Internetsperrungen und Zwangsfilter durch ACTA

Die beiden vergangenen Tage soll es an einem geheimen Ort in Genf ein weiteres Vorbereitungstreffen für das internationale Handelsabkommen Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) gegeben haben, woran die EU und damit Deutschland beteiligt ist. Unklar ist, wie der Diskussionsstand nach der Veröffentlichung eines Arbeitspapieres bei Wikileaks jetzt ist. Während die leicht transportierbare Geschichte mit der iPod-Kontrolle durch die Medien ging, zeigen sich doch einige andere Probleme.

Einerseits versuchen die USA und die EU eigene Positionen jetzt abseits der multinationalen Organisationen wie der WIPO durchzubringen. Das hat u.a. damit zu tun, weil man dort nicht mehr über die notwendigen Mehrheiten verfügt, wie das mal war, als man die Wurzeln unseres derzeitigen Urheberrechtssystems geschaffen hat. Das Vorgehen hat einige internationale Konsequenzen.

Ansonsten berichtet Golem gerade mit Bezug auf einen Google-Urheberrechtsspezialisten, dass man doch ganz andere Dinge noch planen würde: ISP-Zwangsfilter durch die ACTA-Hintertür?

William Patry berichtet in seinem Blog, er habe „aus zuverlässigen Quellen, die voneinander unabhängig sind“, erfahren, dass der zuletzt diskutierte ACTA-Vertragsentwurf den Geltungsbereich des Abkommens „weiter ausdehnt statt ihn einzugrenzen“ und darin „von [ISP-]Filtern die Rede ist“. Auch greife der Entwurf viele „Streitpunkte von WCT/WPPT“ wieder auf, also der WIPO-Verträge zum Urheberrecht und zu verwandten Schutzrechten von 1996. Diese hatten den USA den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) und den EU-Mitgliedstaaten die Urheberrechtsrichtlinie von 2001 beschert, in denen unter anderem das Umgehungsverbot für Kopierschutzmaßnahmen festgeschrieben wurde.

Allerdings braucht man das nicht unbedingt aus vertrauenswerter Quelle hören, das steht schon so in dem Arbeitspapier, wenn man zwischen den Zeilen liest. Und da sind wir dann nicht nur bei Zwangsfiltern für ISPs, sondern auch bei Filtern für alle möglichen Netz-Plattformen. Man stelle sich nur vor, es gäbe Youtube noch nicht, jemand würde es erfinden und müsste sofort erstmal die notwendigen Filter kaufen und einbauen. Das würde Innovation hemmen. Das könnte hierdurch geschehen.

Gleichzeitig sind wir bei den geplanten Massnahmen ganz schnell bei den Internetsperrungen und damit Netz-Zensur. Das ganze wird intransparent auf internationaler Ebene von verschiedenen Staaten vorbereitet, die damit einseitige Lobby-Positionen in internationale Verträge giessen. Demokratische Institutionen wie Europaparlament oder Bundestag können dann auch nur noch abnicken und haben kaum noch demokratischen Verhandlungsspielraum. Während das EU-Parlament beispielsweise gegen Internetserrungen ausgesprochen hat, könnte man mit einem internationalen Vertrag dieses vor vollendete Tatsachen stellen. Immerhin hat auch der Bundestag mal geschlossen gegen die Vorratsdatenspeicherung gestimmt und später musste man dann die EU-Massnahme durchbekommen.

Mehr Informationen:

ars technica: The real ACTA threat (it’s not iPod-scanning border guards).
Übersicht der EFF zu ACTA.

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