüfen, weil ja die Umsicht heute nicht mehr so vorhanden ist und es sein kann, daß wie im Fall des Staubsaugers, das Gesetz nicht mal den Ursächlichen Zweck erfüllt und abdeckt. Bei 70 Jahren über den Tod eines Menschen hinaus gelingt es mir nicht zu verstehen wieso man ganze 3,5 Generationen von Menschen von einem Werk fern halten können sollte.

  3. Hmm ich kann sowohl von meinem Mobilgerät als auch vom Festanschluss ganz normal auf die Seite und die Inhalte zugreifen.

    1. Du hast vergessen das Länderkennzeichen auf den Computer zu kleben, deshalb hast du keine deutsche IP.

      1. Ja, sehr „effektiv“.
        Komme über Unitymedia auch noch rein.
        Wie ist meine IP bestätigt auch eine V6-Adresse (war mir eigentlich schon bekannt)…

  4. Heißt das also nun, dass man als Webseitenbetreiber die Gesetze aller Länder kennen und beachten muss, von denen aus man aufgerufen werden kann?

    1. Als popeliger kleiner Website Betreiber, Nein.
      Da musst du nur die Gesetze und Urteile beachten, mit denen sie dich ans Zeug flicken können.
      Hast du die Amerikaner vergrätzt, ist es allerdings egal in welchem Land du wohnst!
      Als International tätige Stiftung mit Niederlassungen/Vertretungen in den betroffenen Ländern, Ja.

  5. Gut das ich das Land schon vor vielen Jahren verlassen habe. Besagte Autoren kriegt man überall woanders, als Hardware oder eben auch digital. Denk ich an D in der Nacht……..

  6. Es gibt eine Sache, die ich leider vermisse (hier, wie auch zB beim Heise-Artikel): Warum sollten sich die Webseiten-Betreiber überhaupt an das Urteil halten (müssen)? Warum nicht ignorieren?
    Eine US-Website, gehostet in den USA, bietet Informationen/Ebooks zum Download. Mag sein, dass sich die Website sprachlich auch an Deutsche richtet. Nun, selbst wenn diese Ebooks in Deutschland illegal wären, trifft das doch bei vielen anderen Websites ebenso zu (man denke nur an die ganzen Nazi-Seiten im US-Web). Erinnert mich auch ein wenig an die Diskussion über eine angebliche Impressumspflicht für deutschsprachige Webseiten im Ausland.

    Wäre es möglich, da eine kurze juristische Einschätzung zu bekommen?

    1. @Leon Kaiser: Keine Antwort auf meine Frage? Was ich nicht verstehe, ist, wie es überhaupt zu einem Prozess kommen kann: Der Verlag hat geklagt. Und dann? Haben die Leute von Gutenberg.org (aus den USA) extra einen Anwalt in Deutschland engagiert? Oder waren bei dem Prozess nur die Klägerseite und die Richter anwesend?

      Vielleicht kann man einem Laien diese Seite der Thematik etwas näher erklären?

    2. Als Nicht-Jurist: Gutenberg.org ist auch der Meinung, dass das deutsche Gericht gar nicht zuständig sei, ist dem Urteil aber bis zum Berufungsprozess gefolgt, um dort bessere Chancen zu haben – und nicht womöglich auf Ordnungsgeldern in der Höhe sitzen zu bleiben. Das Urteil und die detaillierte juristische Stellungnahme von gutenberg.org sind im Artikel verlinkt.

    3. Diese „Nazi-Seiten“ machen sich „natürlich“ (nicht dass Ich das gut fände, auch oder gerade WEIL Ich mich als „Links“ bezeichne!) auch in Deutschland strafbar.
      Wenn die wissen wer dahinter steht, dann läuft hier evtl. ein Haftbefehlt, evtl. sogar in Abwesenheit ein Prozess gegen den Amerikaner, und wenn der mal zufällig in Deutschland oder nur der EU zwischenlandet wird der festgenommen und „weggesperrt“…
      Genau das gleiche kann passieren, wenn ein US-Amerikaner von seinem Verfassungsmäßigen Recht gebrauch macht und in Naziuinform, Hakenkreuzarmbinde, Hakenkreuzflagge etc. vor dem Kapitol marschiert, und ein Gegner ein Video davon mit Name und Adresse den Dt. Behörden schickt.
      Die machen evtl. „nichts“, sagen dem nichts, aber wenn der nur irgendwo in der EU zwischenlandet wird er evtl. festgenommen…

      Deutschland hat auch mal versucht einen Belgier der im belgischen TV auf einer Demo „illegal gegrüßt“ hat nach Deutschland ausliefern zu lassen. Ich glaube per EU-Haftbefehl.
      Die Belgier hätten den ohne nach der Anklage fragen zu dürfen ausliefern müssen, haben sich aber einfach geweigert.
      Aber Deutschland hat mal einen Deutschen wegen so einem EU-Haftbefehl wegen angeblicher Vergewaltigung oder ähnlichem nach Griechenland ausgeliefert.
      Nach einem Jahr U-Haft wurde er ohne Prozess entlassen…

      Ich hoffe die USA würden da radikaler.
      Ich empfände Schadenfreude, wenn ein US-Politiker oder gar Trump da mit militärischen Mitteln gegen Deutschland drohen würde.

  7. Deutschland wird erst dann ein Rechtsstaat werden können, wenn es eine wirkliche Demokratie ist. Ist leider noch ein weiterer Weg dahin …

  8. Vor einiger Zeit kam das Gespräch auf, Urheberrechte noch erheblich länger gültig werden zu lassen. Was ich jedoch nicht verstehe ist folgendes:

    Ein Forscher, benötigt im allgemeinen seine Theorie und dann oft sehr viel Geld und Material um sie zu beweisen. Hat er sie dann bewiesen, kann er ein Patent anmelden um sich davor zu schützen, daß andere mit seiner Idee nun Geld verdienen. Dafür hat er eine Gebühr zu bezahlen und wenn er den Schutz aufrecht erhalten will, bezahlt er für die Verlängerung dieses Schutzes. Kann er nicht genügend Geld aufbringen um seine Idee selbst zu vermarkten und findet er niemanden, der ihm diese Vermarktung übernimmt, geht er leer aus, obwohl seine Idee Bahnbrechend sein kann. Klappt jedoch dieser Schritt, dann wird ihm nach 20 Jahren erklärt, daß nun seine Idee zum Allgemeinwissen übergeht und somit nicht mehr zu schützen ist.

    Dieser Vorgang ist so weit ich es betrachten kann relativ ausgewogen, weil die Bevölkerung nun mal nicht auf ewig von guten Ideen dadurch getrennt werden können sollte, daß irgend jemand sie anderen bewußt vorenthält.

    Nun zu den Urheberrechten. Schreibt jemand ein Buch, so benötigt er hierfür Zeit, jedoch kaum Geld. Erst wenn es fertig ist, obliegt es ihm sich um die Verbreitung zu kümmern und je nach Qualität und Kapital kann er verschiedene Wege beschreiten. Das jedoch sein Werk nun von anderen Dritten übernommen wird und diese dann für 70 Jahre den Reibach daraus erwirtschaften können, den sie möglicherweise selbst dem Schreiberling nie ermöglicht haben sehe ich als eine Gesetzliche Verfehlung die sowohl in der Musik- als auch in der Buch- und Filmbranche existiert. Wenn ich da Einfluß üben könnte, dann hätte der Filmproduzent wie auch der Musiker oder Schriftsteller einen Schutz, der möglicherweise länger als 20 Jahre ist, jedoch sicher nicht mehr als das über seinen Tod hinaus gilt, denn ich würde es nicht fördern wollen, daß man zum einen Schriftsteller um ihren Rechten Lohn bringen kann und dann nach deren Tod praktisch alleinig ein mords Geschäft machen kann, für das man außer einer geringen Investition nichts getan hat.

    Was den Schutz anbelangt, würde ich jedoch hier ebenso eine Entsprechende Amtliche Stelle zum Leben erwecken, die das überwacht und für die Verlängerung um weitere 20 Jahre einen Betrag kassiert, der deren Arbeit finanziert. Ich würde keinem Schrift-, Musikstück oder Film mehr als 20 Jahre Schutz erteilen, ohne daß dieser über eine Zuzahlung erwirkt wurde. Und eine Verlängerung wäre für mich nur durch den Urheber möglich. Es ist nicht fair gegenüber Forschern, wenn man das anderes gestaltet und es ist ferner noch unfairer gegenüber allen, wenn man somit Schriften für bis zu 70 Jahre blockieren kann. Wenn es nach mir ging, würde die Verlängerung maximal 66% der letzten Schutzzeit betragen können. Also nach 20 Jahren würde man für etwas mehr als 13 Jahre Verlängerung des Schutzes einen Ovolum ableisten und danach dann für eben nur noch ca. 8,5 Jahre etc.

    Vielleicht sollte man diese Änderung der Fairness halber gegenüber wichtigeren Forschern überdenken.

  9. Ich finde damit spuckt dieses Gericht auf Allgemeinbildung und die Kunst am sich im Sinne eines Verlages bei dem es nicht mal klar ist ob er die Rechte inne hat

  10. Sehr aufschlussreich ist die Lektüre der (leider englisch-sprachigen) Sperr-Begründung auf gutenberg.org. Wenn stimmt, was die dort schreiben, dann hat Fischer die Rechte an einigen der inkriminierten Bücher erst erworben, *nachdem* die Klage eingereicht war!

    Und das ist noch nicht alles. Eine Hauptforderung der Klage war, dass guternberg.org an Fischer die IP-Adressen aller deutschen Internet-Nutzer ausliefern sollte, welche die betroffenen Werke heruntergeladen hatten.

    Berücksichtigt man, dass Fischer sich in dieser Sache eines allbekannten Abmahnanwalts bedient hat, liegt der Schluss nicht fern, dass der Verlag und sein Anwalt hofften, ein lukratives neues Abmahn-Geschäftsfeld zu erschließen. Diese paar Bücher waren ja offenbar nur ein Testballon. Unter den 700 deutschen Werken, die gutenberg.org enthält, hätte sich gewiss noch so manche Schatzgrube gefunden. Kurzum, ich denke, der Fischer-Verlag (und vermutlich nicht nur dieser!) hatte vor, Deutschland mit einer gewaltigen Abmahnwelle zu überziehen.

    Im idealen Idealfall hätte der Verlag sich die betreffenden Werke dann gleich zweimal bezahlen lassen können: einmal via Schadenersatz von gutenberg.org, und ein zweites Mal von den verruchten Downloadern (von den Profiten der Anwälte ganz zu schweigen).

    Ein Tröstliches hat die Sache aber immerhin: die deutsche Literatur ist schon seit Jahrzehnten so grottenschlecht, dass man sich nur darüber freuen kann, wenn die Autoren nach und nach alle in Vergessenheit geraten und in 150 Jahren, sollten ihre Werke dann endlich gemeinfrei werden, gewiss kein Hahn mehr nach ihnen kräht.

  11. Sieht aus, als wäre die Sperre mittlerweile wieder aufgehoben. Ohne jegliche Äußerung zu den Gründen.

  12. Aus Frust über die kafkaeske Selbstzensur habe ich mich hingesetzt und was zusammengehackt. Herausgekommen ist http://www.bücherbucht.de . Dort sind knapp 1.200 deutschsprachige Werke verlinkt, die über einen Gutenberg.org-Mirror heruntergeladen werden können. Die Werke sollten alle gemeinfrei sein (von ursprünglich rund 1.700 wurden gut 500 anhand der Todesdaten der Urheber [Autoren UND Übersetzer] herausgefiltert).

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.