Olfaktorische Ermittlungen und Gefahrenabwehr: Technische Sensoren sollen Einsatz von Hunden überflüssig machen

Unter Mithilfe des BKA will das EU-Sicherheitsforschungsprojekt SNIFFER Personenspürhunde überflüssig machen.
Unter Mithilfe des BKA will das EU-Sicherheitsforschungsprojekt SNIFFER Personenspürhunde überflüssig machen.

Vor allem bei größeren Polizeieinsätzen werden Diensthunde mitgeführt, die gewöhnlich zur Einschüchterung und Kontrolle von Menschenmengen genutzt werden. Andere Aufgaben der Tiere bestehen im Schutz von Polizeikräften, aber auch dem Verfolgen von Spuren. Hunde haben eine wesentlich größere Riechschleimhaut als Menschen.

Normalerweise können die Spürhunde aber keinem Geruch einer bestimmten Person folgen. Hierfür werden sogenannte Personenspürhunde (Mantrailer-Hunde) trainiert, die verschiedene menschliche Gerüche voneinander unterscheiden können.

Personenspürhunde zur Suche nach Vermissten und an Tatorten

Nach Angaben der Bundesregierung verfügt beispielsweise das Technische Hilfswerk (THW) über solche speziell ausgebildeten Tiere für die Suche nach „abgängigen Personen“. Es handelt sich um Pilotprojekte der Ortsverbände Marburg und Saarbrücken. Entsprechende Einsätze zur Suche nach Vermissten steigen seit 2012 deutlich an, 2013 wurden 106 Einsätze verzeichnet. Die Hunde des THW werden angeblich nicht im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen oder zur Strafverfolgung eingesetzt.

Personenspürhunde werden aber auch von Polizeibehörden an Tatorten eingesetzt, um zu ermitteln in welche Richtung sich TäterInnen vermutlich entfernt haben. Dann können weitere Ermittlungen angestellt werden, etwa indem Bilder von Überwachungskameras angefordert werden. In Berlin wurden solche Einsätze bekannt, nachdem Anschläge auf Signalanlagen der S-Bahn oder auf Mobilfunkmasten verübt worden waren. Damals waren die Hunde von einem Hubschrauber der Bundespolizei zu einem Tatort gebracht worden.

Polizeiliche Bundesbehörden verfügen über keine eigenen Personenspürhunde, sondern nutzen meist Hunde von privaten Anbietern oder von Landeskriminalämtern. Das Bundeskriminalamt (BKA) und der Generalbundesanwalt haben die Schnüffelnasen vergleichsweise selten angefordert: Seit 2009 seien in 20 Fällen Personenspürhunde eingesetzt worden. Für Einsätze der Landesbehörden existieren keine entsprechenden Übersichten (Nachtrag: Die Berliner Piratenfraktion hat im Sommer Zahlen zu Mantrailer-Hunden des Innensenats abgefragt; demnach werden diese seit 2009 trainiert und kommen seit 2012 in rund 20 Fällen pro Jahr zur Strafverfolgung zum Einsatz). Obwohl das BKA über keine eigenen Hunde verfügt, werden regelmäßig internationale Polizeibehörden (vor allem in afrikanischen Ländern) in der Führung von Diensthunden ausgebildet. Es ist unklar, inwiefern dies den Einsatz von Personenspürhunden umfasst.

NRW entwickelte Verfahren mit „Geruchspurenvergleichshunden“

Geruchsproben seien laut dem früheren IM Schäuble ein “probates Mittel, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren”.
Geruchsproben seien laut dem früheren IM Schäuble ein „probates Mittel, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren“.

Personenspürhunde können aber auch unter Laborbedingungen eingesetzt werden. Dies war rund um die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 bekannt geworden. Damals hatte die Generalbundesanwaltschaft wenige Wochen vor dem Gipfel bundesweite Razzien angeordnet. Fünf Betroffene mussten Geruchsproben abgeben, was in der internationalen Öffentlichkeit Assoziationen mit Stasi-Methoden auslöste.

Für das Abnehmen der Proben mussten die Fünf also für mehrere Minuten Vierkantröhrchen aus Edelstahl festhalten. Diese Röhrchen werden in Glasbehältern verwahrt, die Gerüche dann auf „Vergleichsspurenträger“ übertragen. Die Proben wurden mit „Geruchspurenvergleichshunden“ verarbeitet. Die Maßnahme war durch den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als „probates Mittel, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren“ bezeichnet worden.

Solche Einsätze von „Geruchspurenvergleichshunden“ sind in Richtlinien des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen niedergelegt. Das Bundesland war 1988 das erste, das die Methode einsetzte. Nachdem das „Geruchsspurenvergleichsverfahren“ in den Niederlanden weiterentwickelt wurde, ist es mittlerweile bei Polizei und Justiz anerkannt.

Sechs Vergleichspersonen und drei erfolgreiche Durchläufe für positiven „Geruchspurenvergleich“

In den Richtlinien aus NRW heißt es, dass ein „Geruchspurenvergleich“ kein Beweismittel sein kann, bei korrekter Durchführung aber eine hohe Aussagekraft besitze. Dabei machen sich die Behörden das einmalige menschliche Geruchsbild zunutze, dessen Entstehung bislang nicht durchweg erforscht ist. Angenommen wird, dass genetische und umweltbedingte Faktoren den „individuellen Eigengeruch“ erzeugen. Über Körperflüssigkeiten (vor allem Schweiß) überträgt sich dieser Geruch auf Gegenstände. Gut trainierte Hunde können diese Gerüche aus Duftgemischen wahrnehmen und wiedererkennen. Als Vergleich wird in der Richtlinie das menschliche Wiedererkennen eines Bildes bemüht, das ähnlich wie beim Hund keine besondere Gedächtnisleistung erfordere.

Festgelegt ist, dass mindestens sechs weitere Personen (gewöhnlich PolizistInnen) an einem „Geruchspurenvergleich“ teilnehmen müssen. Aus den insgesamt sieben Personen sollten die Hunde dann den identischen Geruch am Beweisstück (der „Ausgangsspur“) erschnüffeln. Unabdingbar ist, dass sich die Verdächtigen und die Vergleichspersonen zuvor nicht begegnen. Die sieben „Spurenträger“ werden gleichmäßig verteilt, die Reihenfolge muss ausgewürfelt werden.

Dann kommen die unangeleinten Hunde zum Zuge. Zunächst schnüffeln sie lange am Beweisstück. Wird eine Übereinstimmung mit einem „Vergleichsspurenträger“ gefunden, soll dies vom Tier durch Kratzen oder Beißen angezeigt werden. Erst wenn zwei weitere Hunde zum gleichen Ergebnis kommen, gilt ein Test als positiv.

Keine identischen „Duftkopien“ bei Bekennerschreiben

Die Gerüche der Verdächtigen wurden mit „Duftkopien“ von Bekennerschreiben abgeglichen – erfolglos. Die Hunde Sunny, Skip, Branca, Pepper und Zoey konnten keine Übereinstimmungen ermitteln. Das bedeutete aber nicht, dass die Betroffenen fortan als unschuldig angesehen wurden: In den Ermittlungsakten hieß es, die „Geruchsspur“ sei womöglich zu schwach gewesen oder aber es hätten sich gleich mehrere Gerüche auf dem Beweismittel befunden. Womöglich habe „der/ die Täter z.B. neuwertige Handschuhe“ benutzt.

„Geruchspurenvergleiche“ sind nicht auf schwere Straftaten beschränkt. Sie müssen nicht durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden, eine Mitteilung genügt. Für die Durchführung der Vergleiche bemüht das Bundesinnenministerium den § 81b der Strafprozessordnung. Demnach dürfen für die Durchführung des Strafverfahrens oder des „Erkennungsdienstes“ Lichtbilder, Fingerabdrücke und „ähnliche Maßnahmen“ auch gegen den Willen des Beschuldigten an ihm vorgenommen werden. Darunter fällt aus Sicht der Behörde auch die Entnahme von Geruchsspuren.

Sofern nicht anders angeordnet, werden Geruchsproben laut dem Bundesinnenministerium „fachgerecht gelagert“. Beim BKA sind dies die für „Asservatenlagerung und -handhabung zuständigen Stellen“. Die zum G8-Gipfel genommen Geruchsproben hätten demnach auf Anweisung des Generalbundesanwalts vernichtet werden sollen. Ob dies tatsächlich erfolgte ist aber unklar, denn die Ermittlungsverfahren wurden an Bundesländer abgegeben. Anscheinend hat es sich damals um eine Art Pilotprojekt gehandelt: Das BKA hat angeblich nur in zwei weiteren Fällen Geruchsproben entnommen.

Technische Sensoren bei Großereignissen

Die Nutzung von Personenspürhunden ist mit hohem Aufwand verbunden. Die Hunde müssen trainiert werden, sind teuer im Unterhalt und in längeren Einsätzen schnell ermüdet. Kein Wunder also, dass in unterschiedlichen Verfahren versucht wird ihre Fähigkeiten durch technische Mittel zu ersetzen. Dabei geht es nicht nur um Körpergerüche, sondern die allgemeine Detektion gefährlicher Stoffe. Diese werden gewöhnlich als „CBRN-Stoffe“ bezeichnet (chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear).

CBRN-Sensoren werden für Einsätze bei polizeilichen Großlagen optimiert.
CBRN-Sensoren werden im EU-Projekt IMSK für Einsätze bei polizeilichen Großlagen optimiert.

Von polizeilichem Interesse sind dabei neben Drogen solche Stoffe, die zur Herstellung von Spreng- oder Brandsätzen genutzt werden können und in kleinsten Spuren nachweisbar sind. Auch „Gaswolken“ können aufgespürt werden. Einer der bekanntesten Hersteller entsprechender Geräte, die deutsche Firma Bruker, wirbt damit dass auch der Alkoholgehalt in der Luft gemessen werden kann. Ausweislich einer Produktbeschreibung kam ein solches System bereits in einem Stadion in Stuttgart (vermutlich testweise) zum Einsatz. So können Sicherheitsbehörden etwa alkoholisierte Fans aufspüren.

Bruker behauptet, dass Sensoren der Firma bereits bei der Fußballweltmeisterschaft 2006, aber auch bei NATO- und G8-Gipfeln eingesetzt worden sind. Dies wird vom Bundesinnenministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt. Demnach seien „Massenspektrometer und Infrarot-Fernerkundungsgeräte“ von Bruker aufgestellt worden. Sie seien von der „Analytischen Task Force“ angefordert worden, wobei unklar bleibt ob damit entsprechende Abteilungen von Berufsfeuerwehren oder des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gemeint sind. Bei „hochrangigen Staatsbesuchen, Regierungskonsultationen oder multilateralen Konferenzen“ werden auf Veranlassung des BKA die Aufenthaltsräume von Staatsgästen meist mit entsprechenden Messgeräten untersucht.

BKA forscht zum Aufspüren von „Brandlegungsmitteln“ und Drogen

Bei den Polizeien des Bundes sind diverse ähnliche Geräte im Einsatz, um damit „Explosivstoffe und Drogen“ aufzuspüren. So werden im BKA derzeit 23 Massenspektrometer eingesetzt, die auch zur Untersuchung von „Brandlegungsmitteln“ zum Einsatz kommen. Es handelt sich um stationäre Anlagen. Mobile Massenspektrometer seien bislang nur getestet worden. Außerdem nutzt das BKA sogenannte Ionenmobilitätsspektrometer und Gaschromatographen. Um Brandspuren an Tatorte zu sichern, kommt ein Photoionisationsdetektor zum Einsatz.

Mobiler Massenspektrometer in LOTUS.
Mobiler Massenspektrometer in LOTUS.

Bruker hat bis 2013 am von der EU-Kommission geförderten Forschungsprojekt LOTUS teilgenommen. Ziel war die Entwicklung eines „Werkzeuges gegen Terrorismus“, indem CBRN-Bedrohungen in städtischer Umgebung aufgespürt werden. Die dort beforschte Plattform wird als „integriertes Überwachungssystem“ bezeichnet, indem ein bestimmter Ort permanent auf „chemical hotspots” kontrolliert wird. Auch das Auffinden von „illegalen Laborumgebungen“ wird untersucht. Hierzu gehören demnach „Bomben- oder Drogenfabriken“. Laut dem Bundesinnenministerium hat auch das Kriminaltechnische Institut des BKA an LOTUS als behördlicher Endanwender teilgenommen. Das Amt interessiert sich also für die Ergebnisse.

Viele von der EU-Kommission geförderte Projekte gehen auf einen „CBRN-Aktionsplan“ von 2009 zurück, der die Stärkung der chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Sicherheit verfolgte. Die Bundesregierung bezeichnet dessen Fokus als die „Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen hervorgerufen durch hochriskante CBRN-Stoffe sowie die Eindämmung etwaiger Folgen“. Angeblich hätten die Forschungen nicht das Ziel, Gerüche oder Spuren von Personen zu verarbeiten. Sie dienten auch nicht vorwiegend zur Strafverfolgung, sondern zur Gefahrenabwehr.

Drei Projekte zum Ersatz von Personenspürhunden

Unter Mithilfe des BKA will das EU-Sicherheitsforschungsprojekt SNIFFER Personenspürhunde überflüssig machen.
Unter Mithilfe des BKA will das EU-Sicherheitsforschungsprojekt SNIFFER Personenspürhunde überflüssig machen.

Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn gleich mehrere Projekte widmen sich dem Ersatz von Personenspürhunden und machen dies bereits in ihrem Namen deutlich. Hierzu gehört das Vorhaben DOGGIES, das „Terrorismus, Menschenhandel, Schmuggel“ durch die Detektion von Gasen bekämpfen soll. Ein Mitarbeiter des BKA an den EU-Projekten SNIFFER und SNIFFLES teilgenommen – angeblich aber nicht im dienstlichen Auftrag. In SNIFFER werden Gerüche zur Grenzsicherung verarbeitet. „Olfaktorische Sensoren“ sollen „Personen, illegale Substanzen und insbesondere Sprengstoffe“ detektieren. Das Projekt wurde bereits bei der EU-Grenzagentur Frontex in Warschau vorgestellt.

SNIFFLES verfolgt ein ähnliches Ziel. Das Vorhaben soll die Fähigkeiten von Personenspürhunden mit Massenspektrometern ergänzen. Alle EU-Mitgliedstaaten sollen sich am Aufbau einer Datenbank mit bekannten Substanzen beteiligen, die dann bei Bedarf durch besondere Anlagen erschnüffelt werden können. Die Geräte sollen auch miniaturisiert werden können, also mobil sein. Dann sollen sie Dienste der „nationalen Sicherheit und Grenzkontrolle“ eingesetzt werden.

Und hier landen wir wieder bei den dubiosen Geruchsproben von Heiligendamm. Denn im August hat die EU das neue Rahmenforschungsprogramm „Horizon 2020“ gestartet. Im Sicherheitsbereich findet sich der Vorschlag für den Aufbau einer EU-weiten Datenbank für Atemrückstände. Die Daten sollen demnach an Tatorten gesammelt werden, um sie dann für polizeiliches „Profiling“ nutzen zu können.

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