Hessischer Landtag stellt Gebärdensprachdolmetscher-Livestream ein: Wegen 15.000 Euro Kosten pro Sitzung (Update)

15.000 Euro kostet den Hessischen Landtag anscheinend der Livestream einer Sitzung. Das möchte man jetzt einsparen, weil nur 120 Nutzer den sich anschauen: Landtag schaltet Livestream ab.

Wie die CDU mitteilte, kostet der Livestream 15.000 Euro pro Plenarsitzung. Anschauen würden ihn sich jeweils nur an die 120 Nutzer. Der barrierefreie Livestream hatte jährlich mit 150.000 Euro für die Gebärdendolmetscher zu Buche geschlagen. Künftig sollen die Debatten nun in einem Video-Archiv mit Untertiteln zur Verfügung stehen. Ein Gewinn, wie Holger Bellino parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, urteilte.

Vollkommen unklar ist, warum der Stream bei den wenigen Nutzern 15.000 Euro kosten soll, wenn die Videoaufzeichnung eh gemacht wird, um ein Videoarchiv anzulegen. Wenn man wollte, könnte man das auch über offene Standards bei den Nutzerzahlen kostengünstig auf der eigenen Webseite streamen. Selbst die üblichen kommerziellen Livestream-Anbieter kosten bei den Nutzerzahlen nur ein Bruchteil. Die eigentlichen Kosten entstehen durch Personal und Technik. Das scheint ja vorhanden zu sein.

Update: Die Zahlen in dem Artikel sind leicht irreführend und beziehen sich auf den Echtzeit-Gebärdensprachdolmetscher-Stream. Derselbe Hessische Rundfunk berichtete bereits im Juli andere Zahlen:

Der reguläre Livestream der Plenardebatten ohne Gebärdendolmetscher läuft weiter – vorerst. Denn auch hier lag die Zahl der Nutzer zuletzt offenbar unter den Erwartungen – etwa 1.000 schauten zu. Die Zahl ist nach hr-Informationen eher rückläufig als steigend. Bereitgestellt wird der Livestream der Plenardebatten vom Radiosender FFH, der dafür vom Landtag jährlich 6.000 Euro erhält. Ende Januar 2015 läuft der Vertrag zwischen dem Sender und dem Landtag aus.

1000 Zuschauer im Stream sind sicher immer noch mehr und eine Bereicherung für die Telhabe an Demokratie als Zuschauer vor Ort.

8 Ergänzungen

  1. Selbst wenn man die Kosten für die Gebärdensprachdolmetscher mitrechnet, kann das nicht hinkommen. Kleben die an jedes IP-Paket einen Diamanten? – Ein Gewinn ist das auf keinen Fall, denn Untertitel können einen Gebärdensprachdolmetscher für Gehörlose nicht ersetzen.

    Und wenn den tatsächlich nur 120 Nutzer angucken, könnte das ja vielleicht auch an den Debatten-Inhalten und den Redebeiträgen liegen …

    1. Ergänzung:
      … und Untertitel erscheinen auch nicht selbstständig, freiwillig oder weil sie gerade nichts anderes vorhaben.
      Das hierzu notwendige Fachpersonal verursacht ebenfals, genau so wie ein Gebärdensprachdolmetscher, die entsprechenden Lohnkosten.
      Fazit:
      Einerseits kann man froh sein, dass nicht mehr als 120 Behinderte Mitmenschen auf dieses Angebot angewiesen sind und anderseits dokumentiert diese Zahl aus meiner Sicht eher das große Interesse in der Bevölkerung. Sicherlich eine Frage der Sichtweise oder besser der vertraglichen Gestalltung.

      1. Die Überlegung, Gebärdensprache mit deutschen Untertiteln zu ersetzen zeigt auch ein völlig falsches Verständnis von Sprache. Gebärdensprache ist kein deutsch, die Untertitel wären für Gehörlose in einer Fremdsprache. Wie wir das wohl finden würden, wenn unsere eigenen Regierungen Entscheidungen über uns in einer uns fremden Sprache träfen. Wie im Mittelalter, als am englischen Hof Französisch gesprochen wurde, um das Volk auszugrenzen.

      2. @arno: Naja, Deutsch ist nunmal die Amtssprache. Es gibt ja viele Menschen in Deutschland, die hier leben und kein deutsch können. Und auch diese Menschen haben ja berechtigtes Interesse an der deutschen Politik, es würde aber keiner auf die Idee kommen auf einmal Sitzungen in anderen Sprachen zu Dolmetschen. Da fände ich Untertitel durchaus einen guten mittlelweg. Zumal gehörlose ja auch im Alltag mit der deutschen geschrieben Sprache umgehen müssen.

  2. Dann soll es halt der „Hessische Rundfunk“ machen, wofür haben wir denn die öffentlich Rechtlichen.

  3. wir hatten doch in den letzten tsgen diese diskussion über die bertelsmann-studie über das gesunkene interesse an bundestagsdebatten.

    da ging mir durch den kopf, dass ja einige vielleicht auch wie ich deshalb wenig bundestag gucken, weil die gesprächsfuhrung im hohen haus oft so würdelos auf sie wirkt. zwischenrufe, diffamierungen, zur person statt zur sache und überhaupt: die bullshitdichte.

    vielleicht ist das auch eine kluge kampagne zur aufbesserung des öffentlichen bildes vom hessischen landtag, nur haben wir das nicht verstanden. in protokoll und aufbereitung kommt doch alles ganz serös rüber, und berichte über die diskussionskultur scheinen ach so meta.

    dabei ist das der boden, auf dem parlamentarische politik gemacht werden soll.

    .~.

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