Hochfliegendes Abhörsystem ISIS: Verteidigungsministerium schießt nach eigener Aussage nicht mit Geld

"Winning the intelligence battle" - Aus der Broschüre eines ebenfalls von der Bundeswehr geprüften fliegenden Spionagesystem aus Israel.
„Winning the intelligence battle“ – Aus der Broschüre eines ebenfalls von der Bundeswehr geprüften fliegenden Spionagesystem aus Israel.

Vorgestern hatten wir über die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage zur Drohne „Euro Hawk“ berichtet. Das hochfliegende unbemannte Luftfahrzeug sollte ein Abhörsystem befördern, das von EADS (jetzt Airbus Group) entwickelt wurde und den Verteidigungshaushalt bereits 270 Millionen kostete. Die Rede ist vom „Integrierten SIGINT-System” (ISIS), das jeden Funkverkehr abhören und sogar Strahlung von Mikrowellen im Haushalt auffangen kann. Das Gerät muss dabei nicht unbedingt über dem Zielgebiet kreisen, sondern kann auch von benachbarten Ländern operieren.

Durch die Anfrage kam heraus, dass der Bundeswehr damit allerdings noch keine serienreife ISIS-Plattform zur Verfügung steht, sondern lediglich ein einmaliger Prototyp. Das war dem zuständigen Verteidigungsausschuss so deutlich anscheinend noch nicht kommuniziert worden. Stattdessen heißt es jetzt, dass für die Serienreife weitere Mehrkosten in Höhe von 255 Millionen Euro veranschlagt werden.

SPD und Grüne hatten nach dem Debakel um den „Euro Hawk“ darauf gedrungen, das ISIS auch ohne Drohne möglichst schnell einsatzbereit zu machen. Notfalls solle das Abhörsystem in andere, auch bemannte Flugzeuge eingerüstet werden.

Preissteigerung angeblich wegen „Inflation“

Die Abgeordnete Katja Keul hatte die Angelegenheit deshalb gestern in der Fragestunde des Bundestages noch einmal thematisiert. Wie üblich war der Informationsgehalt zunächst gering, im Prinzip wiederholte der Staatssekretär Ralf Brauksiepe die Frage mit eigenen Worten und gab dies als Antwort aus.

Erhellend waren dann erst die Nachfragen. Keul wies zunächst darauf hin, dass sie Ministerin Ursula von der Leyen gestern im Verteidigungsausschuss auf die zusätzlichen 255 Millionen Euro ansprach, diese habe die Zahl aber gar nicht gekannt.

Brauksiepe erklärte anschließend, wie es aus seiner Sicht zur Kostenexplosion des ISIS gekommen sei. Es handele sich demnach im Wesentlichen um „Preissteigerungen, wie es sie auch in anderen Bereichen gibt“. Inflation sei beispielsweise „kein Grund, ein Unternehmen zu verklagen“. Außerdem habe die Bundesregierung 2010 davon gesprochen, dass rund 330 Millionen Euro für das ISIS ausgegeben würden.

Vereinfacht gesagt: Die Kosten haben sich laut Brauksiepe in vier Jahren gar nicht verdoppelt, sondern stiegen lediglich um den Faktor 1,6. Außerdem werde weiter verhandelt, man befinde sich „in entsprechenden Gesprächen mit der Industrie“. Erst wenn es einen unterschriftsreifen Vertrag gebe, wende man sich an den Haushaltsausschuss des Bundestages.

Viertelmilliarde für Flugzeug, das nicht fliegt, und Viertelmilliarde für Aufklärungstechnologie, die nicht funktioniert

Wie absurd die Ausreden sind bringt Katja Keul in einer weiteren Nachfrage auf den Punkt:

Ich stelle mir gerade vor, was geschehen würde, wenn so etwas im privaten Bereich passierte. Sie haben an die EuroHawk GmbH eine Viertelmilliarde Euro für ein Flugzeug gezahlt, das nicht fliegt, und eine Viertelmilliarde für eine Aufklärungstechnologie, die ebenfalls noch nicht funktioniert und die Investition des doppelten Betrags benötigt, bis sie auch nur ansatzweise fertig entwickelt ist. Sie haben des Weiteren keine Schadensersatzansprüche gegen EADS geltend gemacht, weil der Vertrag offensichtlich so schlecht ist, dass Sie Angst haben, dass er möglicherweise vor Gericht nicht besteht. Jedenfalls heißt es, die Prozessrisiken seien zu hoch. Jetzt will man also diesem Auftragnehmer mit diesem Vertrag noch einmal eine Laufzeitverlängerung mit Kosten von 250 Millionen Euro geben. Ich frage Sie: Wird man diesen Vertrag dann endlich um eine effektive Gewährleistungsklausel ergänzen? Oder will man hier EADS weiter das Geld hinterherschießen?

Brauksiepe dazu:

Frau Kollegin, den Vorwurf, dass wir jemandem Geld hinterherschießen, weise ich namens der Bundesregierung entschieden zurück. Es macht, glaube ich, Sinn, sich etwas tiefer mit der Materie zu beschäftigen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.