Globaler Nachrichtenkonsum: Plattformen weiter auf dem Vormarsch

Eine internationale Studie der Nachrichtenagentur Reuters zeigt: Auch wenn Fernsehen weiter die wichtigste Quelle ist – die Bedeutung von Smartphones und Social Media nimmt für die Nutzung von Nachrichten weiter zu. Nach wie vor gibt es beim Medienkonsum zudem große Generationenunterschiede.

Reuters Institute Digital News Report http://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/Digital-News-Report-2016.pdf

Das Institute for the Study of Journalism der Nachrichtenagentur Reuters hat heute seinen jährlichen Digital News Report (PDF) veröffentlicht. Die internationale Studie basiert auf Erhebungen in 26 Ländern. Sie hebt die wachsende Bedeutung von Social-Media-Plattformen für den Nachrichtenkonsum hervor.

Innereuropäisch ist die Situation hochgradig divers, sodass man mit Verallgemeinerungen aufpassen sollte. Einige Trends lassen sich aber ablesen: Neben der immer wichtigeren Rolle von Sozialen Medien für die Verbreitung von Nachrichten wird auch die jüngste Entwicklung, dass Nachrichten direkt auf den Plattformen gepostet werden – etwa im Form von Instant Articles bei Facebook – thematisiert. Dazu liefert die Studie leider noch keine konkreten Zahlen, wohl aber verweist sie anhand qualitativer Forschung auf die zunehmende Bedeutung dieses Phänomens.

Einige interessante Auszüge der Studie:

  • Social Media: Im Schnitt nutzen 51 Prozent der Menschen mit Internetzugang Social Media als Nachrichtenquelle (USA und Europa: 4646 Prozent). Griechenland bildet mit 74 Prozent hier den Spitzenreiter. In Deutschland sind es lediglich 31 Prozent. Insgesamt sagt ein gutes Zehntel (12 Prozent), Social Media sei die primäre Quelle für Nachrichten (Deutschland: 6 Prozent; Griechenland: 27 Prozent)
  • Video: Trotz erheblicher Anstrengungen von Nachrichtenunternehmen und Plattformbetreibern bleiben die Zahlen für den Nachrichtenkonsum im Videoformat hinter den Erwartungen zurück: Gut dreiviertel (78 Prozent) der Befragten konsumieren größtenteils Nachrichten in Textform.
  • Algorithmen: 36 Prozent der Befragten gaben an, eine Auswahl der Nachrichten durch auf eigenen Nutzungsdaten basierende Algorithmen zu begrüßen, 30 Prozent finden eine Sortierung der News durch Journalisten gut und 22 Prozent schätzen Nachrichten, die aufgrund der Nutzungsinteressen von Freunden algorithmisch gefiltert werden. In Deutschland liegen die Filterung durch Redakteure und durch nutzungsbasierte Algorithmen mit 36 Prozent gleich auf (Empfehlungen basierend auf Freundesinteressen: 23 Prozent). Obwohl nutzungsbasierte algorithmische Filter im internationalen Vergleich etwas besser abschneiden als die Nachrichtenauswahl durch Redakteure, gibt es bei vielen Befragten ernste Vorbehalte – nicht nur in Deutschland. So sind 70 Prozent der befragten Spanier, 60 Prozent der befragten US-Amerikaner und 44 Prozent der befragten Deutschen beunruhigt, dass sie etwas wichtiges verpassen könnten, wenn sie sich auf Algorithmen verlassen. Auch Sorgen um die Privatsphäre (Spanien: 54 Prozent; USA: 49 Prozent; Deutschland: 46 Prozent) und das Verpassen anderslautender und herausfordernder Meinungen (Spanien: 67 Prozent; USA: 59 Prozent; Deutschland: 42 Prozent) spielen eine Rolle.
  • Unterschiedliche Plattformen: 44 Prozent der Befragten nutzen Facebook für Nachrichtenselektion und -konsum. Mit 19 Prozent folgt Youtube, Twitter bleibt mit 10 Prozent das Netzwerk der Journalisten, Politiker und Nachrichtenjunkies. 8 Prozent der Befragten nutzten den Messenger WhatsApp im Zusammenhang mit Nachrichten. Der aktuelle Hype-Dienst Snapchat spielt mit einem 1 Prozent für Nachrichten bislang keine Rolle.

Digitaler Nachrichtenkonsum in Deutschland

Das Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung hat die Daten für Deutschland ausgewertet und einen eigenen Länderbericht (PDF) veröffentlicht:

  • Nachrichtenkonsum und -bedeutung gehen insgesamt leicht zurück: Während im letzten Jahr 97 Prozent der Internetnutzer mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten nutzten, sind es 2016 nur mehr 94 Prozent und während 2015 knapp 75 Prozent angaben, dass sie „überaus“ oder „sehr“ an Nachrichten interessiert sind, beträgt die Zahl dieses Jahr nur noch 71 Prozent.
  • Besonders bei jungen Menschen ist der Rückgang spürbar: Befragte zwischen 18 und 24 Jahren konsumieren über alle Mediengattungen hinweg weniger Nachrichten als in 2015. Nachrichtenkonsum über das Internet ist von 79 Prozent auf 75 Prozent gefallen, beim Fernsehen von 72 Prozent auf 54 Prozent und beim Radio von 40 Prozent auf 33 Prozent.
  • Ein Fünftel der jungen nutzt ausschließlich Online-Quellen: 21 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland beziehen Nachrichten ausschließlich über Quellen aus dem Internet; darunter sind 8 Prozent, die ausschließlich Nachrichten über Soziale Medien rezipieren.
  • Fernsehen weiter wichtigste Nachrichtenquelle: Für 51 Prozent ist TV die wichtigste Nachrichtenquelle. Für 26 Prozent sind Online-Medien die wichtigste Quelle. Bei jüngeren Menschen ist es umgekehrt, für sie sind Online-Medien (18 bis 24 Jahre: 52 Prozent; 25 bis 34 Jahre: 49 Prozent) häufiger die primäre Nachrichtenquelle als Fernsehen (18 bis 24 Jahre: 24 Prozent; 25 bis 34 Jahre: 37 Prozent).
  • Bedeutung von Internet für Nachrichtenkonsum im internationalen Vergleich am geringsten: Mit lediglich 26 Prozent der Befragten, für die das Internet die wichtigste Nachrichtenquelle darstellt, bildet Deutschland im Vergleich mit den 25 anderen untersuchten Ländern das internationale Schlusslicht.
  • Altersunterschiede in der Gerätenutzung für Online-Nachrichten: Insgesamt verwenden 57 Prozent der deutschen Onliner PCs um auf Nachrichten zuzugreifen, 40 Prozent verwenden ein Smartphone. Bei den 18-34-Jährigen liegt der Anteil der Smartphone-Nutzung bei über 60 Prozent.
  • Smart TVs und Smart Watches irrelevant: Während 2015 etwa 15 Prozent angaben, Nachrichten über Smart TVs zu konsumieren, sind es 2016 nur noch 8 Prozent. Smart Watches werden überhaupt nur von 1,5 der Mediennutzer genutzt; lediglich 0,4 Prozent nutzen sie für Nachrichtenkonsum.
  • Zu viel Werbung: Mehr als die Hälfte der deutschen Internetnutzer über 18 Jahre empfindet die Anzahl der Werbungeinblendungen als lästig (55 Prozent), vor allem in der Altersgruppe über 35 Jahren. 57 Prozent kritisieren, dass ihnen personalisierte Werbung von einer Website zur nächsten folgt und sie dadurch ihre Privatsphäre gefährdet sehen. Lediglich ein Drittel (33 Prozent) der Internetnutzer gibt an, für kostenlose Nachrichten gerne Werbung zu bekommen.
  • Einsatz von Adblockern: 25 Prozent setzen Adblocker ein. Unter den jungen Nutzergruppen sind Adblocker wesentlich weiter verbreitet als unter den älteren Erwachsenen: Fast jeder zweite Onliner zwischen 18 und 24 Jahren setzt einen Adblocker aktiv ein, während noch nicht einmal jeder Sechste der über 55-Jährigen diese Software verwendet. 92 Prozent der Anwender von Adblockern haben die Programme auf ihren Laptops oder PCs installiert. Auf Tablets und Smartphones sind sie deutlich weniger verbreitet.
  • Große Unterschiede im Vertrauen in Nachrichten: Was die Zustimmung zur Aussage „Den meisten Nachrichten kann größtenteils vertrauen“ angeht, liegt Deutschland im Reuters-Vergleich mit 55 Prozent auf Platz 7. Mit 65 Prozent Zustimmung liegt Finnland auf Platz eins, in den USA (33 Prozent) und Frankreich (32 Prozent) hat nur ein knappes Drittel Vertrauen in die Medien und in Griechenland ist das Vertrauen mit 20 Prozent am geringsten. Laut den Autoren der Studie haben hier vor allem westeuropäische und skandinavische Länder mit einem gemischten System aus einem gut finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und kommerziellen Medien gepunktet.

Der Nachrichtenkonsum in Deutschland verändert sich also – wenn auch anders oder langsamer als internationale Trends es nahelegen. Nichtsdestotrotz zeigt ein Blick auf die immensen Altersunterschiede, dass die Entwicklung hin zu einer zentralen Rolle von Smartphones und Social-Media-Plattformen auch deutsche Medien weiter herausfordern wird. Die Autoren der Reuters-Studie vermarkten ihr Werk verständlicher Weise mit „Breaking News“ in Hinblick auf das Verblassen von etablierten Medienmarken im Kontext des Nachrichtenvertriebs via Social Media und die bessere Bewertung von Algorithmen im Vergleich zu Journalisten. In Hinblick auf die Qualität der Nachrichtenlandschaft sollten Medienunternehmen jedoch nicht aus dem Blick verlieren, dass sie ganz unabhängig von Plattformen und Algorithmen Probleme haben, wenn lediglich 36 Prozent der Befragten sagen, dass Sie die Nachrichtenauswahl durch Profis für einen gelungenen Weg halten und nur 55 Prozent überhaupt Vertrauen in die Nachrichten haben.

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8 Ergänzungen

  1. „Gut dreiviertel (785 Prozent) der Befragten konsumieren größtenteils Nachrichten in Textform.“
    785 Prozent halte ich für eine sehr großzügige Auslegung von „gut dreiviertel“.
    Sollte das vielleicht 78 Prozent heißen? :-)

  2. Das wurde wohl mit dem heißen Stift geschrieben : Sie hebt die wachsende Bedeutung von Social-Media-Plattformen für den Nachrichtenkosnum hervor.

  3. Interessante Zahlen, mich würden allerdings sehr die Hintergründe zu der ersten Aussage zum digitalen Nachrichtenkonsum interessieren: „Während im letzten Jahr 97 Prozent der Internetnutzer mindestens mehrmals pro Woche Nachrichten nutzten, sind es 2016 nur mehr 94 Prozent …“ – wie kommen diese Zahlen zustande, was alles gilt als „Nachrichten nutzen“ und woran liegt der (evtl. nur scheinbare) Rückgang bzw. diese Verschiebung?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.