Kleine Frage an die Juristen: Was bedeutet die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgericht eigentlich für den Auskunftsanspruch. Dürfen die Anwälte der Musikindustrie jetzt eigentlich noch bei Providern nach Kundendaten fragen oder ist das verfassungswidrig? Die Provider werden wohl nicht zwei getrennte Datenbanken vorhalten mit Kundendaten, die zur Rechnungsstellung genutzt werden und denjenigen, die zur Vorratsdatenspeicherung verwaltet werden. Oder doch?
Update: Danke an Kai für die erste juristische Einschätzung in den Kommentaren. Gibts Alternativmeinungen?
In dieser Hinsicht ist der Beschluss in der Tat sehr interessant, da die §§ 113a und 113b auf die Weitergabe bei schweren Vergehen beschränkt wurden – also Katalogtaten nach § 100g StPO. Und Urheberrechtsverletzungen fallen da nicht drunter. Meiner Meinung nach dürfen die Staatsanwaltschaften in Fällen von UrhR-Verletzungen keine Verbindungsdaten mehr anfordern. Das war vielleicht nicht die Intention des Beschlusses, und wurde vielleicht auch gar nicht bedacht, läuft im Ergebnis aber darauf hinaus.
Das wäre ja sehr erfreulich. Simon sieht das jedoch anders in den Kommentaren:
Sorry die Korrektur, aber ich sehe das anders: Das BVerfG hat in seinem aktuellen Beschluss allein über die Rechtmäßigkeit der §§ 113a, 113b TKG entschieden. Diese regeln die Herausgabe von Verkehrsdaten. Die Herausgabe von Bestandsdaten ist dagegen in § 113 TKG geregelt, und darüber hat das BVerfG nicht entschieden. (Zur Erklärung: Bestandsdaten sind die Daten über den Kunden, die der Provider für die Abrechnung des Vertragsverhältnisses benötigt; Verkehrsdaten sind Daten darüber, wer wann mit wem über welches Kommunikationsmittel kommuniziert hat.) Auch Auskunftansprüche der Staatsanwaltschaften auf Bestandsdaten miteinzubeziehen würde m.E. bedeuten, dem BVerfG hier Worte in den Mund zu legen, die es nicht aussprechen wollte.
Spannende Debatte übrigens. Danke für die Beiträge.
Update: AP zitiert den Bundesdatenschutzbeauftragten, der meine Einschätzung teilt:
Schaar sagte am Mittwoch in Berlin, die bisherige Praxis, Tauschbörsenteilnehmer über deren IP-Adressen ermitteln zu lassen, sei nach den Karlsruher Vorgaben nicht mehr zulässig. Schaar unterstrich, dass die Speicherung von Verbindungsdaten im Telekommunikationsbereich weiterhin zulässig sei, allerdings nur für Abrechnungszwecke. An Ermittler weitergeleitet werden dürften sie jedoch nur bei der Verfolgung schwerer Straftaten. Dies sei bei der Teilnahme an Tauschbörsen nicht der Fall. Damit entfalle auch die Verpflichtung de
Sebastian Gievert berichtet auf Politik-Digital ähnliches von einem Pressegespräch mit Peter Schaar heute morgen.
Update: Heise berichtet über genau diese Frage und zitiert verschiedene Quellen, die sich genauso uneins sind: Verfassungsgerichtsentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung sorgt für Konfusion.
Hier stellt das Gericht klar, dass sich die auferlegten Zugriffsbeschränkungen nur auf per Vorratsdatenspeicherung gesammelte Daten, nicht aber auf Daten bezieht, die Provider aus Abrechnungs- oder Systemsicherheitszwecken mitloggen. Zur Erinnerung: Die Deutsche Telekom etwa speichert mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundesdatenschutzbeauftragten für sieben Tage, wann sie welchem DSL-Kunden eine dynamische IP-Adresse zugewiesen hat, und dies aus Gründen des Systemschutzes. Andere Provider wie Arcor oder Hansenet speichern dagegen gar nicht.
Tatsächlich also dürften die Strafverfolgungsbehörden auf den Kundendaten-Pool des Bonner Konzerns wie gehabt zugreifen können. Erst wenn die Telekom die Vorratsdatenspeicherung umgesetzt hat, greift die Anordnung der obersten Gesetzeshüter aus Karlsruhe. So lautet zumindest einhellig die Meinung von Staatsanwälten, die heute dazu von heise online befragt wurden. Es kommt also offenbar darauf an, wie der DSL-Provider seine gespeicherten Verkehrsdaten deklariert.
Sowohl nach alter als auch nach „neuer“ Rechtslage, konnten Anwälte von den Providern direkt keine Nutzerdaten erhalten. Das geht/ging ausschließlich über die Staatsanwaltschaften.
Ich gehe einfach mal davon aus, dass deine Frage sich auf die Verpflichtung zur Übermittlung der Nutzerdaten an Staatsanwaltschaften bezog, die im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen angefordert werden.. oder?
In dieser Hinsicht ist der Beschluss in der Tat sehr interessant, da die §§ 113a und 113b auf die Weitergabe bei schweren Vergehen beschränkt wurden – also Katalogtaten nach § 100g StPO.
Und Urheberrechtsverletzungen fallen da nicht drunter.
Meiner Meinung nach dürfen die Staatsanwaltschaften in Fällen von UrhR-Verletzungen keine Verbindungsdaten mehr anfordern. Das war vielleicht nicht die Intention des Beschlusses, und wurde vielleicht auch gar nicht bedacht, läuft im Ergebnis aber darauf hinaus.
Es hängt letztlich an den Providern, dass diese ihre Kundendaten nicht mehr herausgeben bei UrhR-Verletzungen. Wenn dies aber trotzdem (und rechtswidrig) geschieht, kann zivilrechtlich trotzdem „abgemahnt“ werden.
Gespeichert werden müssen aber trotzdem alle Daten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache.
Wie sehn das andere Juristen?
Yap!
Sorry die Korrektur, aber ich sehe das anders: Das BVerfG hat in seinem aktuellen Beschluss allein über die Rechtmäßigkeit der §§ 113a, 113b TKG entschieden. Diese Regeln die Herausgabe von Verkehrsdaten. Die Herausgabe von Bestandsdaten ist dagegen in § 113 TKG geregelt, und darüber hat das BVerfG nicht entschieden.
(Zur Erklärung: Bestandsdaten sind die Daten über den Kunden, die der Provider für die Abrechnung des Vertragsverhältnisses benötigt; Verkehrsdaten sind Daten darüber, wer wann mit wem über welches Kommunikationsmittel kommuniziert hat.)
Auch Auskunftansprüche der Staatsanwaltschaften auf Bestandsdaten miteinzubeziehen würde m.E. bedeuten, dem BVerfG hier Worte in den Mund zu legen, die es nicht aussprechen wollte.
Simon: wie sieht das dann bei Flatrates aus? Der Speicherung von Bestandsdaten bei Flatrate-Zugängen hat der BGH doch im sog. Voss-Urteil untersagt.
Aber ich bin kein Jurist und weiß daher nicht, inwiefern dieses Urteil für die Allgemeinheit gültig ist.
Wenn du es ins Blog übernimmst, könntest du evtl. auch meinen Rechtschreibfehler („Regeln“) korrigieren? ;-)
Außerdem hier noch die Nachweise zu meiner Einschätzung:
Erster Leitsatz (Auszug)
Definition „Bestandsdaten“ in § 3 Nr. 3 TKG:
Definition „Verkehrsdaten“ in § 3 Nr. 30 TKG:
Also in der Infomatik sind Bestandsdaten nur solche die Langfristig gleichbleiben. Die Information wer wann welche IP hatte ist eher ein Bewegungsdatum. Wenn die Juristen ausserdem noch die Daten dazuzählen, die zur Abrechnung nötig sind, so sind dir für die Musikindustrie interresanten Daten immer noch nicht dabei. Ein ISP muss nicht wissen wann man mit welcher IP online war um eine Rechnung ausstellen zu können. (Beim Telefonieren sieht das anders aus.)
Max: Das BVerfG hat entschieden, dass die Speicherung an sich vorerst vorgeschrieben bleibt. Nur die Herausgabe der Daten wurde stark eingeschränkt.
Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hat insgesamt Vorrang gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz, aus dem das Verbot der Speicherung der Verbindungsdaten bei Flatrates abgeleitet wurde. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung betrifft Internet-Provider allerdings (noch) nicht direkt, weil für diese noch eine Umsetzungsfrist bis 2009 läuft. Das bedeutet m.E., dass Internetprovider weiterhin auch bei Flatrates Daten speichern können, es aber vor 2009 noch nicht müssen. Weitergeben dürfen sie diese Daten aber nur bei den besonders schweren Straftaten nach § 100a abs. 2 StPO.
Ich habe allerdings nicht besonders viel Ahnung im Strafprozessrecht. Eventuell weiß ein anderer hier mitlesender Jurist mehr?
Brodo: Das ist ein guter Punkt; meines Wissens haben die Gerichte allerdings die Information, die nötig ist, um eine dynamische IP zur Identität des Nutzers hin aufzulösen, zu den „Bestandsdaten“ gezählt, vgl. LG Hamburg (Beschl. v. 23.6.2005 – Az.: 631 Qs 43/05).
Wie auch immer; ich denke nicht, dass das BVerfG die urheberrechtlichen Auskunftsansprüche gemeint hat. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. :-)
Komme gerade eben von einem Gespräch mit dem Bundesdtaenschutzbeauftragten Peter Schaar zurück, der sich auch zur Musikindustrie geäußert hat:
http://www.politik-digital.de/verfassungsrichter-als-datenschuetzer
Die Pflicht zur Speicherung aller Daten gem. § 113a TKG bleibt bestehen. Diese Regelung wurde nicht außer Kraft gesetzt, so dass Provider weiterhin speichern müssen. Das entbindet sie (leider) nicht von der Pflicht entsprechende Investitionen bis Jahresende vorzunehmen.
@Simon:
wenn ich das was du geschrieben hast genau lese, geht es doch beim Ermitteln von IP-Adresse im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen darum, diese „technischen“ Daten zu erhalten – also die Verkehrsdaten (wer wann wo eine Verbindung aufgebaut hat). Vertragliche Daten wie z.B. wem eine Festnetznummer gehört haben mit dem Auskunftsanspruch m.E. nicht zu tun, oder steh ich auf dem Schlauch? Und genau diese „Verkehrsdaten“ dürfen nur bei Katalogtaten herausgegeben werden.
Bin kein TKG-Experte aber ich erinner mich, dass es juristisch umstritten war, unter welchen Bedingungen bzw. aufgrund welcher gesetzlicher Grundlage (TKG oder StPO) die Staatsanwaltschaft – ohne richterlichen Beschluss – Daten abfragen konnte. Entsprechende Urteil gab es ja auch von ein paar AGs wie dem Offenburger, dass ein Auskunftsbegehren abgelehnt hatte.
Der Leitsatz alleine hilft hier nicht weiter. Man müsste schon den kompletten Urteiltext analysieren. Bin auf Arbeit, weshalb ich das derzeit nicht machen kann.
Kai hat völlig Recht. Anwälte der Musikindustrie durften bislang nicht und dürfen auch heute nicht auf die gespeicherten Daten der Vorratsdatenspeicherung zugreifen. Das Gesetz sieht diese Möglichkeit NICHT vor. Auch wenn es die Rechteverwerter gerne anders sehen.
Die nach § 113a TKG gesammelten Daten dürfen laut Gesetz nur in den von § 113b TKG genannten Fällen verwertet werden. Letzteres hat das Gericht heute vorübergehend (= bis zur Entscheidung in der Hauptsache) untersagt. Die Daten können derzeit GAR NICHT verwendet werden.
§ 113b TKG gibt aber nur staatlichen Stellen Zugriff auf die Daten, das gilt auch im Falle des letzten Halbsatzes der auf § 113 TKG verweist. In § 113 TKG sind wiederum nur staatliche Stellen auskunftsberechtigt.
Kurz: Die „Musikindustrie“ oder ihre Anwälte haben zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung. Dafür bräuchte es eine Gesetzesänderung.
Nachtrag: Das mit dem gar nicht verwenden stimmt natürlich nicht, sie haben es auf „schwere Straftaten“ begrenzt.
Wenn man nach der Pressemitteilung des BMJ
(http://www.bmj.de/enid/ 37350d3f8ba8738f6e48d576d736e97,581f7f6d6f6465092d09093a09636f6e5f6964092d0935303435/Pressestelle/Pressemitteilungen_58.html)
geht bleibt erst einmal alles so wie es ist.
Es dürfen weiterhin Daten übermittelt werden die im Rahmen der Abrechnung gespeichert werden.
Daten die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gespeichert werden. Dürfen erst nach einem endgültigem Urteil des BVerfG benutzt werden. Bleiben aber so lange gespeichert.
Das hier die Grenzen fließend sind wenn überhaupt vorhanden dürfte jedem klar sein…
Jupp.
Die bisherigen Vorgehensweise, mit der die Musikindustrie an die Daten gekommen ist: Anzeige bei Staatsanwaltschaft, diese ermittelt den Anschlussinhaber, stellt das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein, Name + Anschrift des Anschlussinhabers sind dem Anzeigenden nun bekannt — alles bezahlt durch den Steuerzahler ;-).
Daran hat sich IMO nichts geändert, denn das Gericht geht nicht auf den § 113 TKG, sondern nur die neuen 113a und 113b ein. Der Staatsanwalt(!) hat also auch weiterhin Zugriff auf Bestanmdsdaten ohne richterlichen Beschluss. Ob die Zuordnung der IP zu diesen Bestandsdaten gehört oder nicht, ist wohl immernoch nicht eindeutig geklärt.
Die Rechtslage ist also weiterhin umstritten, an der gesetzlichen Regelung dazu hat sich aber nichts geändert.
Die Kombination „dynamische IP + Zeitpunkt“ gilt als Bestandsdate. Insofern ist fraglich, ob sich der Beschluss überhaupt auf die Abmahnindustrie auswirken wird.
Brigitte Zypries hierzu persönlich:
Abgeordnetenwatch, Frage zu IP-Adressen
Es bleibt jedenfalls spannend. Für mich ist jedenfalls ein Deutschland unvorstellbar, in dem Rechteinhaber nicht mehr zivilrechtlich massiv gegen Tauschbörsennutzer vorgehen können. Das sage ich nicht etwa mit Freude, sondern das ist meine traurige Erkenntnis der letzten Zeit: Genau dieses massive Vorgehen ist nämlich vom Gesetzgeber gewünscht.
Der Knackpunkt liegt hier bei der Frage des § 113 und was nun Bestandsdaten sind.
Nach einer ersten Durchsicht der Entscheidung, bin ich zu folgendem Schluss gekommen:
Das Bundesverfassungsgericht verwendet den Begriff der „Bestandsdaten“ nur ein einziges Mal, bei Erwähnung des § 113 TKG. Es wird festgestellt, dass Verkehrsdaten bei Flatrate-Tarifen früher nicht gespeichert werden durften. Daher lief eine „Bestandsdatenauskunft“ hier ins Lehre. Denn „Bestandsdaten“ sind nicht wie 20. schreibt IP-Adresse + Zeitpunkt, sondern Bestandsdaten sind Vertragliche Beziehungen und bei Telefonie die Zuordnung einer Rufnummer zu einer Person. Nicht aber die Verbindungsdaten. Diese sind genau wie die IP-Adresse Verkehrsdaten! Und die Verkehrsdatennutzung wurde im Beschluss ja explizit eingeschränkt. Bestandsdaten ohne Verkehrsdaten sind bei IPs nix wert. Das bedeutet meines Erachtens, dass selbst bei (datenschutzwidriger/rechtswidriger) Speicherung der Verkehrsdaten durch den Provider, die StA nicht dazu befugt wäre diese Verkehrsdaten abzufragen, da sie nur Bestandsdaten abrufen darf.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass alle bis zum 31.12.2007 ermittelten Filesharer, die ein Flatrate-Anschluss genutzt haben, in rechtswidriger Weise ermittelt wurden. Im Gegensatz dazu wäre die Ermittlung eines Filesharers, der eine statische IP-Adresse nutzt hingegen zulässig, weil so eine Adresse ja wie eine Rufnummer fest vergeben wird und daher zu den abfragbaren Bestandsdaten zählt.
Einzig in der Zeit vom 1.1.2008 bis 19.3.2008 war es rechtmäßig die Verkehrsdaten von Flatrate-Filesharer zu ermitteln. Jetzt ist wieder genauso rechtswidrig wie vorher. Was natürlich nicht bedeutet, dass sich jeder Staatsanwalt daran hält. Meine Vermutung warum die Provider da teilweise mitgemacht haben ist, weil die Pro IP-Abfrage nen dicken Batzen Geld als Entschädigung bekommen haben. Und das für Daten, die sie wohl teilweise in alten Datenbanksystem aus der vor-Flatrate-Äre sowieso vorhalten. IP-Adressen-Abfragen könnten demnach bei einigen ein einträgliches Geschäft sein. (so macht die Weigerung der T-Com im Holger Voss-Fall sein, die Daten zu löschen)
nicht „sein“, sondern „Sinn“ soll es am Schluss heißen.
Hadron: Danke für den Link!
Frau Zypries argumentiert im Grunde so: IP-Adresse und die zugehörige Zeit sind Verkehrsdaten, der Name des Kunden hingegen ist Bestandsdatum. Wenn nun Jemand (Musikindustrie, Polizei…) eine IP-Adresse und eine zugehörige Zeitangabe hat sind das bereits die Verkehrsdaten. Er muss sie nicht mehr erfragen, er hat sie schon! Stellt der Provider anschließend anhand dieser Daten fest, um welchen Kunden es sich handelt, so gibt er nur Bestandsdaten herraus. (Das darf er ja.)
Die Argumentation ist um Grunde richtig. Was vernachlässigt wird ist aber, das der Provider die Zuordnung IP+Zeit -> Kunde überhaut nicht erst hätte speichern dürfen. Die ist nämlich kein Bestandsdatum.
Liest hier eigentlich irgendjemand die Kommentare, bevor er selbst kommentiert? Ich habe oben ein Urteil verlinkt, in dem die Ansicht vertreten wird, dass die Daten, die von Staatsanwaltschaften im Zuge urheberrechtlicher Ermittlungen herausverlangt werden, zu dem Bestandsdaten zu zählen sind. Wer die gegenteilige Ansicht vertritt, möge sich bitte zunächst mit diesem Urteil auseinandersetzen.
Die Diskussion, ob eine dynamische IP zu den Bestands- oder zu den Verkehrsdaten zu zähle ist, läuft m.E. ins Leere. Wir reden hier nicht von Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft, die sich auf die IP-Adresse beziehen – wir reden von Auskunftsverlangen, die sich darauf beziehen, die hinter einer bereits bekannten IP-Adresse stehende Person zu ermitteln. Dies wären Name und Anschrift dieser Person, somit Bestandsdaten. So auch das KG Berlin, 10 U 262/05, Entscheidung vom 25. September 2006:
Wenn Peter Schaar das anders sieht, okay. Ich bin Jurastudent, er ist Bundesdatenschutzbeauftragter. Im Zweifelsfall würde ich mich auch auf den Bundesdatenschutzbeauftragten verlassen. (Ich würde dabei aber berücksichtigen, dass die Entscheidung damals erst wenige Stunden alt war und Herr Schaar die Entscheidung unmöglich komplett gelesen haben kann.)
Eventuell wird die juristische Diskussion in den nächsten Tagen Klärung bringen.
Brodo hatte mich überholt. Dann ist ja alles klar. :-)
Ups. Das ist natürlich falsch. Wir haben ja jetzt die Vorratsdatenspeicherung. Sorry, hab mich immer noch nicht daran gewöhnt…
Also Fazit: Das sie keine Verkehrsdaten abrufen dürfen kann der Musikindustrie egal sein, sie wollen letztendlich Bestandsdaten. Und dank Vorratsdatenspeicherung bekommen sie die auch. Daran hat die Eilentscheidung wohl nix geändert.
@Simon: Aber die Logik der Gerichte ist doch verkehrt. Wenn die IP-Adressen ohne die zum Zwecke der Vorratsdatenspeicherung gespeicherten Daten nicht vorhanden wäre, dann wäre in dem Fall auch eine Zuordnung der IP-Adresse zum Namen über den Zeitraum der Speicherung zu Abrechnungszwecken (soweit die IP-Adresse hierfür überhaupt von Nöten ist) hinaus nicht möglich.
Es ist also egal, ob man das Datum IP-Adresse+Zeit herausgibt oder nicht, es darf nur unter den Bestimmungen der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung verwendet werden. Dabei sollte es unerheblich sein ob diese Verwendung im Rahmen der Suche zur Beantwortung einer Anfrage beim Provider oder bei der Staatsanwaltschaft erfolgt.
Ansonsten könnte man alle möglichen indirekten Konstruktionen bauen, z.B. ‚wir haben hier E-Mail-Adresse a@b.de, mit der um 11:11 am 11.11. eine Mail verschickt wurde und hätten jetzt gerne im Rahmen eines manuellen Auskunftersuchens nach § 113 TKG Namen und Anschrift des Inhabers des Anschlusses über den diese Mail versendet wurde‘.
Wenn man es schon für nötig hält, hier so großmäulig aufzutreten, dann entgegne ich mal, dass mich ein Berliner Kammergerichtsurteil wenig interessiert. Ich richte mich bei der Beurteilung hier ausschließlich nach der Ansicht des BVerfG bzw. dem was im Gesetz steht.
a) Bis zum 31.12.2007 also keine Speicherung und damit keine Daten an die StA, bei Flatrates…. !
b) Ab 1.1.08 Speicherung aller Daten (also auch der Flatrate-Verbindungsdaten) wegen § 113a/b TKG.
c) 19.03.2008, gem. § 113a/b TKG gespeicherte Daten nur bei Katalogtaten verwenden!
Ich finde diesen „Dreischritt“ sehr klar und einfach nachzuvollziehen. Wo man dort immer noch eine Ermächtigung zur Datenabrfrage durch StA respektive MI erkennen kann, ist mir schleierhaft.
Nochmal aus anderer Perspektive:
Mit dieser ausdrücklichen Regelung, die auch die „IP-Verbindungsdaten“(Nr.1) erfasst, hebt der Gesetzgeber die hier angeführten weniger schützenswerten Bestandsdaten quasi auf das Niveau von Verkehrsdaten. Und damit unterliegen auch diese Daten den verschärften Anforderungen der Verkehrsdatenabfrage, die nach diesem Beschluss bei UrhR-Verletzungen nicht mehr zulässig wäre.
In einem Punkt hat brodo allerdings Recht – Praktisch hat die Eilentscheidung nicht viel verändert. Die Datenabfrage durch die StA war vor der VDS unzulässig und ist es seit dem 19.03.2008 auch wieder.
Sorry, wenn ich großmäulig rüberkam. Ich habe mich geärgert, weil du auf das Urteil nicht eingegangen bist, obwohl es in seiner vollen Argumentation vorlag.
Das sind gute Argumente, die du hier vorträgst – nichtsdestotrotz, eine Abfrage von Verkehrsdaten hätte auch schon nach altem Recht einen richterlichen Beschluss erfordert, und mir ist kein einziger Fall bekannt, indem eine Staatsanwaltschaft einen solchen durchgeführt hat, bevor sie die Identität eines Filesharers ermittelte. Du magst anderer Rechtsauffassung sein (und sogar damit richtig liegen), aber die strafprozessuale Praxis ist bisher m.W. eine andere. (Wie gesagt, ich kenne mich nicht besonders aus im Strafprozessrecht und kann falsch liegen)
Anscheinend sind wir ja nicht die einzigen, die hier unterschiedlicher Rechtsauffassung sind. Warten wir einfach ab, bis die ersten Urteile kommen, dann wissen wir mehr. :-)
mit deiner Einschätzung, dass nach altem Recht einrichterlicher Beschluss notwendig gewesen sei hast du völlig Recht. Einen solchen Beschluss haben die meisten StA aber nicht beantragt. Warum auch immer. Vielleicht haben die StAs, die kein Bock auf die Anzeigen-Maschinerie hatten, sich einfach einen negativen Beschluss vom Richter besorgt. Damit gibt es für die MI auch keine Möglichkeit über Einwirkung auf der politischen Ebene Einfluss auf die (weisungsgebundenen) StA zu nehmen, die sich weigern als Erfüllungsgehilfen der MI zu fungieren.
Hier zwei solcher Beschlüsse:
http://tinyurl.com/2w6v53
http://tinyurl.com/3cyxuy
Das mit den zwei Datenbanken wäre natürlich eine interessante Idee – es wird jedoch vorerst alles so bleiben wie bisher. Detaillierte Ausführung zu 113 TKG hat das BVerfG ja gerade nicht getroffen, es bleiben ja noch die anderweitigen Möglichkeiten der Abfrage(Rdnr. 173 der Entscheidung). Dennoch sollte man sich die Frage stellen, was konkret verlangt wird. Die IP-Adresse ist ja bereits bekannt, man möchte ja nur noch die Bestandsdaten (Name – Anschrift) erhalten. Hier muss aber zwangsläufig ein Blick in den Datensatz (IP – Datum – Zeitdauer) erfolgen. Und hier könnte durchaus auch die Ansicht vertreten werden, dass eine Auskunft von Bestandsdaten nur in Verbindung mit den gespeicherten Verkehrsdaten möglich ist und dann ggf. doch die Entscheidung des BVerfG zu berücksichtigen sei. Weiterhin sollte man beachten, dass viele Provider noch gar nicht auf die VDS technisch umgestellt haben und die Auskünfte bisher ja wohl unproblematisch erteilt wurden.
Hallo zusammen,
ich bin zwar auch kein Jurist, dafür arbeitekenne ich mich bei Providern gut aus. Leider steige ich etwas spät in die Diuskussion ein, aber es gibt so viele Foren, in denen dieses Thema behandelt wird, da kann man nicht gleichzeitig überall mitreden ;-).
Also erst mal was zur Technik (ich beschreibe nur den tpischen Fall, es geht auch je nach Vorleistung komplizierter): wann immer ein Flatrate-Kunde seinen DSL-Zugang nutzen möchte, muss er sich an einem Radius-Server authentisieren. Diese Authentisierung wir im Logfile gespeichert. Viel wichtiger aber noch als der Beginn seiner Nutzung (Session) ist das Ende. Am Ende seiner Session wird im Logfile der Radius-Username, die IP-Adresse, Datum+Uhrzeit sowie Dauer gespeichert (+ ein paar zusätzliche Parameter, die hier uninteressant sind). Da ein Flat-Rate Kunde theoretisch eine unendliche Session führen könnte und man so nie ein Ende loggen könnte (den sogenannten Stop-Record), führt die T-Com spätestens nach 24 Stunden eine Zwangstrennung durch. Das Logfile wird pro Tag neu geschrieben, wenn also alles sauber funktioniert, gibt es für jeden DSL-Nutzer mindestens einen Eintrag pro Tag im Logfile. Jeder Radius-Username ist wiederum genau einer juristischen Person zugeordnet. In der (sogenannten) Stammdatenbank findet man also zu jedem Radius-Username auch die Adresse, Bankverbindung usw. etc. OK, soweit der high Level Abriß, nun kommen meine Preisfragen an die Juristen:
a) ein StA oder Rechteinhaber hat eine IP-Adresse und Datum+Uhrzeit und fragt den Provider nach Name+Anschrift. Die Frage geht also tatsächlich nach den *Stammdaten* (das Argument von Fr. Zypries). Um die Stammdaten der jew. Person zu ermitteln wird *aber* das Logfile mit den (meiner Meinung nach) Verkehrsdaten benötigt. Ohne dieses Logfile wäre die Ermittlung des betreffenden Internet-Nutzers *nicht* möglich. Gelten hier nun die Regeln für Stammdaten oder die für Vekehrsdaten?
b) wen interessierts? Oder weniger provokativ: ist das nicht eine rein theoretische Diskussion?
Nehmen wir mal an, ein Provider gibt (aufgrund Rechtsunsicherheit oder mit Absicht) Auskunft obwohl die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Das schützt den Betroffenen keineswegs vor einer entsprechenden strafrechtl. bzw. zivilrecht. Verfolgung (ganz im Gegensatz zur USA). Ein Betroffener könnte vielleicht aus purer Langeweile dagegen Klagen, aber mehr als bestenfalls ein „das hätte man so nicht tun dürfen, ändert aber nichts“-Urteil wird er wohl nicht erreichen. Oder irre ich mich da?
Zitat 34: „Die IP-Adresse ist ja bereits bekannt, man möchte ja nur noch die Bestandsdaten (Name – Anschrift) erhalten.“
Das ist eben gerade nicht der Fall. Man möchte die Kennung hinter der IP-Adress erhalten. Sofern es sich um eine Modem/ISDN Call-by-Call Verbindung handelt, wäre dies die Rufnummer des die Verbindung initiierenden Anschlusses.Man müsste also eine weitere Anfrage nach dem Inhaber dieser Telefonnummer durchführen, um Name/Anschrift zu erhalten. Insofern hinkt auch der (immer wieder gebrachte) Vergleich mit statischen IP-Adressen.
Die Rufnummer war bereits in § 100g III Nr. 1 StPO a.F. als Verbindungsdatum anerkannt. Insofern hat § 113a TKG m.E. nun zur Klarstellung beigetragen, als das ausweislich des Wortlauts von § 113a I TKG nun jede (!) Kennung hinter der IP-Adresse als Verkehrsdatum verstanden wird.
@Peter:
erstmal Danke für diese ausführlichen Hintergrund-Infos. Interessant fände ich es zu wissen, wie es bei anderen Providern ausschaut, die entweder ein komplett eigenes DSL-Backbone betreiben oder aber den T-Com-Backbone mitbenutzen. Bei wem (Provider oder T-Com) wird ein log-file der Verbindung denn erstellt? Es macht doch auch einen Unterschied, ob man einen „Voll-DSL-Anschluss“ bei einem Drittanbieter hat, oder T-Com-DSL hat und lediglich der Provider ein Dritter ist… oder? (oder gar DSL-REsale)
Ganz frisch ist übrigens hier eine erste erfreuliche Meldung eingetroffen:
http://tinyurl.com/ynsbr5
Die Argumentation der Wuppertaler StA ist interessanterweise nicht „juristisch“ im engeren Sinne, sondern eher rechtspolitischer Natur, wonach der Gesetzgeber (bislang) bewußt keinen zivilr. Auskunftsanspruch geschaffen hat – und diese Entscheidung auch nicht über den Umweg eines sinnlosen Ermittlungsverfahrens unterlaufen werden darf. Jetzt werden wir sehen können, wie groß der Einfluss der MI auf die Landesregierungen ist. Denn in deren Hand liegt es, ob es bei dieser Praxis bleibt. Angesichts der skandalösen pro-Content-Gesetzesvorhaben, die in der Vergangenheit im Bundesrat entstanden sind, bin ich eher skeptisch, dass die StA standhält.
Diese Diskussion kann
hier weitergeführt werden.
Auch wenn dieser Thread schon etwas alt ist – um die Sache wenigstens vorläufig zum Abschluss zu bringen:
Entscheidung des LG Offenburg v. 17.4.2008:
Damit ist das letzte Wort in der Angelegenheit m.E. aber noch nicht gesprochen. Das LG Offenburg beruft sich in seiner Entscheidung nämlich hauptsächlich auch die Begründung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung: Genau dieses Gesetz ist vom BVerfG jedoch in einem Eilbeschluss vorläufig außer Kraft gesetzt worden. Ob auch eine solche Entscheidung vom Gesetzgeber „hinzunehmen“ ist, halte ich für fraglich.
Zur Entscheidung des BVerfG sagt das LG Offenburg in seiner Entscheidung ebenfalls gar nichts.