Die Bundesnetzagentur hatte am 20. September eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie verschiedene Modelle für Netzzugangsschnittstellen vorgestellt hat und zu einer Diskussion aufrief. Es geht vor allem um die Frage, wo das Netz für den Zugangsprovider und damit seine „Hoheit“ über die Infrastruktur endet – vereinfacht: gehört ein Router zum Netz des Providers und kann somit von diesem vorgegeben werden?
Heute, am 6. November, läuft die von der BNA gesetzte Frist zur Diskussion der im Bericht erwähnten Fragen ab, die sich mit den Implikationen der Modelle für Technologieneutralität, Wettbewerbsbedingungen, Nutzerakzeptanz und Netzneutralität befassen. In den letzten drei Tagen veröffentlichten die Free Software Foundation Europe, der Deutsche Konsumentenbund und der CCC ihre Stellungnahmen.
Das Papier der FSFE plädiert für offene Schnittstellen und Spezifikationen am Netzanschluss, die dem Anwender die freie Anbindung eigener Geräte erlauben. Sie machen deutlich, dass Routerzwang den Wettbewerb künstlich zerstört, eine Monokultur der Geräte herbeiführt und damit auch den technologischen Fortschritt behindert. Daraus können auch leichter Sicherheitsprobleme entstehen und Angriffe weitreichendere Folgen nach sich ziehen. Auch Einfluss auf die Netzneutralität und Diskriminierung von Diensten Dritter könnten eine Folge des Routerzwangs sein, da eine intransparente Konfiguration zur Bevorzugung von Diensten des jeweiligen Anbieters führen könnte, ohne dass der Endanwender Kontrolle oder Einblick hat. Vor Veröffentlichung hatte die FSFE bereits einen Brief an die BNA verfasst, über den wir berichtet haben und der auf ihrem Blog nachzulesen ist. Dessen Kernaussage wird im letzten Satz zusammengefasst:
Es muss für den Verbraucher möglich sein, die alleinige Kontrolle über alle Computer nach der TAE-Dose zu haben.
Der Konsumentenbund weist auch auf die inuitive Sicht des Kunden hin:
Dass der Router nicht zum Netz gehört, entspricht nach unserer Auffassung auch der natürlichen Betrachtungsweise der Verbraucher, die davon ausgeht, dass das Netz bis zu TAE-Dose reicht. Schließlich zahlt der Verbraucher dahinter auch den Strom für die Geräte; auch für den Router.
Neben den bereits oben angesprochenen Argumenten legen sie auch eine Berechnung vor, die besagt, dass Mehrkosten in Höhe von 476 Mio. Euro jährlich für Strom entstünden und dazu auch die jeweilige Umweltbelastung, wenn eine vorgeschlagene Lösung umgesetzt würde, derzufolge der Verbraucher nach dem vorgeschriebenen Router einen zweiten, eigenen installieren könne.
Sie verweisen auch darauf, dass es rechtswidrig sein könnte, einen speziellen Router vorzuschreiben und berufen sich dabei unter anderem auf die europäische Richtlinie 88/301/EWG der Kommission vom 16. Mai 1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte:
Die rasche Entwicklung immer neuer Endeinrichtungstypen und die Möglichkeit ihres multifunktionalen Einsatzes machen es notwendig, dass die Benutzer hinsichtlich der Endeinrichtungen eine freie Wahl treffen können, um den vollen Nutzen aus dem technischen Fortschritt auf diesem Gebiet zu ziehen.
In Bezug auf Datenschutzaspekte findet Erwähnung, dass ein Router sehr viele Verbindungsdetails wie MAC-Adressen, genutzte Medien und Endgeräte, aber auch Tagesabläufe und Abwesenheiten des Nutzers erfährt und im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung selbst innerhalb des Hauses anfallende Verbindungsdaten vom Provider gespeichert werden müssten, solange der Router zu dessen Infrastruktur gehört.
Die Stellungnahme des Chaos Computer Club begründet die Notwendigkeit der Gerätehoheit des Nutzers außerdem mit dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Menschen legten auf den eigenen Endgeräten ihre privaten Daten und Gedanken wie in einem Gedächtnis ab und damit zählten diese zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung. Würde nun der Router von Drittparteien kontrolliert, sieht der CCC dieses Recht als verletzt an.
Es bleibt zu hoffen, dass der Einfluss von Providern und kommerziellen Anbietern die Argumente der Verbraucherverbände und anderer NGOs nicht mit deren Marktmacht niederringt und es endlich zu einer abschließenden Klarstellung kommt, dass alles, was nach der Dose kommt, den Provider nichts mehr angeht.
Update: Auch 19 deutsche Hersteller von Informations- und Telekommunikationstechnik haben eine Stellungnahme gegen Routerzwang veröffentlicht, da eine Router-Monokultur verständlicherweise deren Geschäfte gefährdet.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Viel Erfolg!
Der Link hinter
„Stellungnahme des Chaos Computer Club“ ist ewin wenig falsch.
Er hat am Ende *..pdfhttp:/ stehen.
Siehe: http://ccc.de/system/uploads/139/original/routerzwang.pdfhttp:/
Ansonsten danke für den Artikel.
Gruß,
Tuffi
Danke, ist gefixt.
Endlich interessiert sich auch mal jemand für „die inuitive Sicht des Kunden“!
:-)
Das elendige Vodafone versucht wieder mal die Netzneutralität zu zerstören und wieder mal muss die BND mit ihren Regulierungen eingreifen. Wieso verbannt man nicht gleich Abzockanbieter, wie z.B. Vodafone, aus Deutschland. Oder wenigstens, sollte man auf hören diese zu subventionieren.
„…Vodafone versucht wieder mal die Netzneutralität zu zerstören…“
In welcher Hinsicht? Ob ich meinen router verwende oder ein anderen ist doch im Hinblick auf die Netzneutralität egal, oder nicht? Sorgen macht mir vielmehr, dass die dann Zugriff auf mein Netz haben.
…und was ist, wenn der Telekom-Router dann irgendwann „aus Kostengründen“ in die Telekom-Zentrale verlegt wird, „aus Kostengründen“ aber in den USA gehostet wird?