Rechenkraft und Zweifel: Die Resistenz der digitalen Fehlinformation

Kaum totzukriegen: Im Netz halten sich Fehlinformationen deutlich länger, als dies ehemals der Fall gewesen wäre. Bildmontage: ck, via Wikipedia

Was haben das Masernvirus und rechtspopulistische Medienkritik gemeinsam? Die Antwort hierauf ist leider nicht in eine griffige Punchline zu pressen. Denn was die plötzliche Renaissance beider begünstigt, ist ein Vorgang der Informationsverbreitung und ist die damit einhergehende, gesellschaftliche Fragmentierung, die eng mit der Verbreitung digitaler Technologien und vernetzter Rechenkraft einhergeht.

Dies ist ein Gastbeitrag von Curd Knüpfer. Der Wissenschaftler ist als Gastdozent an der Freien Universität Berlin tätig, wo er derzeit die Juniorprofessur für US-Außenpolitik vertritt. Anfang 2015 schloss er seine Promotion zu rechtskonservativen US-Medien und deren Darstellung internationaler Ereignisse ab. Sein gegenwärtiges Forschungsprojekt befasst sich mit Politisierungstendenzen im digitalen Raum.

Zur Erklärung: Vor etwa 50 Jahren veröffentlicht der Chemiker Gordon Moore in der Fachzeitschrift Electronics einen Aufsatz, in dem er die Prognose aufstellt, dass sich die Rechenkraft von Computersystemen in regelmäßigen zeitlichen Abständen jeweils verdoppeln würde. Bekannt ist diese Faustregel mittlerweile als das „Mooresche Gesetz.“ Dieses wird gern wie folgt veranschaulicht: Gegenwärtig kostet 1 TB externer Festplattenspeicher etwa 59,49 EUR beim Versandhändler Ihres Vertrauens. 1956 vermietet die Firma IBM noch für einen vierstelligen Betrag eine Rechenmachine an innovative Unternehmen, das die Maße einer IKEA Kücheneinrichtung hat und dafür gerade mal um die 5 MB Speicherplatz bereithält.

Was Sie nicht wissen, wird gegoogelt

Knapp zweieinhalb Jahrzehnte später, 1990: Vieles ist bereits wie heute. Deutschland ist Weltmeister, die Zukunft Europas steht auf der Kippe. Allerdings: Wir erhalten das Gros unserer tagtäglichen Informationen noch durch eine von drei Möglichkeiten: Zeitung, Fernsehen oder Radio. Weiterführende Recherche findet mühselig in Bibliotheksarchiven statt. Rechenkraft und Speicherkapazitäten spielen dabei keine prominente Rolle. Der digitale Wandel lässt sich zwar bereits erahnen, doch noch hat er den Prozess der Nachrichtendisseminierung nicht nennenswert tangiert.

2015: Sie erhalten Ihre Nachrichten dort, wo Ihnen Ihre Nachrichten am bekömmlichsten serviert werden. Was Sie nicht wissen, wird gegoogelt. Das ist wahnsinnig praktisch und sicherlich ein Fortschritt. Aber der Komfort hat seinen Preis. Denn stellen Sie sich nun zusätzlich einmal vor, Sie wachen morgens auf und die Welt, wie Sie sie kennen, würde nicht mehr existieren. Ihr Smartphone und Tablet und Monitor teilen Ihnen plötzlich ganz merkwürdige Dinge mit. Klimawandel ist auf einmal ein Schlagwort für die Hybris international vernetzter Pseudo-Wissenschaftler. Bananen/Glutene/Reiswaffeln machen Sie auf einmal dick. Und möglicherweise war der 11. September gar kein „echter“ Terroranschlag?

Je nachdem wie Ihre persönlichen Surfgewohnheiten gegenwärtig aussehen, überrascht Sie dabei das ein oder andere vielleicht auch gar nicht mehr. Denn das Bezeichnende an der Tatsache, dass derartige Informationen zirkulieren, ist nicht etwa, dass sie die Massen überzeugen – sondern oftmals ihre bloße Existenz. Und wer weiß, vielleicht ist an der einen oder anderen Aussage ja tatsächlich etwas dran? Haben Sie nicht kürzlich schon einmal irgendwo davon gelesen? Falls ja, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass mit „irgendwo“ eine Adresse im Netz gemeint ist.

Digitale Haltbarkeit von Fehlinformationen

Eine wichtige Variable, die in der Vergangenheit darüber mitbestimmte, was als wahr und was als falsch angesehen wurde, war schlichtweg die Zeit. Hielt sich ein Gerücht lang und hartnäckig als Anfechtung des dominanten Wahrheitsregimes, so lag irgendwann die Vermutung nahe, dass dort doch etwas dran sein müsste. Ein klarer Vorteil der digital vernetzten Kommunikation ist, dass das global verfügbare Archiv nie schließt und selten vergessen muss. Das ist gut und praktisch. Doch es hat eben auch zur Folge, dass nicht mehr ausgemistet wird. Fehlinformationen, Verschwörungstheorien, Unwahrheiten und Verleumdung – sie alle bleiben uns erhalten; viel länger als dies in der entschleunigten Welt der Fall gewesen wäre. Die eine oder andere Person im öffentlichen Raum ist mittlerweile bereits gut mit dem „Streisand-Effekt“ vertraut, nach welchem sich (Falsch-) Meldungen im Netz gerade dann halten, wenn sie durch Anfechtung unter Beschuss geraten. Doch was für den einzelnen Promi eventuell lästige PR bedeutet, hat gesamtgesellschaftliche Implikationen. Die Zugänglichkeit widersprüchlicher Informationssätze hat natürlich ihren Charme, wenn es darum geht, überholt erscheinende Wahrheitsmonopole zu zerlegen. Doch Zweifel und Unsicherheit können eben auch durchaus negative gesellschaftspolitische Folgen zeitigen.

Zweifel als gesundheitsschädliches Problem

In einem überaus empfehlenswerten Buch, welches letzten Herbst unter dem Titel „Die Machiavellis der Wissenschaft“ in Deutschland veröffentlich wurde (auf Englisch trägt es den gelungeneren Titel „Merchants of Doubt“), zeigen die Wissenschaftshistoriker Naomi Oreskes und Erik Conway auf, wie die Tabakindustrie über Jahrzehnte den öffentlichen Diskurs manipulieren konnte: nicht etwa, indem sie direkt abstritt, dass Tabakkonsum gesundheitsschädlich sei. Stattdessen sorgte sie indirekt dafür, dass Informationen zur Verfügung standen, die eben dies in Frage stellten. Die Verbreitung von Unsicherheit und Zweifel war über lange Jahre ein gutes Geschäftsmodell. Man würde nie allen Menschen das Rauchen angewöhnen—es reichte durchaus aus, sich eine loyale Kundschaft zu erhalten und den staatlichen Regulierungsmechanismen durch vermeintlich ungeklärte Fragen einen Riegel vorzuschieben.

Andere Beispiele derart listiger Methoden industrieller Lobbyarbeit finden sich in Bezug auf den Bleigehalt in Motorenbenzin oder – aktueller – auf CO2 Ausstöße und den globalen Klimawandel. Waren und sind hier nachweislich die Interessen ganzer Industriezweige am Werke, die kostspielige PR-Maschinerien unterhalten, so ist dies in Zeiten der vernetzten digitalen Daten nicht länger eine notwendige Voraussetzung für den Fortbestand von Fehlinformationen.

Was hat das Ganze nun mit den Masern zu tun?

Was hat das Ganze nun mit den Masern zu tun? Ein Gegenbeispiel zu den vorhergegangen: 1998 veröffentlicht die medizinische Fachzeitschrift The Lancet einen Artikel, in welchem der britische Mediziner Andrew Wakefield vorgibt, einen Kausalzusammenhang zwischen Impfstoffen und Autismus aufzuzeigen. Seit 2004 ist bekannt, dass dies auf falschen (vermutlich gefälschten) Daten und höchst fragwürdiger methodischer Herleitung beruhte. 2010 wurde die Veröffentlichung offiziell zurückgezogen. Ein Hochstapler wurde entlarvt. Eine Wahrheit wurde etabliert. Die wissenschaftliche Praxis des Peer-reviews erwies sich letztendlich als erfolgreich.

Oder eben nicht. Denn Wakefields Narrativ blieb überaus potent: die mächtige Pharmaindustrie, die skrupellos medizinische Erkenntnisse vertuschen möchte, gegen die einsame Cassandra! Das klingt zu gut, um unwahr zu sein. Besorgte Eltern, ebenso wie Journalisten, die objektiv über diese wichtige Thematik berichten möchten und dazu im Netz Recherche betreiben, werden nach wie vor schnell fündig, wenn es darum geht, die diskreditierte Wakefield Studie aufzutreiben. In zahllosen Foren und Kommentaren halten sich vergleichbare Gerüchte ohnehin schon lange.

So groß die Unterschiede zwischen der aktiven PR mächtiger Lobbyverbände und dem Underdog-Image des wissenschaftlichen Außenseiters sein mögen – das Resultat ist durchaus ähnlich: Zweifel werden gesät; und die Gesundheit der Öffentlichkeit wird gefährdet. Im Jahr 2000 galt das Masernvirus in USA offiziell als besiegt. Anfang 2015 beläuft sich die Anzahl von Masernausbrüchen bereits auf knapp 200 Fälle. Hiervon lassen sich die meisten Ausbruchsherde anscheinend auf Kinder zurückführen, deren Eltern wohl wissentlich auf eine Impfung verzichtet hatten. Und auch in Deutschland erlebt die Krankheit ein Comeback. Die Masern sind, so gesehen, ein Symptom. Und eine Teilursache ist die Verfügbarkeit von Fehlinformationen, für die es im digitalen Zeitalter keine Grenzen gibt. War zum Erhalt und zur Verbreitung gesellschaftlicher Zweifel in der goldenen Ära der Blei- und Tabak-Lobbys noch ein aktiver Wille und ein recht beachtlicher koordinierter Kostenaufwand nötig, so hat der digitale Wandel diese Hürden erheblich reduziert.

Selektive Wahrnehmung im digitalen Zeitalter

Als "Echo Chambers" bezeichnet man Enklaven, in denen sich gleiche Meinungen gegenseitig bestätigen. CC BY-NC 2.0, via flickr/Gillie Rhodes
Als „Echo Chambers“ bezeichnet man Enklaven, in denen sich gleiche Meinungen gegenseitig bestätigen. CC BY-NC 2.0, via flickr/Gillie Rhodes

Hinzukommt, dass das exponentielle Wachstum an Daten auch den kontinuierlichen Austausch von unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht. Und selbst wenn vermeintliche Fakten in einer solchen Informationsumgebung zur Verfügung stehen, wird es erfahrungsgemäß nicht lange dauern, bis jemand sie in Frage stellt. Woher wissen Sie da noch, was stimmt? Oder besser noch: woher weiß ich es? Wer bin ich überhaupt? Während Sie diese Zeilen lesen, mögen Sie sich fragen, woher ich die Gewissheit nehme, die oben genannten, durchaus kontroversen Themen so salopp ansprechen zu können.

Hier ist eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache: Sollten Sie erahnen, dass meine Meinung dazu stark von Ihrer abweicht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dem Autor – mir – misstrauen und sich einer anderen Informationsquelle zuwenden. Medienpsychologen sprechen hierbei zum einen von dem Phänomen der „Selective Exposure“ – was bedeutet, dass man sich bevorzugt denjenigen Informationsquellen aussetzt, die das eigene Weltbild reflektieren. Hinzu kommt der menschliche Hang zur selektiven Wahrnehmung: man nimmt diejenigen Inhalte wahr, die man ohnehin schon glaubt. Das digitale Zeitalter amplifiziert diese Tendenzen.

In den USA erleben wir derzeitig bereits eine fortgeschrittene Phase der sogenannten Medienfragmentierung: Hier haben sich längst gesellschaftspolitische und kulturelle Lager rund um die jeweils bevorzugten Informationsquellen gebildet. Nischenangebote, die sich einst in Abgrenzung und Konkurrenz zu etablierten Nachrichtenformaten bildeten, haben sich dort als Massenmedien etabliert. Was als „wahr“ gilt und was nicht, hängt nun nicht mehr nur von dem jeweiligen Medium ab, sondern von einem ganzen Informationsuniversum, einem kulturellen Umfeld, einem politischen Habitus.

Gewiss, es gibt enorme strukturelle Unterschiede zwischen den Verhältnissen dies- und jenseits des Atlantiks. Genannt seien zum einen die mächtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk Institutionen, aber auch die hiesige, zwar kriselnde, aber dennoch weiterhin bestehende Presselandschaft. Auch scheint das Spektrum an institutioneller Expertise (vorrangig geprägt durch Parteien, Stiftungen und Hochschulen) in Deutschland nicht einmal annähernd so politisiert und ideologisch gespalten, wie dies derzeit in den USA der Fall ist.

Neue Anreize der Medienkritik

Aber dennoch: vom Propagandakrieg, der derzeit über dem ukrainischen Staatsgebiet wütet, über die Eurokrise oder TTIP bis hin zu den Debatten rund um Einwanderung und Integration: auch hierzulande haben sich tiefe Klüfte aufgezeigt, in denen etablierte Nachrichtenquellen von breiten Teilen der Bevölkerung als mangelhaft bis ungenügend eingestuft und durch Alternativquellen ersetzt wurden. Bei der einen mag dies die internationale Presse sein, bei dem anderen Foren oder Blogs – manche mögen sich ganz ausklinken und ihr Bedürfnis an Neuigkeiten durch Unterhaltung und soziale Kontakte befriedigen.

Nicht jeder, der auf die Tagesschau verzichtet, wird zum Pegida-Anhänger und/oder Klimawandelleugner. Im Gegenteil: das Monopol der Meinungsmacher „da oben“ ist möglicherweise kein Hirngespenst von „da unten,“ sondern nur eine unscharf gezeichnete Vereinfachung komplexer, institutionell bedingter und historisch gewachsener Machtgefüge, deren sichtbarste Angriffsfläche die Verlautbarungsmaschinerie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist. Diese Mechanismen werden heute um so deutlicher, nicht nur weil nun alternative Quellen existieren, sondern weil sich zeigt, dass hier Anreize zur kontinuierlichen Medienkritik entstehen: oftmals sind diese Anreize doppelter Natur, da Metanachrichten (also Kommentare zur Berichterstattung anderer) unaufwendig produzierbar sind und weil man zeitgleich die unmittelbare Konkurrenz diskreditiert.

Der eine oder andere populistische Rhetoriker wusste dies bereits zu nutzen. Schriften, die in unterschiedlichem Vokabular die „Korruption“ der „Lügenpresse“ ansprechen und angeblich erklären, verkaufen sich anscheinend gut. (Spoiler: Die Medien lügen, weil sie korrupt sind und sind korrupt, weil sie lügen). Einzelne Blogs zu verwandten Themenfeldern mögen vielleicht finanziell nicht unbedingt ein lukratives Geschäft sein, dennoch – und das ist das Bezeichnende – können sie sich über Patenschaften oder mehr oder minder dubiose Werbebanner finanzieren. Hier generieren Alternativparadigmen Alternativinformationen, die sich lange werden halten werden.

Was also tun?

Bei den etablierten Nachrichtenquellen bleiben? Den Journalismus, wie er bisher existierte, künstlich am Leben halten? Wenn’s hilft – warum nicht? Aber a) war auch in der vermeintlich heilen Welt des Print- und Rundfunkzeitalters längst nicht alles Gold, was im Nachhinein fahl glänzt, und b) ist es auf Grund der technischen Entwicklung schlichtweg unrealistisch und eben allgemein auch unerwünscht dorthin zurückzukehren.

Im digitalen Zeitalter schrumpft aber nicht nur die Bedeutung einzelner Nachrichtenquellen, sondern es wächst auch die Verantwortung der Öffentlichkeit, Informationen bewusst zu konsumieren. Hier also ein paar Vorschläge für den bewussten Informationskonsum im digitalen Zeitalter:

  1. Es empfiehlt sich eine ausgewogene Balance verschiedener Quellen zu bewahren. Niemand kettet Sie an das vermeintliche Monopol der Leitmedien – aber versuchen Sie doch auch, dieses nicht durch ein Monopol der möglicherweise noch viel schlimmeren „Lügenblogs“ zu ersetzen.
  2. Sollte Ihnen ein Thema wirklich wichtig sein, dann nehmen Sie sich die Zeit, um mehr darüber rauszufinden. Eine Schnellsuche bei Googlebooks oder Amazon genügt nicht – denken Sie daran, dass sensationell klingende Behauptungen Klickzahlen erhöhen, Bücher verkaufen und Suchalgorithmen aktivieren – wahrer werden sie dadurch nicht. Verschaffen Sie sich selbst einen Überblick zur Forschungslage und lernen Sie die diversen Perspektiven kennen! Schauen Sie hierzu in wissenschaftliche Archive und Fachjournale – nur keine falsche Scheu! Das klingt aufwendig. Ist es auch. Daran werden auch innovative Apps oder Glasfaserleitungen nichts ändern.
  3. Bauen Sie sich eine kritische Heuristik auf. Nicht nur gegenüber der jeweiligen Nachrichtenquelle, sondern gegenüber Ihren eigenen Gedanken: Warum halten Sie etwas für wahr oder unwahr? Wie ist ihr ganz persönlicher, innerer Algorithmus aufgebaut, der darüber entscheidet, wem Sie vertrauen, was Sie lesen und möglicherweise weiterleiten? Es besteht kein Zweifel daran, dass Sie selektiv wahrnehmen – wir alle tun das. Aber nach welchem Muster? Das ist die Frage, die Sie sich stellen können, um mögliche Fehlinformationen zu umschiffen.
  4. Vermeiden Sie polarisierte Grabenkämpfe. Wo verfestigte Meinungen aufeinanderprallen, florieren Vereinfachungen und strategisch motivierte Fehlinformationen. Haben Sie sich einmal öffentlich zu einer Seite bekannt, wird es Ihnen schwer fallen, sich davon wieder loszusagen – auch wenn die Fakten es eigentlich verlangen würden.
  5. Vermeiden Sie rechts-konservatives Gedankengut! Nicht etwa, weil eine bestimmte politische Haltung grundsätzlich zu vermeiden sei und die Mitte immer Recht hätte. Aber wenn es um die Vermeidung von Unwahrheiten und Fehlinformation geht, sind Selbstreflexion und nicht-strategisch motivierter Dialog nach wie vor die besten Mittel. Die historische Erfahrung lehrt, dass diese zwei Techniken auf der Rechten des politischen Spektrums deutlich seltener anzutreffen sind (auf der Linken müsste man sich, um eine vergleichbare Entdeckung zu machen, in deutlich extremere Gefilde begeben.) Findet sich auf ihrem Lieblingsblog beispielsweise die Warnung vor einer Weltverschwörung gegen männliche Blogger mittleren Alters, den Gefahren der Überfremdung oder dem Unheil der Frauenquote – dann handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um ein Medium, das eine ideale Sprechsituation nach den Prinzipien von Jürgen Habermas ermöglicht.
  6. Wo wir gerade beim Thema sind: Lesen Sie Habermas! Das ist anstrengend und zeitaufwendig und hält somit davon ab, gleichzeitig unachtsam durch die Untiefen des Netzes zu surfen.

11 Ergänzungen

  1. Da nirgends das Attribut „Glosse“ auftaucht, dürfte das der schlechteste Artikel sein, dem ihr je eine Plattform geboten habt. Kritik beibringen wollen und dabei die eigenen Regeln ignorieren.

    1. Tut uns leid, dass Du das so wahrnimmst. Der Artikel ist ausdrücklich als Gastbeitrag gekennzeichnet und es wird sehr, sehr schnell ersichtlich, dass es sich um einen Essay und nicht um eine News-Meldung handelt. Zudem ließen sich einige Passagen auch gegen uns auslegen, wenn man so wollte, aber solcher (potenzieller) Kritik stellen wir uns gerne.

    2. Ui, und das ist sicher der konstruktivste Kommentar, denn ich hier seit längerem gelesen habe …

      Woran genau hast du denn Anstoß genommen?

      1. Oh Gott, Ironie-Tag vergessen. Nachher fühlt „Bernd Fachinger“ sich in seiner grundlos beleidigenden, inhaltsleeren „Kritik“ des durchaus nicht schlechten Artikels (die sehr mehr über ihn als über letzteren sagt) noch gelobt. Das wäre absolut nicht meine Absicht.

  2. Zustimmung und Dank. Ein sehr schöner und außergewöhnlicher Artikel (finde ich).

    Trotzdem sollte man tiefer bohren. Wie kommt das? Was ist wahr und was ist falsch und wieso haben Computer damit solche Probleme?

    Ist das ein generelles Problem? Sind hinreichend große Informationssysteme vertrauenswürdig? Entstehen Fehler vielleicht unabhängig von der Qualität der vorhandenen Informationen, wohl aber abhängig von deren Quantität?

    Dieser Effekt der Gerüchte und Verschwörungstheorien tritt durchaus bei scheinbar objektiven Datensammlungen auf. Die Daten von Geheimdiensten und Polizei, ja sogar die der Wissenschaft weisen eine grundsätzliche Fehlerquote auf. Eine Art „Metastudienmentalität“ propagiert diese Fehler. Beim Data Mining und besonders bei der Kombination von Datenbanken/Informationssystemen ist das geradezu Prinzip.

    Oftmals, etwa in der Werbeindustrie, spielen diese Fehler von Big Data keine Rolle. Das mittelt sich aus. Doch wenn man nicht in die USA einreisen darf, dann wird es kritischer. Und ganz dumm, wenn eine Drohne sich an einem Handysignal orientiert, weil die Datenbank das „so sagte“.

    Medienkompetenz ist eine Sache. Dafür bin ich verantwortlich. Wenn die Grenzen der Berechenbarkeit jedoch prinzipielle Auswirkungen haben, dann empfinde ich „die Bedeutung einzelner Nachrichtenquellen“ als sekundär. Es gilt nicht nur, dass Papier (und Internet) geduldig sind. Es gibt, dass propagierte Informationen grundsätzlich fehlerbehaftet sind. Es ist wie bei der stillen Post…

    Da ist das hier nur lustig. Nur lustig?
    http://www.1337core.de/google-now-denkt-ich-will-nach-praia/

  3. „Nicht jeder, der auf die Tagesschau verzichtet, wird zum Pegida-Anhänger und/oder Klimawandelleugner. Im Gegenteil: das Monopol der Meinungsmacher „da oben“ ist möglicherweise kein Hirngespenst von „da unten,“ sondern nur eine unscharf gezeichnete Vereinfachung komplexer, institutionell bedingter und historisch gewachsener Machtgefüge, deren sichtbarste Angriffsfläche die Verlautbarungsmaschinerie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist.“

    Das ist aber eine sehr apologetische Beschreibung unserer Medienlandschaft. Das Monopol der Meinungsmacher ist nicht nur möglicherweise, sondern erwiesenermaßen kein Hirngespinst, sondern ein Faktum, dass sich anhand der antirussischen Propaganda der vergangenen Monate mühelos und vielfältig belegen lässt.

    Ansonsten, schöner Artikel. Medienkompetenz ist in der Tat vielleicht die wichtigste Fähigkeit im Informationszeitalter, sie zu erwerben aber ein verflixt dickes Brett. Ich bin noch im Lernprozess. Ich fürchte, er wird ein Leben lang dauern.

    1. Man darf halt nur aus dem Monopol der Meinungsmacher den Schluss ziehen, dass damit automatisch das einem angenehmer erscheinende Gegenteil in einer Art Automatismus zur Wahrheit werden würde. Dazu wird grade inbesondere im rechten Spektrum tendiert.

      1. Da fehlt ein „nicht“ im ersten Satz.
        Ja richtig, das ist genau das „Lügenpresse“-Problem. Wer alles für erlogen hält, nur weil es in der Zeitung stand, entwickelt notwendig ein sehr verqueres Weltbild. Die Schuld daran liegt nur zum Teil bei den Medien, die durch tendenziöse Berichterstattung ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt haben. Auch der Rezipient trägt Verantwortung dafür, was er für wahr hält und was für gelogen. Und dann gibt es natürlich immer diejenigen, die aus der Verunsicherung und Frustration politisches Kapital schlagen möchten…

  4. „Wo wir gerade beim Thema sind: Lesen Sie Habermas! Das ist anstrengend und zeitaufwendig und hält somit davon ab, gleichzeitig unachtsam durch die Untiefen des Netzes zu surfen.“

    das diese zirkelschlüßige sozialmoraltheologie immer noch in manchen kreisen als wissenschaft kursiert ist kaum zu glauben.
    der gute rat die bibel zu lesen wäre methodologisch gleichwertig.

    kann mich herrn fachinger nur anschließen.

    1. Wieso?

      Ich finde es nicht falsch, über Demokratie und Selbstbestimmung nachzudenken. Das Thema „Refeudalisierung der Öffentlichkeit“ scheint mir sehr aktuell. Die Frage, wovon wir sagen dürfen, etwas sei „Wahr oder Falsch“, scheint mir grundlegend (siehe aber auch Popper).

      Habermas ist definitiv lesenswert. Das man nicht alles glauben muss und das Wissen darum, dass auch Philosophen und Soziologen Meinungen ändern/entwickeln können, hat etwas mit Medienkompetenz zu tun.

      Die Kritik an dem Artikel oben, die sehe ich nirgendwo begründet. Die Literaturempfehlung nehme ich dankbar an.

      (tl;dr übersetzt: Leute, wenn Euch das nicht gefällt oder wenn ihr in einer anderen Liga spielt, dann müsst ihr das nicht lesen. Macht es einfach besser!)

    2. Hat einen Satz herausgesucht und sich dann einem beim besten Willen, schon gar als „Kritik“, nicht ernstzunehmenden Negativkommentar angeschlossen. Gratuliere. Ist da jemand auf euer Weltbild getreten?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.