Rat der Europäischen Union rät den Mitgliedstaaten, bei Finanzermittlungen den heimischen Datenschutz zu unterlaufen

Finanzermittlungen sind bei Netzpolitik vorwiegend unter dem Aspekt der Weitergabe von Daten aus Finanztransaktionen an die USA behandelt worden. Die Begehrlichkeiten der US-Behörden und das Gerangel um den Abschluss des SWIFT-Abkommens unter Aushöhlung des EU-Parlaments illustrieren die tatsächliche Bedeutung dieser Daten. Mit ihnen können Abweichungen von Einnahmen und Ausgaben abgeglichen und dadurch Auffälligkeiten aufgespürt werden (die auch in Deutschland in Mode kommende, sogenannte „Al Capone-Methode“).

Im Oktober letzten Jahres hatte der Rat der Europäischen Union einen Bericht mit „Schlussfolgerungen und Empfehlungen“ abgefasst, der Finanzermittlungen einen „proaktiven und präventiven Zusatznutzen“ auch bei anderen schweren Straftaten attestiert. Ihre Anwendung soll ausgebaut werden, um damit „internationale Netze der organisierten Kriminalität zu zerschlagen“. Alle EU-Mitgliedstaaten werden daher angehalten, zur „finanzbezogenen erkenntnisgestützten Polizeiarbeit“ neue Kooperationsformen von Steuerbehörden, Polizeien und dem Zoll aufzubauen:

Finanzermittlungen sollten in allen Fällen schwerer und organisierter Kriminalität (einschließlich Terrorismus) durchgeführt werden, und nicht nur bei bloßen Wirtschafts- und Finanzdelikten. Es sollte daher eine übergreifende Politik für Finanzkriminalität und Finanzermittlungen konzipiert werden, die für alle einschlägigen Behörden, einschließlich Strafverfolgungsbehörden, gilt und zum Ziel hat, komplexe und langwierige Ermittlungen im Bereich der Finanzkriminalität schneller voranzubringen.

Die neuen, zentralen Finanzermittler sollen „Analyse-Software“ nutzen, wie sie etwa in Italien kürzlich als „Redditometro“ eingeführt wurde. Ermittler könnten dadurch auch „Beziehungen und Verbindungen zu Personen oder Orten“ analysieren. Allerdings müssten die Behörden hierfür qualitativ hochwertige Daten anliefern, und zwar möglichst viele. Der EU-Bericht sieht allerdings rechtliche Hindernisse in den Datenschutzregelungen einiger Mitgliedstaaten. Angeregt wird deshalb das Umgehen heimischer Beschränkungen über den Umweg der EU:

Sollte dies auf nationaler Ebene nicht möglich sein, so sollten maßgeschneiderte Vereinbarungen über den Datenaustausch gefördert werden. Zur Erleichterung der operativen Zusammenarbeit sollten Verbindungsbeamte zwischen den Dienststellen benannt werden.

Gemeint sind beispielsweise die EU-Agenturen EUROPOL und EUROJUST. Letztere, die EU-Agentur zur justiziellen Zusammenarbeit, hatte bereits eine entsprechende Konferenz abgehalten. Die Finanzabteilung der holländischen Staatsanwaltschaft warb dort, Finanzermittlungen in allen Kriminalitätsbereichen zu verankern.

Die gesamten „Schlussfolgerungen und Empfehlungen“ des Rates der Europäischen Union zur „proaktiven, verdeckten Nutzung von Finanzinformationen“ finden sich auf der Webseite der EU.

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Eine Ergänzung

  1. Die Internationale Finanzkriminalität ist Teil der weltumspannenden organisierten Kriminalität. Die Politik würde sich gerne ein Stück von diesem Kuchen abschneiden um ihre Finanz- und Steuerprobleme zu lösen. Dazu müßten aber alle an einem Strang ziehen – was mangels vielschichtiger nationaler Interessen – nicht geschehen wird.
    In Deuschland bräuchten wir – ähnlich unseren europäischen Nachbarstaaten – eine „Bundesfinanzpolizei“.

    Die Politik kennt das Problem – vor kurzem sprach der italienische Anti-Mafia Staatsanwalt Scarpinato vor dem Finanzausschuss des deutschen Bundestages und teilte mit, dass Milliardenbeträge gewaschen werden.

    Und ist seitdem etwas passiert? – Nein – man nimmt es bestenfalls zur Kenntnis und geht zur Tagesordnung über.

    Der Steuerzahler zahlt – und sei es durch Steuererhöhungen die regelmäßig stattfinden müssen, um den unersättlichen Hunger der organisierten Politikmafia zu stillen.

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