Lack of choice, lack of innovation

Vom 2. bis 4. März 2006 fand in Mainz der 10. Bundeskongress der Bundeszentrale für Politische Bildung statt. Als Sponsor trat das Bibliographische Institut & F.A. Brockhaus auf, das gerade dabei ist, die 21. Auflage der Brockhaus Enzyklopädie für Geld an den Mann und an die Frau zu bringen.

Sektion 8 des Kongresses galt der Frage (plus der eingekapselten Behauptung) Wissen ist Macht – wer verfügt über das im Internet vermittelte Wissen?, es nahmen dort Jeanette Hoffmann, Erik Möller und Bernd Kreissig teil, moderiert wurde diese Veranstaltung von Thorsten Schilling.

Bernd Kreissig ist (einer von zwei) Geschäftsführer(n) der BIFAB-Tochter „Brockhaus Duden Neue Medien“, die beispielsweise im Auftrag des Verlages Produkte wie den „Brockhaus multimedial“ herstellt. Kreissig war für den BIFAB-Vorstandssprecher Alexander Bob eingesprungen, der zwar noch mit dem Beitrag „Die Grenzen freier Inhalte“ eingetragen war, diesen dann aber aus Zeitgründen nicht mehr einhalten konnte. Kreissigs Ersatzleistung lief ebenso unter diesem Titel, die 13 Thesen des Theologen stammen jedoch nach eigener Aussage vollständig aus seiner Feder. Der eigentliche Vortrag auf diesem Kongress orientierte sich recht nah an dem Text auf dem Thesenpapier, wie man auf MP3 bei mediaculture-online.de nachhören kann.

Ich möchte einmal exemplarisch eine dieser Thesen aufgreifen und ein wenig Material dazu beisteuern, das meinetwegen auch dazu geeignet sein kann, Kreissigs Aussagen zu stützen. Vielleicht klappt es sogar, ein wenig über die Grenzen der Thesen hinaus einen Blick auf die aktuelle Situation von über das Internet vermittelten Inhalten zu werfern und (jetzt wird es spekulativ) auf die Zukunft.

Ich habe dafür These 2 ausgepickt, die auf dem Papier wie folgt geschrieben steht:

2.) Freie Inhalte sind angetreten mit dem Anspruch, vermeintliche Informationsmonopole aufzubrechen, z. B. die Wikipedia mit dem Anspruch, ein enzyklopädisches Informationsmonopol klassischer Lexikonverlage. Faktisch hat jedoch die Wikipedia (in Verbindung mit ihrer Google-Dominanz) ein wesentlich weitergehendes Monopol, als es ein klassischer Lexikonverlag je hatte.

In der Aufzeichnung hörte sich das so an. Ich habe die Unterschiede einmal fett markiert.:

3:09 Kreissig: Eine zweite These: Freie Inhalte sind angetreten mit dem Anspruch, vermeintliche Informationsmonopole aufzubrechen, z. B. die Wikipedia mit dem Anspruch, ein enzyklopädisches Informationsmonopol klassischer Lexikonverlage. Das habe ich der entsprechenden Diskussion und auch Gesprächen entnommen. Faktisch jedoch hat die Wikipedia (und dann eben insbesondere in Verbindung mit ihrer Google-Dominanz, also der Wikipedia-Treffer, also das werden Sie selber wissen, sind bei google bestens vertreten und einsortiert) ein wesentlich weitergehendes Monopol, als es ein klassischer Lexikonverlag je hatte.

Jetzt zerlegen wir einmal diese These in etwas elementarere Behauptungen und ignorieren das, was – spätestens ab dem Wortlaut – unsinnig ist, wie beispielsweise ein eigenständiges Handeln freier Inhalte:

1. Wikipedia trat an, ein Informationsmonopol aufzubrechen.
2. Es gab oder gibt ein Informationsmonopol klassischer Lexikonverlage.
3. Wikipedia hat eine „Google-Dominanz“
4. Wikipedia hat ein Monopol
5. Wikipedia hat ein weitergehendes Monopol als ein klassicher Lexikonverlag

Jetzt möchte ich – auch wenn es trivial erscheint – nochmal einen Schritt zurück gehen und die einzelnen Begriffe klären:

1. Wikipedia
2. Informationsmonopol
3. Lexikonverlag
4. klassischer Lexikonverlag
5. Google
6. Google-Dominanz
7. Monopol

Liegt es nicht nahe, einmal diese Begriffe durch verfügbare Brockhaus- und Wikipediasuchen zu jagen und zu schauen, was diese beiden Anbieter dazu zu sagen haben? Aus Gründen des Urheberrechts wird man sich hier bei Brockhaus-Suchen auf das Kleinzitat beschränken müssen. Der Verlag kann ja von sich aus die Texte freistellen.

1. Wikipedia

Der Eintrag zu Wikipedia fängt im Brockhaus multimedial 2006 premium (letzte Aktualisierung 6. April 2006) so an:

[Kunstwort aus Wiki und Encyclopedia], Internetprojekt, das sich zum Ziel setzt, in einem Internetportal ein von den Nutzern selbst erarbeitetes und im Internet kostenfrei zu nutzendes Nachschlagewerk zu erstellen.

Es geht dann noch ein wenig weiter, was eine bruchstückhafte Darstellung einiger Ereignisse und Eigenschaften angeht.

Der entsprechende Eintrag in der deutschsprachigen Ausgabe der Wikipedia (7. April 12:45 Uhr) fängt wie folgt an:

Die Wikipedia [ˌvɪkiˈpeːdia] ist eine von freiwilligen Autoren verfasste, mehrsprachige, freie Online-Enzyklopädie. Der Begriff setzt sich zusammen aus „Encyclopedia“ (englisch für Enzyklopädie) und „Wiki“ (einer größtenteils serverseitigen Software, mit der jeder Internetnutzer im Browser Artikel editieren oder neu anlegen kann).

2. Informationsmonopol

Seit Juni 2004 enthält die deutschsprachige Ausgabe der Wikipedia einen eigenen Eintrag zu Informationsmonopol, der immerhin drei Absätze lang ist. Ich möchte ihn hier ganz wiedergeben, da jeder Satz bedenkenswert ist, der Text steht unter der GNU FDL, eine Liste der Autoren ist in der Wikipedia einsehbar:

Informationsmonopol bedeutet die monopolistische Steuerung des Zuganges zu Informationen, die für die freie Meinungsbildung notwendig sind.

Anzeichen für ein Informationsmonopol sind die Konzentration der Besitzverhältnisse wichtiger Massenmedien bei einigen wenigen Eigentümern, die Unterdrückung von Informationsweitergabe durch Zensur oder durch die Beschneidung der technischen Infrastruktur, die zur freien Informationsverbreitung notwendig ist. Letzteres versuchen z. B. die Volksrepublik China mit ihrem Eingriff in das Internet oder aktuell Nordkorea mit dem Verbot von Mobiltelefonen.

Informationsmonopole stellen eine Bedrohung für die Pressefreiheit und die Demokratie dar. Gleichwohl ist die Kontrolle der Weitergabe persönlicher Daten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesichtert und der Schutz der Privatsphäre stellt kein Informationsmonopol dar.

Harter Tobak, eh? Der Artikel ist ohne externe Belege, ohne Literaturangaben und wird selbst nur mäßig verlinkt. Erwähnte ich schon, daß er bei einer Suche in google auf Platz 1 der Suchtreffer erscheint?

Und was bietet Brockhaus zur Klärung dieses Begriffes?

Es ist nicht völliges Schweigen, das von Brockhaus multimedial herüberkommt: Im Index wird der Begriff nicht gefunden, jedoch bietet eine Volltextsuche den einzigen Treffer: Kommunismus:

Jedoch entstanden trotz der auf dem Informationsmonopol des Staates beruhenden, zielgerichteten ideologischen Beeinflussung der Bevölkerung und des rücksichtslosen, teilweise unmenschlichen Vorgehens der Geheimdienste in allen kommunistisch regierten Staaten Bürgerrechtsbewegungen, deren Kampf um Freiheit und Menschenrechte v.a. von der Gewerkschaftsbewegung (Polen) und kirchlichen Gruppen (DDR) getragen wurde, die sich aber auch eigenständig profilieren konnten (CSSR, Ungarn)

Eine Worterklärung kann man das nicht nennen, aber der Kontext wird klar.

Vielleicht ist ein Brockhaus multimedial auch nicht der richtige Ort, um Begriffe zu klären. Nehmen wir beispielsweise brockhaus-suche.de (eine Weiterleitung auf eine spezifische in Frames eingebettete Suche von xipolis.net) und werfen wir den Begriff Informationsmonopol einmal dort hinein:

Ha! Zwei Treffer!

1. Kommunismus (im Brockhaus in 15 Bänden)
2. Kommunismus (Der Brockhaus Geschichte)

Das ist nicht Informationsmonopol, sondern Informationsmonotonie.

Dem geneigten Leser sei vielleicht hier auch BVerfGE 20, 162 – Spiegel empfohlen:

Freie Gründung von Presseorganen, freier Zugang zu den Presseberufen, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sind prinzipielle Folgerungen daraus; doch ließe sich etwa auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten.

Und schon setzt die Assoziationswolke ein: Springer, Holtzbrinck, Ministererlaubnis, Fusion. Boah, der googlende Bildungsbürger von heute hat wirklich Mühe, an einem Ort zu bleiben.

3. Lexikonverlag

Google findet 179.000 Treffer (häufig in der Form „Lexikon Verlag“, mit einem billigen Hack nur noch 53000), yahoo 428 (WTF?). Weder Wikipedia noch Brockhaus kennen eigene Artikel zu diesem Begriff. Was ist ein Lexikonverlag? Ein Verlag, der Lexika herausbringt?

Mit dieser Definition bekommt man eine Liste, die jede Kontur vermissen lässt. dtv hatte mal ein großes deutschsprachiges allgemeines Lexikon (ein Fork von Brockhaus-Texten). Bei Eichborn gibt es ein paar Lexika, aber traut sich jemand, Eichborn einen Lexikonverlag zu nennen?

Wie schaut es aus mit der Definition eines Verlages, der langjährig der Herausgeber eines Großlexikons ist, als solcher Verlag auch in Erscheinung tritt und einen größeren Teil seines Einkommens und einen noch größeren Teil seiner Reputation aus dieser Herausgeberschaft bestreitet?

So landen wir beim Bibliographischen Institut (1984 fusioniert mitF.A. Brockhaus), Verlag Wissen Media von Bertelsmann (Lexikothek), Encyclopædia Britannica Inc., Encyclopædia Universalis S.A und vielleicht noch bei Metzler.

Inwiefern ein Konzern wie Microsoft, der ein paar Peanuts mit der Herausgabe der Microsoft Encarta macht, ein „Lexikonverlag“ ist, sei dahingestellt. Wer Microsoft hört, wird in den seltensten Fällen sofort an Encarta denken (andersrum eher). Zahlenmäßig spielt auch der Berliner Verlag Directmedia Publishing mit in dieser Runde, ohne selbst (derzeit) eine eigene Redaktion im klassischen Sinne zu unterhalten (things might change in the near future), sowohl mit der Digitalisierung von Enzyklopädien als auch mit der Aufbereitung von Textbergen für das DVD-Format.

Gruseliger wird es, wenn man versucht, „Lexikonverlag“ gegenwartstauglich zu machen. Der erste Schritt dazu ist, daß man sich von dem Medium Papier löst, denn immerhin will BIFAB ja dieses Jahr (oder war’s schon 2004? 2003? 2000!) 10% seines Umsatzes mit elektronischen Produkten machen. Arbeitsteilung und Marketingüberlegungen führen dann zu Konstrukten, in denen der Hersteller des Produktes keine wahrnehmbare Kompetenz im Lexikontextverfassen mehr besitzt. United Soft Media (ich hoffe, ich trete denen nicht zu nahe) tritt als Hersteller der P.M. Enzyklopädie 2006 und des Bertelsmann Universallexikon 2006 auf. Der Text stammt von Bertelsmann, im ersten Fall wird dies eher zweitrangig angegeben. PM tritt als Namensgeber an den Tag. Die Mehrzahl der an diesem Produkt beteiligten Firmen wird vermutlich ohne großes Grummeln darauf verzichten, sich „Lexikonverlag“ zu nennen.

4. klassischer Lexikonverlag

Vergessen wir das wüste Herumstochern im Begriffsnebel der letzten Absätze wieder. Klassisch ist Platzhirsch. Klassisch ist, was 200 Jahre auf dem Buckel hat (oder wenigstens diese Zahl so geschickt herleiten kann, daß Widerspruch nicht zu erwarten ist). Klassisch ist, was dynastisch ist. Ein klassischer Lexikonverlag ist, was von der Mehrzahl der Firmen als Lexikonverlag schlechthin akzeptiert wird.

Die Googlei nach „klassischer Lexikonverlag“ wirft Treffer aus einer Mailingliste aus, die ich vor einigen Wochen zu dem Thesenpapier geführt habe.

5. Google

Google ist der Markenname einer gleichnamigen Firma, die vor allem durch eine Internet-Suchmaschine namens „Google“ eine gewisse Popularität erlangt hat. (To) Google ist ein englisches Verb, das das Suchen in Internet-Suchmaschinen, vorwiegend jedoch in Google, beschreibt. Als „googlen“ hat es in die deutsche Sprache Einzug gehalten. Google ist der Legende nach die fehlerhafte Schreibweise der Zahl Googol (10^100). Google ist das Modell einer Firma, die von Ingenieuren geleitet wird, in der es kostenloses Essen gibt, wo Mitarbeiter Hunde zur Arbeit mitbringen dürfen, die den Mitarbeitern 20% ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte bereitstellt (und sich nicht dagegen wehrt, daß die Angestellten neue Geschäftsfelder für Google erschließen). Google ist die Firma, die im Moment mehr wert ist als die komplette amerikanische Automobilbranche und die es mehr als nur duldet, daß all diese Informationen über das außergewöhnliche Klima frei umherschwirren. Google ist der Name einer Firma, die in China ihre Unschuld endgültig verloren hat, und dennoch so vertrauenswürdig ist, daß ihre Kunden ihr ihr Leben ausbreiten.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß sowohl Wikipedia als auch Brockhaus in ihren Werken Google kennen. Während es alleine in der deutschsprachigen Wikipedia mehr als 20 Artikel sind, die im weiteren Sinne mit Google direkt zusammenhängen (und in einem archaeolexikalischen makropedischen Werk unter einem Lemma – „google“ vereint sind), hält man sich bei den Mannheimern ein wenig zurück. Der Hauptartikel ist – wenn man sich den letzten Absatz anschaut – seit 2004 ungepflegt und wird hier und da von Einzelartikeln zu „PageRanking“, „Gmail“ und „deja.com“ umrankt:

Google, [nach dem Wort Googol für die Zahl 10100], internationale Suchmaschine, die 26 Suchsprachen anbietet, darunter Deutsch als am zweitmeisten verwendete Suchsprache. Die Homepage selbst ist in über 50 Sprachen verfügbar, darunter Esperanto, Nepali und Elmer Fudd.

Das letzte Zitat (um Redundanzen aus den vorherigen Absätzen bereinigt) dient nur zur Illustration besonders abschreckender Effekte aus der Welt der unfreien Texte:

Die Google-Websuche findet sich heute nicht nur bei Google selbst, sondern u.a. auch bei Yahoo!, dem Netcenter von Netscape oder auf den Homepages von Palm Inc. (Palmtop-Marktführer) und Red Hat (Linux-Distributor). […] 2004 gab Google Inc. bekannt, dass das Unternehmen an die Börse gehen will.

Wenn Brockhaus für diesen Artikel keine Arbeitskraft freibekommt, helfe ich übrigens gerne aus.

6. Google-Dominanz
Google hält im Moment am Suchmaschinenmarkt für Internetinhalte laut Medienberichten etwas mehr als 40%, mit steigender Tendenz und nach Aussagen von Beobachtern auch verdienterweise. In diesem Kontext (und das wurde bei dem Live-Auftritt von Kreissig etwas deutlicher) geht es jedoch nicht um die Dominanz von Google, sondern um Wikipedias Dominanz in Google.

Man kann jetzt mal einen kleinen Versuch machen, der natürlich völlig unwissenschaftlich und willkürlich und böse und so: Wort des Tages-Googlen.

Um das noch ein wenig willkürlicher zu machen (und als Tribut an die Faulheit), habe ich nur einen Teil der Wörter des Tages ausgewählt. Wohlgemerkt, ich habe zuerst die Begriffe herauskopiert und dann geschaut, welchen Rang der jeweilige Wikipedia-Artikel zu diesem Begriff in einer Google-Suche (in deutscher Sprache) hat. Über Feedback zu anderen Begriffen und einen systemischen Bias (der Fussball-Bias kam von der Uni-Leipzig) freue ich mich:

*Gerald Asamoah: Platz 5
*Jürgen Klinsmann: Platz 1
*Jens Lehmann: Platz 5
*Andreas Köpke: Platz 3
*Alemannia Aachen: Platz 4
*Arsenal London: Platz 1
*Fußball-Weltmeisterschaft: Platz 3
*Kickers Offenbach: Platz 4
*Lothar Bisky: Platz 1
*Angela Merkel: Platz 2
*Richard Cheney: Platz 1
*Ulla Schmidt: Platz 3
*Petra Pau: Platz 5
*Silvio Berlusconi: Platz 1
*Credit Suisse: Platz 5
*Deutsche Post: Platz 18
*Kölnische Rundschau: Platz 3
*Linkspartei: Platz 13
*Walter Bau: Platz 5
*Hochwasser: Platz 6
*Jahrhundertflut: Platz 1
*Arbeitslosengeld II: Platz 3
*Moschee: Platz 1
*Schach: Platz 5
*Vogelgrippe: Platz 2
*Deggendorf: Platz 37
*Lüneburg: Platz 15
*Weißrussland: Platz 1

Grundsätzlich geht es hier um Begriffe, die man auch (früher oder später) in einem gedruckten allgemeinen Großlexikon finden könnte, von einzelnen Fußballspielern abgesehen. Die Dieter-Bohlen-Ausrede des Bibliographischen Instituts, wonach man es für ein Qualitätsmerkmal hält, zu einigen Themen zu schweigen, greift hier ausdrücklich nicht. Natürlich gibt es auch einen Brockhaus-Artikel zu Angela Merkel. Mehrere sogar, in verschiedenen Werken, die es auch teilweise im Internet gibt:
*Brockhaus Infothek: Angela Merkel- Kanzlerkandidatin der Union

Bei einer Suche in Google nach Angela Merkel kommt diese Seite dann etwa bei Platz 136.

Für den Begriff „Google-Dominanz“ (von Wikipedia) kann man vielleicht doch schonmal festhalten, daß deutschsprachige Wikipedia-Einträge in dem deutschsprachigen Bereich von Google bei aktuellen und enzyklopädisch gebräuchlichen Begriffen angemessen und im Anfangsbereich vertreten sind.

7. Monopol

Folgt man hier den Definitionen der Wikipedia und einiger Brockhaus-Werke, ist der Monopolbegriff relativ klar:

Ein Monopol (griechisch monos = „allein“ und polein = „verkaufen“) nennt man eine Marktsituation (Marktform), in der für ein ökonomisches Gut nur ein Anbieter oder nur ein Nachfrager existiert.

Anders äußert sich auch nicht Brockhaus.

Wenn Dissenz über die Begriffe besteht, sollte man eine Klärung anstreben, bevor man mit ihnen dann arbeitet. Man denke hier an den Hausbau, der üblicherweise nach dem Giessen des Fundaments stattfindet. Weder New Economy noch das Internet im Allgemeinen haben hier etwas daran geändert.

Ab zu den Micro-Thesen Kreissigs:

1. Wikipedia trat an, ein Informationsmonopol aufzubrechen.

Wie schon gesagt, Wikipedia kann nicht antreten. Wikipedia ist kein eigenständig handelndes Wesen und die Behauptung, Wikipedia sei der Durchschnitt der Motivationen (oder gar die Summe) der Mitglieder, verlagert das Problem nur. Sicher, es ist denkbar, daß einige, viele oder sehr viele Wikipedianer einen Teil ihrer Motivation zur Mitarbeit an der Wikipedia aus dem Wunsch beziehen, Wissen befreien zu wollen. Hier und da gibt es auch Überschneidungen zu den Menschen von Ökonux. Von dem Brockhaus-Manager Björn Hoffmann wissen wir von dem Projekt Encyclopaedia Aperta aus dem Jahre 2000, die nie über die ersten Fragmente einer Lizenz hinauskam.

Die Grundidee des Projekts „Offene Enzyklopädie“ ist sehr einfach. Die offenen und freiwilligen Arbeitsmethoden der GNU/Linux-Gemeinde kopierend soll eine hochklassige, verlässliche und vielfältige Enzyklopädie in möglichst vielen Sprachen entstehen.

Selbst in einem so politischen Umfeld fehlt eine direkte Formulierung, die den Aufbruch von irgendwas fordert. Die härteste Formulierung dazu gibt es hier:

Ausserdem wäre so eine Enzyklopädie eine echte Bereicherung der Public Domain, die den Eintrittspreis in die Wissensgesellschaft beträchtlich senken kann – z.B. wichtig für Entwicklungsländer – und ihrer Monopolisierung entgegenwirkt.

Es sind mir keine Dokumente aus der Zeit der Gründung der Wikipedia oder gar ihres direkten Vorgängers Nupedia bekannt, die auch nur ansatzweise die Situation auf dem kommerziellen Markt für Nachschlagewerke analysieren. Das hohe Maß an Naivität und Hemdsärmligkeit aus diesen Tagen spricht weiterhin dafür, daß so etwas gar nicht erst versucht wurde.

Wenn man Wettbewerb als den natürlichen und sich gegenseitig ausschließenden Feind von Monopolen ansieht, ist diese Microthese von Kreissig bestätigt.

2. Es gab oder gibt ein Informationsmonopol klassischer Lexikonverlage.

Bernd Kreissig konnte seine These noch mit einem „vermeindlich“ spicken. Dieses weasel word hilft, um im Nachinein jede Aussage einer Behauptung als die einer anderen Person hinstellen zu können. Letztlich fehlen mir die Belege dafür. Lexika waren traditionell viel zu langsam und zu beschränkt, um in wichtigen Fragen auch nur mehr als nur oberflächlich zur Klärung von Problemen beizutragen. Dabei ist es gleichgültig, ob es um einen byzantinischen Kaiser geht oder ein Gen, das im Verdacht steht, für Brustkrebs mitverantwortlich zu sein. Auch in einem 24-bändigen Werk werden Informationen allenfalls die Funktion eines Einstiegs besitzen und bei größeren Themen helfen, einen Begriff in einen größeren ideologischen Rahmen einzubinden. Je nach Struktur lassen sich eher allgemeine Informationen („Wann starb..“, „Wer baute..“) abfragen. Im Grunde schließt sich hier das Wort „Informationsmonopol“ von selbst aus, weil nicht erst seit Wikipedia Lexikonverlage von Original Research absehen, wenn es um Wissen geht.

3. Wikipedia hat eine “Google-Dominanz”

Wikipedia stellt Volltext online bereit, der ohne Restriktionen eingesehen werden kann. Es handelt sich derzeit um einige Millionen Seiten aus den jeweiligen Namespaces der enzyklopädischen Artikel (Wir reden also nicht von Benutzer:Mathias Schindler). Die Redirect-Struktur erhöht diese Zahl noch einmal. Strukturbedingt ist jeder Artikel von anderen Artikeln verlinkt und darüberhinaus linkt er auch auf andere (relevante) Artikel.

Das XHTML von Wikipedia.org ist valide (im Gegensatz zu dem netten Versuch auf brockhaus.de…)

Die Artikelnamen sind selbsterklärend (de.wikipedia.org/wiki/LEMMA).

Die Seiten sind frei von Werbung, das HTML ist sparsam, frei von Javascript-Orgen. Layout ist in CSS-Dateien ausgelagert.

Die Lizenz erfordert (in der Konstruktion des Gentlemen-Agreement) von Kopien der Texte entsprechende Hyperlinks auf die Quelle.

Wikipedia-Artikel werden häufig aktualisiert.

Mediawiki benutzt die Metadatenbereiche von HTML teilweise recht brauchbar (Beispiel BIFAB):

<meta name=“keywords“ content=“Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus,1984,1985,1988,2000,2001,2003,2006,Alexander Bob,Bibliographisches Institut,Brockhaus Duden Neue Medien“ />

Gegenbeispiel (wieder BIFAB, diesmal auf brockhaus.de):

< meta name=“keywords“ content=“Brockhaus, Enzyklopädie, Brockhaus-Enzyklopädie, Brockhaus-Infothek, Lexikon, Lexika, Nachschlagewerk, Standardwerk, Brockhaus multimedial, Allgemeinbildung, Wissen, Konversationslexikon, CD-ROM, Multimedia, Edutainment, Infotainment, Lernsoftware, Wissensgesellschaft, digitales Nachschlagen, Visionen 2000, James Rizzi, Andy Warhol, Andre Heller, Kinder-Brockhaus, Gesundheitsbrockhaus, Mensch-Natur-Technik, Infothek, Klalle Clever, Clever-Club, Meilensteine, Wissen der Menschheit, Verlag, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 200 Jahre Brockhaus“ />

Und das wohlgemerkt auf allen Seiten von brockhaus.de. Nicht, daß eine anständige Suchmaschine heute noch auf solche Metadaten achtet, aber immerhin ist das kein Freibrief für solche Kindereien.

Ob Wikipedia eine Google-Dominanz hat, ist diskutierbar. Hinweise dafür gibt es. Jedoch ist diese Behauptung weitaus weniger spannend als die Behauptung, daß die Inhalte von Wikipedia.org in Google angemessen vertreten sind, wofür es hinreichende Gründe gibt, die sich aus der Funktion von Suchmaschinen ergeben.

Vor einigen Monaten gab es eine Pressemitteilung, wonach eine Agentur für BIFAB gezielt Werbebegriffe in Google geschaltet hat. Man zahlt also Geld dafür, daß Kunden auf eine Seite kommen, wo sie dann nur sehen, daß sie Geld für Informationen zahlen sollen.

4. Wikipedia hat ein Monopol

Ähnlich der Dominanzfrage. Diese Aussage ist aus dem Mund eines Brockhaus-Geschäftsführers sehr spannend. Ignoriert man einmal für 10 Sekunden, daß man in Mannheim immer noch nicht bereit ist, Wikipedia als Enzyklopädie anzusehen, kann dies nur bedeuten:

Brockhaus gibt es (stellvertretend für die Branche klassischer Lexikonverlage) auf, als Mitbewerber von Inhalten im Internet gegen wikipedia aufzutreten.

Das wäre dann ein Angebotsmonopol.

Für diese Lesart spricht, daß es von der 21. Auflage der Brockhaus-Enzyklopädie keine stand-alone-Lösung für den Internetzugang gibt. Man kann entweder 30 Bände kaufen und bekommt dann „vielleicht“ bis 2010 kostenlosen zugang auf brockhaus-enzyklopaedie.de. Oder man legt 1500 Euro hin und bekommt eine USB/DVD-Lösung und einen entsprechenden Online-Zugang. Wer „einfach so“ die enzyklopädischen Texte von Brockhaus im Internet lesen will, dem bleibt der Anschluß bei Munzinger, die das Update auf die neuen Texte vor einigen Monaten hingelegt haben. Von Brockhaus wird dies meines Wissens nicht aktiv beworben. Ob es noch andere verschämte Wege zum Brockhaus-Wissen gibt, ist mir nicht bekannt. Xipolis.net, die „Suchmaschine der Zukunft“, ist es jedenfalls derzeit nicht.

5. Wikipedia hat ein weitergehendes Monopol als ein klassicher Lexikonverlag

Formaler Ausschluß. Wenn Wikipedia kein Monopol hat, kann es auch nicht weitergehend sein als das eines klassischen Lexikonverlages.

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2 Ergänzungen

  1. klasse artikel. im grunde kämpft brockhaus hier gegen windmühlen, nur erkennt das wieder keiner vom management.

    den gleichen bezug könnte man in etwa auch zwischen MS und Linux zeichnen. im grunde stehen beide in keinem Konkurrenzverhältnis… naja, theoretisch ;)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.