Yochai Benkler: Was sich verändert hat und was noch zu tun ist

Yochai Benkler hat sich zur aktuellen SOPA- und Megaupload-Debatte zu Wort gemeldet. In einem ausführlichen Artikel stellt er dar, was aus den Vorfällen für Lehren gezogen werden können, und macht darüber hinaus vier konkrete Vorschläge, wie das Verhältnis zwischen Rechteinhabern und Nutzern wieder gerade gerückt werden könnte.

Benkler sieht in den Protesten, die ihren Höhepunkt am 18. Januar erreichten, die Ankunft der vernetzten Zivilgesellschaft im Entscheidungszentrum, wo bisher die Lobbyisten von Content- und IT-Industrie um die Vorherrschaft rangen. Ersteren waren die bisherigen Mittel zur Bekämpfung von Webseiten zu ausgewogen und tatsächlich beweisen zu müssen, dass Rechte verletzt werden, zu umständlich:

[…] each successive version of the Act tried to avoid the inconvenience of actually having to prove that the site being targeted violated copyright law before inflicting mortal damage on that site


Er weist auf den klar dargestellten Zusammenhang aus Meinungsfreiheit und freiem Internet hin und stellt dar, wie sich die Rechtsvorstellung der Content-Industrie seit dem Betamax-Urteil durchgesetzt hat und erst das Grokster-Urteil und nun die Schließung von Megaupload ermöglichte. Auch ohne SOPA ist hier bereits Rechtsunsicherheit zu spüren:

By the time they have had their day in court, their business is destroyed; their user-base moved on to the next site.

Benkler widmet sich auch dem SOPA-Alternativgesetz OPEN, das zwar in wesentlichen Punkten besser als SOPA ist, allerdings immernoch aus einem veralteten Paradigma heraus geschrieben wurde:

[…] OPEN still buys in to the basic assumption that the interests of Hollywood justify drawing an ever-growing universe of complementary systems, like payment and advertising, into their enforcement dance against the piracy menace, without evidence that that menace is significant enough to justify the expansion. It cannot prevent the International Trade Commission from becoming just another captured agency doing the bidding of the people they perceive as their clients; and it retains the model of creating immunity for the critical services, in this case payment and advertising, for “voluntarily” cutting off services on suspicion of infringing activities, setting up the conditions for the creation of a private blacklist.

Statt des Herumdokterns an einem überkommenen System sollte das Rechtssystem neu verhandelt werden. Benklers vier Vorschläge, die kurz zusammengefasst auf folgendes hinauslaufen:

  • Rückgängigmachen der Konsequenzen des Grokster-Urteils
  • Die Kriminalisierung von Kopieren in nicht-kommerziellem Ausmaß zurücknehmen und den entsprechenden Behördenapparat der Strafverfolgung schrumpfen
  • Fair-use-Regelung für das Umgehen von Copyright-Schutzmaßnahmen
  • Stopp der Umgehung von Gesetzgebungsprozessen, indem über den Schutz von geistigem Eigentum auf diplomatischem Weg, in Handelsabkommen (Stichwort ACTA) und mit Druck auf Regierungen anderer Länder (mit)bestimmt wird

Ob es der Zivilgesellschaft gelingt, Gesetzesvorhaben und Handelsabkommen entgegen der Interessen der Bürger zu verhindern, werden die kommenden Monate zeigen. Der Hoffnung von Benkler, dass daraus auch ein Politikwandel hervorgeht, der über das Aufhalten von solchen Vorhaben hinaus auch gestalterische Kraft besitzt, kann man sich nur anschließen.

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Eine Ergänzung

  1. Bitte schreibt nicht auch vom „Schutz von geistigem Eigentum“. Damit bedient ihr euch der Kampfbegriffe der Gegenseite und erkennt überhaupt die Existenz von sowas wie „geistigem Eigentum“ an, obwohl es soetwas eigentlich gar nicht gibt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.