Gefühlte Sicherheit und irrationales Strafrecht – der Sicherheitsbericht der Bundesregierung

Vor kurzem hat die Bundesregierung ihren Zweiten Sicherheitsbericht (Langfassung, Kurzfassung, Pressemitteilung) vorgelegt. Verfasst worden ist er von unabhängigen Kriminologen, die Regierung hat ihre eigenen Kommentare hinzugefügt. Insgesamt ein lesenswertes, nüchternes Dokument, das mit vielen Mythen über die Wirkung von verschärften Strafverfolgungsmaßnahmen, über den Zusammenhang zwischen realer und gefühlter Kriminalitätsrate und über die wirklichen Ängste der Bevölkerung aufräumt. Die Regierung nimmt ihn sich allerdings selber nicht zu Herzen.

Patrick Breyer hat eine Zusammenstellung wichtiger Erkenntnisse des Berichtes geschrieben und kommentiert. Pflichtlektüre für alle, die sich wegen des immer weiter ausgebauten Überwachungsstaates Sorgen machen und Argumentationshilfen suchen.

Der Sicherheitsbericht fasst zusammen: „In der Summe kann somit nicht davon gesprochen werden, dass die Menschen in Deutschland das Gemeinwesen oder auch ihre persönliche Lebensqualität durch Kriminalität heutzutage in besonderem Maße oder gar stärker als in früheren Jahren beeinträchtigt sehen.“ Dies sollte eigentlich gegen einen weitere Aufrüstung von Polizei und Nachrichtendiensten sprechen, zumal selbst diese gesunkene Kriminalitätsangst das wirkliche Kriminalitätsrisiko noch weit übersteigt.

Bei der Politik ist diese Botschaft aber nicht angekommen. Die fehlenden Reaktionen der Politiker zeigen, dass die Hoffnung auf eine „rationale Kriminalpolitik“ mit Union und SPD ein frommer Wunsch bleiben wird. Die Bundeskanzlerin wies bei ihrer ersten Rede im Bundestag zurecht darauf hin, dass die Schnittmenge beider Parteien auf dem Gebiet der inneren Sicherheit so groß ist wie in keiner anderen Parteienkonstellation. Das liegt daran, dass beide Volksparteien auf sicherheitspolitischen Aktionismus setzen, weitgehend ohne Rücksicht auf Wirksamkeit, Kosten und Verluste. Wen diese Entwicklung besorgt, der sollte bei der nächsten Wahl einer der Oppositionsparteien seine Stimme geben. FDP, Grüne und Linke stehen der herrschenden Kriminalpolitik allesamt kritisch gegenüber.

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