Ein Text, den ich noch nicht lesen kann. Erlebnisbericht eines Neulings auf dem Chaos Communication Congress

Teil II

Was ist das? Was sagt er da? Was machen die da? Der Congress-Neuling schnappt Dinge auf, hört zu und beobachtet. Es ergibt sich ein Text, der nicht all zu leicht zu verstehen ist.
27. Dezember – der erste Tag

„Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch (ca. 1500) – Public Domain Galería online, Museo del Prado

„Und er rannte die ganze Zeit mit einem Phasenprüfer rum. Und wenn ihn jemand fragte, was er damit will, sagte er: ‚Kann ja sein, dass ich mal telefonieren muss.‘“ Der Ph(r)asenprüfer ist das Symbol für den diesjährigen Chaos Communication Congress. Zahlen und Symbole sollen auch als Erklärungsversuch im ersten Vortrag dienen, dem Publikum das Motto „Tuwat“ nahe zu bringen. Anhand von Zahlen und Symbolen wird die Geschichte des Chaos Computer Clubs erzählt.

Die Rakete steht für Innovation, der Knoten im Kabelfernsehen für den „Widerstand im normalen Lauf der Dinge“. Später wünsche ich mir, dass an allem, was mich hier umgibt, ein kleines Erklärungsschreiben angebracht ist. Dort, wo ich gerade sitze und schreibe, steht ein Unterwasserkiosk, der mit allerlei Flora und Fauna des Meeres bedeckt ist. Soll diese Installation einfach nur das Herz erfreuen oder gibt es einen tieferen Sinn? So wie die Namen der Säle (Adams, Clarke, Borg, Dijkstra), die natürlich nicht willkürlich, sondern nach Informatikern, Physikern oder nach Annalen des Science-Fiction-Genres benannt sind.

Alles ist Text, der verstanden werden will.

Ich schaue in die leicht überforderten Augen eines anderen Neulings: „Ich glaube, ich müsste erst einmal in den Kids Space, damit ich irgendwas verstehe.“ Zum Kids Space schiele ich an diesem Tag noch öfter – auch, weil sie eine supercoole Rennbahn haben, nur so viel: man kann drin sitzen und fahren, in echt.

Nun zu Hans-Christian Ströbele und Constanze Kurz, die sich über Untersuchungsausschüsse unterhalten. Herr Ströbele darf leider nichts sagen, was das Publikum nicht auch von anderer Stelle erfahren könnte. Das ist bitter. Für ihn wohl am meisten. Es ist noch bis in die letzte Reihe greifbar, wie gerne er würde. Dies ist vielleicht noch schlimmer: Teil eines Parlamentarischen Kontrollgremiums zu sein, das zum einen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und zum anderen über keine Mittel verfügt, Verantwortliche zu sanktionieren. Besser als nichts zu wissen?

„Es würde mir schon reichen, einfach Hardware anzufassen.“

Ich weiß nach dem heutigen Tag auf jeden Fall schon mehr als gestern. Zum Beispiel sind Ladekarten für die Ladestationen von Elektroautos total leicht auszulesen und damit zu missbrauchen. Ich weiß jetzt, dass es ein Open-Data-Projekt gibt, durch das ich sehen kann, wie viel Feinstaub in meinem Kiez gemessen wird, dass ich mir selbst einen Sensor dafür bauen kann, und ich weiß auf jeden Fall, welche Website bei mir am Silvesterabend offen ist (Stichwort: Böller).

Ich weiß noch, als ich das erste Mal das Schwarze Quadrat von Malewitsch sah und mich fragte, was das soll. Je mehr ich darüber wusste, desto stärker fand ich das Bild. Und so ist es auch hier. Der CCC und sein 34C3 ist ein Hieronymus Bosch. Jedes Detail erzählt eine Geschichte. Kennst du sie nicht, ist ein Phasenprüfer eben nur ein Phasenprüfer und keine Hommage an Wau Holland. Umso schöner, wenn es Klick macht.

1 Ergänzungen

  1. Es gibt gute Geheimnisse und schlechte Geheimnisse. Das lernen schon die Kinder. Und es gibt Zahlen-Geheimnisse. Die hassen bereits die Kinder ;-)

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