Am kommenden Mittwoch, den 27.3., veranstaltet die ARD einen Themenabend zum Thema „Im Netz“, also um das, was man sich bei der ARD wohl darunter vorstellt: Identitätsdiebstahl, Datenklau und gehackte Webcams. Außergewöhnlich ist, dass der Themenabend jetzt bereits im Netz stattfindet. Den Spielfilm „Im Netz“ kann man bereits anschauen:
Mitten in der Nacht stürmt ein Sondereinsatzkommando der Polizei das Schlafzimmer der Unternehmensberaterin Juliane Schubert (Caroline Peters). Gerade erst von einer Geschäftsreise in den Mittleren Osten zurückgekehrt, wird Juliane nach ihrer Festnahme von den Kommissaren Theissen (Ulrike Krumbiegel) und Hindrichs (Stefan Ruppe) verhört: Sie soll Wohnungen und Autos angemietet haben, die zur Vorbereitung eines terroristischen Anschlags dienen sollten. Die Beweise sind erdrückend. Hat sich Jemand Zugang zum Computer der Geschäftsfrau verschafft, ihre virtuelle Identität gestohlen und für kriminelle Zwecke missbraucht? Wie konnte es gelingen, dass jemand ihre gesamten Konten leerräumt, ohne dass die Bank misstrauisch wird?
Und auch die Dokumentation im Anschluß ist online: Im Netz: Die Spur der Datendiebe.
Pro Sekunde werden irgendwo auf der Welt zwei neue Schadprogramme entwickelt und pro Minute in Deutschland zwei Identitäten gestohlen. 2011 gab es allein in Deutschland fast 60.000 bekanntgewordene Fälle von Internetkriminalität. Jeder achte Deutsche wurde beim Online-Shopping bereits betrogen. Die Maschen der Internet-Mafia werden immer raffinierter und die Liste ihrer Opfer immer länger.
Ich hab beides noch nicht gesehen. So wichtig Aufklärung und Bewusstseinsschaffung rund um die Themen Datensicherheit & Co auch sind: Etwas schade ist, dass das Thema Internet nur unter diesen Risikoaspekten zu zentralen Sendezeiten im deutschen Fernsehen behandelt wird. Das ist ja nicht der erste Themenabend dazu. Wer sich hauptsächlich über ARD und ZDF informiert (und das tun viele ältere Menschen), dem wird überwiegend der Eindruck vermittelt, das Internet wäre voller Kriminalität und Gefahren. Und was man jetzt schon absehen kann: Die nächsten Tage werden auch wieder viele Befürworter von mehr Überwachung die mediale Aufmerksamkeit nutzen, um für Vorratsdatenspeicherung & Co zu trommeln.
Wo bleibt der Themenabend, wo mal die positiven Aspekte zur besten Sendezeit behandelt und diskutiert werden?
Update: Der Film ist recht spannend un eher Verfassungsschutz-kritisch. Beschrieben wird, wie eine Frau unschuldig verdächtigt wird und dann in das Raster einer Überwachung gerät und da nicht mehr rauskommt. Um Internet geht es da eher am Rande. Die Dokumentation ist reisserisch und verbreitet Angst.
Wenn man 60000 Fälle von Internetkriminalität aufzählt, sollte man die (geschätzt) zig Milliarden Fälle von Internetnutzungen erwähnen, die ohne Komplikation verlaufen.
Thomas Knüwer, Sascha Lobo und Nico Lumma haben es in ihren Blogposts http://www.indiskretionehrensache.de/2013/03/deutschland-technologiestandort/ http://lumma.de/2013/03/22/netzpolitische-hundstage-in-der-spd/ und http://saschalobo.com/2013/03/22/unsere-muetter-unsere-fehler/ auf den Punkt gebracht. Leider verpasst die ARD es hier offenbar für die relevanten Netzthemen einen Themenabend zu finden.
@ Markus
Ich stimme Dir zu, dass die Aufbereitung in das bekannte „Das Internet ist böse“-Schema zu passen scheint.
ABER:
Der Spielfilm hat explizit zum Plot, dass eine unschuldige Geschäftsfrau zu Unrecht als Terrorverdächtige ins Visier der Polizei gerät.
Das ist doch genau das Szenario, das viele Überwachungskritiker immer wieder anführen: Datenmissbrauch, falsche Verdächtigungen, Existenzvernichtung durch Ermittlungen usw.
Die Polizei kommt meiner Meinung nach in diesem Spielfilm nicht gut weg. Außerdem konterkariert der Spielfilm die naive Einstellung „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts befürchten.“ bzw. „Wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, hat nichts zu befürchten.“.
Die Polizei glaubt im Zweifel immer den Datenspuren. Das ist brandgefährlich.
Jip. Aber auch nicht falsch, dass diejenigen, die das Internet noch immer nicht als Weiterentwicklung klassischer Kommunikationsmittel sehen, es dann weiter verteufeln würden, wenn es *nur* darum geht – was allerdings weit ungefährlicher wäre als der naive Kurs der Mehrheit der Internetnutzer, die noch immer denken, dass nichts schieflaufen kann und alle Menschen von Grund auf gut sind. ;)
Danke für den Hinweis, schau da auf jeden FAll mal rein auch wenns anscheinend die bekannte schwarz-malerei wird.
Wird noch zu wenig „geshared“? Muß noch mehr über die digitale Revolution gejubelt werden? Das hat die Cebit doch grad erst wieder ausführlich getan!?
Ich finde es erfreulich, dass endlich mal einer nicht die Lobeshymne singt, sondern einen kritischen Blick auf die Entwicklung wirft. Wie Leon schon richtig sagte: Die Polizei kommt nicht gut weg.
Der „Spiegel“ zitiert [1] nach dem Abhandeln einer längeren Mängelliste aus einem Revisionsbericht zur Datensicherheit bei der Bundespolizei: „Unter Beibehaltung des derzeitigen Netzbetriebes besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des unkontrollierten Abflusses von Informationen sowie des Befalls mit Schad-Software.“
Da frage ich mich nämlich: Wenn da also Ermittlungsergebnisse abfließen können – dann kann sich womöglich irgendein Krimineller irgendwo im letzten Winkel dieser Welt die Mitarbeiter hier in Deutschland zusammenstellen – powered by Deutsche Bundespolizei! Beschützt oder bedroht uns der Staat jetzt?
Wir müssen also endlich mal darüber reden, ob wir beherrschen, was wir tun: Das sind als erstes die Damen und Herren in der Politik, die bar jeglichen Wissens über Vorratsdaten und Onlinedurchsuchung, Gesundheitskarte und „intelligente“ STromnetze entscheiden, aber eben auch die Leute, die Software entwickeln, implementieren oder nutzen, um industrielle Anlagen zu steuern oder personenbezogene Daten zu verarbeiten.
Wenn wir weiter so wurschteln, fliegt uns nämlich alles um die Ohren…
Da hilft uns dann auch keine Statistik weiter
[1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80165533.html
[2] http://www.neunetz.com/2011/05/27/die-gefahr-deutscher-bundespolitiker-wie-bernd-neumann-fuer-das-internet-und-die-gesellschaft/
[3] http://www.youtube.com/watch?v=X92GtG1G_hY
Die Doku lief vor einiger Zeit schon auf arte. Ein bemerkenswerter Reinfall. Da werden Leute interviewt, die aufgrund ihrer Ahnungslosigkeit zu Opfern der Versandhausdiebe wurden. Doch nicht als Opfer, sondern als Sachverständige. Doch ihre Ahnungslosigkeit, die Einstellungsvoraussetzung war, haben sie nicht abgelegt.
Besonders toll auch die Reise nach Lettland(?), wo eine Reporterin sich den Flohmarkt zeigen ließ. Beeindruckend investigativ. Das ganze wird mit einer Mafia-Soße übergossen, als würden die Kriminellen haufenweise Leute umbringen.
Das hier ist jetzt ein Spielfilm.
Und zum Thema Doku: Hast Du denn hier [1] irgendwelche Fehler entdeckt? Oder da [2]?
Wenn nicht, würde ich an Deiner Stelle schweigen.
Gruß Joachim
[1] http://www.tagesspiegel.de/medien/unter-beobachtung-tatort-internet/3736606.html
[2] http://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-manuskripte/terrorgefahr-durchs-internet100.html
Les das Posting oben nochmal. Da geht es eben nicht nur um einen Spielfilm.
Drei Fehler habe ich auch genannt.
Meine Mutter (knapp 70) sagt immer wieder, sie will nicht in dieses Internet, da hört man immer nur so schlimme Sachen drüber. qed.
Mein Bruder (18) sagt immer wieder, er will nicht zu diesen Polizisten, da hört man immer nur so schlimme Sachen drüber.
Ich habe den Beitrag iwann letztens mal auf Arte gesehen und hab nur mit dem Kopf geschüttelt. Das was Joachim schreibt, dem stimme ich zu. LG Maui
„Die Maschen der Internet-Mafia“
Hört, hört. Die Internet-Mafia…
ist ja schön, dass die ard so einen themenabend macht. aber statt bei solchen themen zu verweilen, sollten sie lieber mal die wirklich heißen themen ansprechen. die gibt es ja zu genüge, vom leistungsschutzrecht über data mining, big data, zensur und gamification hin zu der einsicht in klarnamen von „ip-besitzern“. was da jetzt läuft ist eher sonne art hollywood für paranoide rentner – sag ich jetzt mal so aussem bauch raus.
Man will von seitens der Staatssender diese einseitige Wahrnehmung, ergo diese tendenziöse und eindimensionale Darstellungsweise.
So etabliert man Feindbilder bzw. schürt man Angst – das nach wie vor beste Herrschaftsinstrument.
Argh. Auch der MDR mischt dick mit bei der Dummacherei:
Da wird im Beitrag, in dem jemand sein Windows-Anmeldepasswort von PC-Shops „knacken“ lässt gesagt, dieses Passwort „schütze die Daten auf dem Computer vor unbefugtem Zugriff“.
Ein Windowsprofilpasswort „schützt den Computer“!!1! *kreisch*
Und in einem Abofallen-Beitrag wird gleich mal wieder ein Klischee ausgepackt: (sinngemäß zitiert) „Welche Frau schaut beim Antifalten-Creme-Shoppen schon auf irgendwelche AGB“.
*sowasvongesterndiesemoppelkotze*
Wieder und wieder das selbe Stereotyp. Böse, arrogante, fiese Männer gegen die liebe unschuldige Frau. ARD/GEZ. Eckelhaft und männerfeindlich. Die Inhalte sind egal, die Richtung immer wieder gleich. Das sollten wir Männer uns nicht mehr gefallen lassen!
Ich fands echt gut, wie treffend der Verfassungsschutz als kriminell dargestellt wurde. Man konnte schön sehen, dass der Verfassungsschutz machen kann, was er will – wie ein Staat im Staat.