Gesetze zum Whistleblowing in der Schweiz werden konkreter, aber nicht besser

Ständeratssaal der Schweiz – CC BY-SA-NC 3.0 via https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:John_Doe

Der Schweizer Ständerat hat am Montag eine Gesetzesvorlage beschlossen, die den Schutz von Whistleblowern regeln soll. Leider ist nicht viel Schutz dazugekommen. Arbeitnehmer, die auf Misstände an ihrem Arbeitsplatz hinweisen befinden sich weiterhin in der Gefahr, einfach entlassen zu werden.

Die Vorlage enthält primär eine Konkretisierung der Umstände, unter denen eine Meldung von Missständen rechtens ist. Das ist bisher Sache der Gerichte in Einzelfällen. Der rechtlich vorgesehene 3-teilige Weg wäre in Zukunft dieser:

  1. Meldung an das Unternehmen muss zuerst erfolgen. Hat dieses eine interne Meldestelle, muss sich der Arbeitnehmer hierhin wenden. Er darf dies nicht anonym tun, es wird jedoch Vertraulichkeit zugesichert. Gegen eine etwaige unrechtmäßige Kündigung aufgrund seiner unbequemen Haltung kann er im Falle eines Falles wenig tun.
  2. Meldung an Behörden ist bei vorhandenem betriebsinternen Meldesystem nur möglich bei Straftaten, Verstößen gegen öffentliches Recht, Kündigung oder anderen erlittenen Nachteilen, bei denen der Arbeitgeber nicht binnen 60 Tagen reagiert. Sie ist nicht möglich bei Lebensgefahr oder drohenden Umweltgefährdungen ebenso wie bei Missständen, die nicht eindeutig als Straftaten definiert und dennoch relevant sind, schlechten Arbeitsbedingungen beispielsweise.
  3. Meldung an die Medien/Öffentlichkeit ist nur dann zulässig, wenn die betreffende, kontaktierte Behörde komplett untätig bleibt und/oder Auskünfte über den Verfahrensstand verweigert. Das bedeutet, selbst wenn die Behörde nur unwirksame Scheinmaßnahmen ergreift, bleibt dem Whistleblower der Gang zu den Medien verwehrt. Das bedeutet eine Verschlechterung der aktuellen Situation, denn statt Einzelfallentscheidungen wird hier eine wichtige Interventionsmöglichkeit per se illegitimiert – ungeachtet der Relevanz des Falles und öffentlichem Interesse. Dominik Strebel von investigativ.ch kritisiert diese Einschränkung und bezweifelt, dass so effektive Kontrolle von Unternehmen und Behörden möglich ist:

    Dieser Maulkorb schreckt Whistleblower ab, wichtige Missstände zu melden

Ein effektiver Kündigungsschutz ist weiterhin nicht vorgesehen. Es könnte zwar festgestellt werden, dass der Betroffene sich korrekt verhalten hat – es sei denn er hätte sich an die Medien gewendet – und demnach eine Kündigung unrechtmäßig erfolgt wäre. Eine Rückgängigmachung dieser könnte er jedoch nicht erwirken. Alles, was ihm an Entschädigung zustünde wäre eine Zahlung von maximal sechs Monatsgehältern.

Es bliebe denjenigen, die nicht schweigen wollen und die nicht bereit oder fähig sind, eine Kündigung in Kauf zu nehmen, nur der Weg zu anonymen Meldestellen. Transparency Schweiz hat dafür eine Liste mit Anlaufstellen zusammengetragen sowie einen Leitfaden mit Handlungstipps [noch für die aktuelle Rechtslage] erstellt.

Noch ist das Gesetz nicht final, erst muss der Nationalrat zustimmen. Doch der Ausgang der Abstimmung im Ständerat zeigt, wie dringend es ist, sich jetzt (nicht nur in der Schweiz) für mehr Whistleblowerschutz einzusetzen. Denn die Schweiz darf sich nicht nur medienwirksam für eine eventuelle Einreise Edward Snowdens einsetzen, sie ist genauso in der Pflicht, der eigenen Bevölkerung das Geben von wichtigen Hinweisen zu ermöglichen.

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Eine Ergänzung

  1. um das zu verstehen sollte man wissen, dass es in der schweiz eigentlich keinen kündigungsschutz für arbeitnehmer gibt. die argumentationslinie läuft deshalb etwas anders als im eu-ausland (und die arbeitslosigkeit ist dtl geringer).

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.