COSI: Das kleine „EU-Innenministerium“ könnte Gesetze vorbereiten und sich vermehrt dem „Terrorismus“ widmen

Wird er zur "grauen Eminenz" des COSI? Der "Anti-Terror-Koordinator" Gilles de Kerchove
Wird er zur „grauen Eminenz“ des COSI? Der „Anti-Terror-Koordinator“ Gilles de Kerchove

Der Vertrag von Lissabon sollte unter anderem die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der „Inneren Sicherheit“ vereinheitlichen. Bis 2009 war diese in der sogenannten „Dritten Säule“ untergebracht, wichtige Entscheidungen konnten nur im Konsens getroffen werden. Nach der Vergemeinschaftung auch der „Inneren Sicherheit“ wurde der „Ständige Ausschuss des Rates für die innere Sicherheit“ (COSI) eingerichtet. Er ist als übergeordnetes Gremium gedacht, um operative Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu koordinieren. Der COSI soll die Einbindung der EU-Agenturen Europol, Frontex, Eurojust, OLAF, CEPOL besorgen. Zu seinen weiteren Aufgaben gehören die Prüfung und Bewertung der allgemeinen Ausrichtung sowie der Zusammenarbeit. Der Ausschuss hat aber auch eine wichtige politische Funktion: Er spricht „Empfehlungen“ für die Beseitigung von Defiziten aus.

Als Themengebiete des COSI wurden die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden, der Schutz der Außengrenzen sowie die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen definiert. Wegen vieler Vorbehalte war seine Arbeit aber vorwiegend auf die „schwere organisierte Kriminalität“ beschränkt. Immer mehr werden aber auch Initiativen zu „Terrorismus“ behandelt.

Pro Halbjahr tagt der Ausschuss dreimal, die Vorbereitungen der Treffen obliegen der jeweiligen EU-Präsidentschaft. Anwesend sind in der Regel MitarbeiterInnen der betreffenden Ministerien aus den Mitgliedstaaten. Für Deutschland nehmen laut der Bundesregierung regelmäßig das Bundesinnenministeriums (BMI), der Leiter der Unterabteilung ÖS I „Polizeiangelegenheiten“ sowie VertreterInnen der Bundesländer teil. Derzeit ist Niedersachsen im COSI vertreten.

Kooperiert mit allen wichtigen Einrichtungen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit

Zu den weiteren Beteiligten operativer und koordinierender Maßnahmen des COSI gehören zahlreiche weitere EU-Einrichtungen: Die European Police Chiefs Task Force (EPCTF), die Leiter der nationalen Europol-Verbindungsstellen (HENUs), die Gemeinsamen Ermittlungsgruppen (JITs) sowie ein Treffen aller Leiter von EU-Agenturen zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit.

Berichte empfängt der COSI unter anderem vom „EU-Antiterrorismuskoordinator“ und der Kommission. Vorgesehen ist eigentlich, dass der COSI auch eine Evaluierungsfunktion wahrnimmt, etwa für Kooperationen mit Drittstaaten oder internationalen Institutionen. Dieser Aufgabe wird der Ausschuss aber nicht gerecht.

KritikerInnen sehen im COSI schon jetzt eine Art „Mini-Innenministerium“. So ist etwa im Fünfjahresplan „Stockholmer Programm“ festgelegt, dass der COSI die von der EU erlassene „Strategie der Inneren Sicherheit“ umsetzen soll. Mit dem Lissabon Vertrag wurde auch der Art. 222 AEUV (die sogenannte „Solidaritätsklausel“) eingesetzt. Mitgliedstaaten sollen sich im Falle von Katastrophen oder Terroranschlägen gegenseitig unterstützen. Dies schließt sowohl den Einsatz Polizei und Geheimdiensten als auch des Militärs ein. Die Bundesregierung regt an, dass im COSI ein Lagezentrum für Maßnahmen nach Art. 222 eingerichtet werden könnte. Zu dessen Aufgaben könnten „Gefahren- und Risikoabschätzungen aus verschiedenen Bereichen (z. B. Terrorismus, organisierte Kriminalität, Katastrophenschutz, Gesundheit, Klimawandel und Umwelt)“ gehören.

Zuarbeit durch Ratsarbeitsgruppen und 18 „Expertengruppen“

Zudem gibt es auf Ebene der EU außerhalb des übergeordneten Gremiums COSI etliche weitere Zusammenarbeitsformen von Polizeibehörden. Dem COSI arbeiten vor allem die sogenannten Ratsarbeitsgruppen zu:

  • Gruppe „Terrorismus“ (TWP): Prüft Initiativen zur „Prävention und Bekämpfung von Terrorismus“. Bei Tagungen tauschen sich die Mitgliedstaaten über „relevante Erfahrungen und Initiativen der einzelnen Länder sowie Informationen über aktuelle terroristische Zwischenfälle“ aus.
  • Gruppe „Zusammenarbeit im Zollwesen“: Ist für die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zuständig. Arbeitet „kontinuierlich an der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Zollbehörden sowie zwischen Zoll- und Polizeibehörden“. Verabschiedet Aktionspläne, Projekte sowie Vorschläge für gemeinsame Zollaktionen.
  • „Strategischer Ausschuss für Einwanderung, Grenzen und Asyl“ (SCIFA): Hat die Aufgabe, die „strategischen Leitlinien für die Zusammenarbeit der EU in den Bereichen Einwanderung, Grenzen und Asyl festzulegen“.
  • Gruppe „Zusammenarbeit in Strafsachen“ (COPEN): Beschäftigt sich mit Gesetzesinitiativen, etwa zur gegenseitigen Rechtshilfe bei Ermittlungen, die Auslieferung und Überstellung Verurteilter und die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen.
  • Gruppe „Informationsaustausch und Datenschutz“ (DAPIX): Beschäftigt sich mit „Themen des Informationsaustauschs und des Datenschutzes“. Hier wird der Bock zum Gärtner: Es geht darum, den Datentausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten zu verbessern. Gleichzeitig soll die „Befolgung aktueller Grundsätze und Regeln für den Schutz personenbezogener Daten“ im Mittelpunkt stehen.
  • „Koordinierungsausschuss für den Bereich der polizeilichen und gerichtlichen Zusammenarbeit in Strafsachen“ (CATS): Bereitet die Arbeit des Rates vor. Fälle der Arbeitsgruppen des Rates werden aus einer „eher strategischen und koordinierenden Perspektive“ besprochen, bevor sie dem Rat vorgelegt werden.
  • Gruppe „Strafverfolgung“ (LEWP): Prüft Initiativen zu strafrechtlichen Ermittlungen und Strafverfolgung. Ihr unterstehen 18 „Expertengruppen“, darunter zu heimlichen Ermittlungsmethoden, Peilsendern, audiovisuellen Abhörtechniken für Polizeispitzel, Polizeihunden, Spezialtruppen oder neuesten Forschungen im Sicherheitsbereich.

Undurchsichtige Kooperationen, wenig parlamentarische Kontrolle

Allerdings werden die Themen „Terrorismus“ oder „schwere organisierte Kriminalität“ auch in Kooperationen außerhalb der EU übernommen. Hierzu gehören die „Counter Terrorism Group“ (CTG) und die „Police Working Group on Terrorism“ (PWGT). Beide sind liebgewordene Einrichtungen aus der Zeit des Kalten Krieges, die auch mit der Inbetriebnahme der EU-Polizeiagentur Europol nicht aufgelöst wurden. Das deutsche Bundesinnenministerium hängt sehr an den undurchsichtigen Netzwerken, die kaum parlamentarisch oder öffentlich kontrollierbar sind.

Nun steht die die Neuausrichtung bzw. Weiterentwicklung des COSI auf der Agenda. Einige Mitgliedstaaten regen an, den COSI weniger mit Terrorismus-Themen zu beauftragen oder wenigstens zu definieren, für welche Aufgabenbereiche eine Zuständigkeit überhaupt einen Mehrwert erzielen würde.

In manchen Mitgliedstaaten sind unterschiedliche Behörden für „Terrorismus“ oder „schwere organisierte Kriminalität“ zuständig. So könnte es zur Folge haben, dass im COSI mehr und mehr Polizeien und Geheimdienste kooperieren. Im Falle Deutschlands könnte so das verfassungsmäßig verankerte Gebot zur Trennung von Geheimdiensten und Polizei verletzt werden.

Bislang ist die Ausarbeitung von EU-Rechtsakten dem „Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten“ (AStV) vorbehalten. Sie werden dann vom Rat der Innenminister weiter betrieben. Zukünftig könnte aber auch der COSI Empfehlungen für Gesetzgebungsverfahren aussprechen.

Bisher beteiligt sich der COSI auch nicht an der Durchführung von Operationen. Das soll sich zwar nicht direkt ändern. Zur Debatte steht aber, Untergruppen oder „Expertengruppen“ einzurichten oder Sitzungen thematisch zu gestalten. Fraglich ist, ob auch die parlamentarische Kontrolle weiterhin als Nebensache behandelt wird. Denn der COSI informiert das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente. Ein direkter Einfluss ist aber nicht vorgesehen.

1 Ergänzungen

  1. Danke für den Beitrag, denn diese Zusammenhänge scheinen nur noch ganz wenig Leuten durchschaubar zu sein.

    Je mehr sich die außen- und innenpolitischen Bestrebungen und Entwicklungen in der EU der Allgemeinheit entziehen, je mehr sich die „Sicherheitsorgane“ der EU verselbständigen und keiner echten und transparenten Kontrolle mehr unterordnen müssen, um so mehr de-legitimieret sich die EU selber. Und fördert die Nicht-Akzeptanz.

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