Koalition verhindert Debatte im Bundestag über PRISM und Tempora

Die drei Oppositionsfraktionen haben heute in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag versucht, per Geschäftsordnungsantrag eine Debatte über den NSA-Überwachungsskandal zu führen. Die Debatte ging nicht über die Geschäftsordnungsanträge hinaus, da die Koalition dies zu verhindern wusste – mit einer Mischung aus „Gibt keinen Skandal“ und sonstigen beliebten Geschäftsordnungstricks. Wir haben die kurze rund 20 Minuten lange Debatte dokumentiert.

Volker Beck (MP4) beantragte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, „dass der Bundestag über PRISM, Tempora und die Schutzbehauptung der Bundesregierung diskutiert“. Diese Debatte sei zu wichtig als sie im Geheimen im Parlamentarischen Kontrollgremium zu diskutieren. „Auf welcher Grundlage hat das Bundeskanzleramt NSA und Großbritannien diesen Persilschein ausgestellt?“ Die Bundesregierung habe „bisher nichts Rechtliches unternommen, den bisher größten Angriff in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf die Rechte unserer Bürgerinnen und Bürger abzuwehren.“

Snowden habe sich um die Interessen unseres Landes verdient gemacht. „Ohne Snowden gäbe es keine Aufklärung, ohne Snowden gäbe es auch keine Verhandlungen zwischen der BRD und den USA über die Zukunft der Spionage zwischen diesen beiden Ländern.“ „Es ist eine Schande, dass er nur Zuflucht finden kann bei dem Diktator Putin“. Fordert Aufnahme von Snowden in Deutschland. Großes Gelächter von Seiten der Koalition.

Jörg van Essen (FDP) (MP4) kommt erstmal mit dem FDP-Lieblings-Horrorszenario einer Rot-Rot-Grünen-Koalition, weil die Opposition gemeinsam über die Auswirkungen der Grundrechtseinschränkungen diskutieren will. Dann kommt ein paar Aussagen über Erfolge der Regierung aus Sicht der Regierung um doch nochmal zum Thema zurück zu kommen und zu erklären, das wäre nur ein taktisches Mannöver, sonst hätte man sich in der vergangenen Woche um eine Debatte bemüht.

Widerspruch von Volker Beck auf Twitter:

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Das Killerargument und der einzige Beitrag zur Debatte kam aber noch: „Wir wissen übrigens, Bürgerrechte sind bei uns besser aufgehoben“. Auch deshalb könne man eine klare Entscheidung gegen eine Debatte treffen. Van Essen nutzte noch die Chance, letzte Dankesworte für seine letzte Rede im Bundestag zu sagen und das war es dann.

Jan Korte (DIE LINKE) (MP4) erklärte, „wenn die Bundesregierung behaupte, die NSA und andere hielten sich an Gesetz und Ordnung lässt das ja nur zwei Schlüsse zu: Zum einen, Sie sagen nicht die Wahrheit oder aber es gibt Abkommen, die das zulassen“. Beides gehöre heute hier ins Plenum des Bundestages. Ein weiteres Argument für Debatte sei, dass es „Millionen Bürgerinnen und Bürger und unsere Grundrechte“ betreffe.

„Und ich glaube, dass die freie Kommunikation, die hier massiv angegriffen wird, natürlich hier diskutiert werden muss, weil sie Angst verursacht und dazu führt, dass Menschen nicht mehr frei kommunizieren, sondern dass die angepasst kommunizieren und icht genau wissen, was wird hier eigentlich mitgelesen und vor allem, wird es irgendwann mal gegen mich verwendet.“ Verweis an van Essen, dass Antrag an ihn schon am Freitag gegangen wäre.

Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) (MP4) wiederholte Linie der Koalition, die Opposition wolle mit den GO-Anträge für eine Diskussion über den NSA-Skandal nur davon ablenken, dass sie sonst nichts zu Deutschland zu sagen haben, wofür die Debatte im Anschluß gedacht sei. „Was wir heute hier erleben ist die Fortsetzung des Rot-Grünen-Sommertheaters, wie erkläre ich einen Skandal, der keiner ist“. Der einzige Grund für die Debatte sei, dass Rot-Grüpn geglaubt habe, mit dem Überwachungsskandal die Wahlen zu gewinnen und jetzt auf „tot gerittenen Pferd“ zu Ende reite. Der eigentliche Skandal sei: „Es gibt nicht einen Beleg für eine massenhafte Ausspähung, es gibt nicht einen Beleg für millionenfache Grundrechtsverletzung, es gibt nicht einen beleg, den sie vorlegen können, es gibt nur ihren Wunsch, diesen Skandal am Leben zu erhalten, die Menschen zu verunsichern aus wahltaktischen Gründen und da machen wir nicht mit.“

Er ist froh, dass sich die „Bundesregierung national, binational und international einsetze für verbesserten Datenschutz“. (Preisfrage: Woher kommt nur die plötzliche Motivation, hier Handlungsfähigkeit zu zeigen?) Das wären die richtigen politischen Schritte „und nicht die Skandalisierung eines Themas, das keinen Skandal darstellt.“ Man könne Anträgen nicht zustimmen, um die Menschen nicht zu verunsichern.

Thomas Oppermann (SPD) (MP4) wunderte sich, dass die Bundesregierung seit drei Wochen über ein No-Spy-Abkommen mit den USA verhandle. „Vor vier Monaten hätte niemand es für möglich halten können, dass wir sowas benötigen“. Verweis darauf, dass es leidenschaftliche Debatte zum Thema im UK-Unterhaus und im US-Kongress geben würde, dies aber mit Geschäftsordnungstricks im Bundestag verhindert würde. „Sie wollen die Affäre todschweigen, das ist armselig.“

„Wir wissen bis heute wenig. Die NSA hat allerdings eingeräumt, dass deutsche KOmmunikation, Internet und Telekommunikation im Bereich ihrer Überwachung liegt. Sie hat lediglich bestritten, dass wir flächendeckend ausgespäht werden. Aber meine Damen und Herren, was heißt schon flächendeckend, wenn millionenfach eMailverkehr und Teleofnate in Deustchland überwacht werden ist das etwas, was die Grundrechte der Bürger in diesem Lande berührt.“ Man könne im übrigen doch kein No-Spy-Abkommen diskutieren ohne zu wissen, „was da überhaupt verhindert werden soll“.

Das war es. Keine Überraschungen. Die FDP-Taktik war, drum herum zu reden, weil man offensichtlich aus Koalitionsgründen nicht sagen konnte, was man vielleicht wirklich denkt. Die CDU/CSU sieht die Debatte als beendet und als reines Wahlkampfmanöver an und möchte so weiter machen wie bisher, die Opposition hat versucht, das ganze nochmal vor der Wahl wahlkampftaktisch zu nutzen und der Bundestag hat wenigstens kurz darüber debattiert.

Es bleibt zu hoffen, dass es im kommenden Bundestag noch zu großen Debatte um das Thema kommen wird wo sich niemand mehr mit Verweis auf Wahlkampf rausreden kann.

16 Ergänzungen

  1. Die FDP hat halt mit Bürgerrechten nichts zu tun, da hilft auch kein Feigenblatt Leutheusser-Schnarrenberger.

  2. > Es bleibt zu hoffen, dass es im kommenden Bundestag noch zu großen Debatte um das Thema kommen wird wo sich niemand mehr mit Verweis auf Wahlkampf rausreden kann.

    Dafür brauchen wir wohl einen Regierungswechsel…

  3. Korrektur:

    “dass der Bundestag über PRISM, Tempora und die Schutzbehauptung der Bundesregierung diskutiert”

    Er sagt Schutzverantwortung, nicht Schutzbehauptung.

  4. Wie armselig ist das denn? Nicht-meine-Regierung. Bleibt zu hoffen, dass der Wähler erkennt, dass eine grosse Koalition nicht etwa die Lösung ist, sondern das akute Defizit noch erheblich verschärft.

      1. Union und SPD haben im Bundesrat derzeit keine gemeinsame Mehrheit (von zwei Dritteln ganz zu schweigen), und auch eine künftige bayerische CSU-Alleinregierung würde daran nichts ändern. Für eine Verfassungsänderung braucht man aber eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern.

  5. Ich hätte nicht übel Lust, mich beim nächsten Wahlkampfstand der CDU mit Spionage-Verkleidung und Zeugs hinzustellen und so zu tun, als ob ich das alles aufnehme. Darf ich ja, bin ja nicht da. Kann mich auf Merkel berufen.

  6. Wär ja mal lustig zu sehen, wie diese „Politiker“ reagieren, wenn mal rauskäm, was die NSA so über die hat. Vermutlich halten sie deswegen möglichst dicht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.