Elon Musk soll laut einem Medienbericht mit dem Rückzug von Twitter aus Europa gedroht haben. Jede Menge Medien haben blitzschnell reagiert und sich dabei auf diesen einen Bericht bezogen – aber Musk dementierte die Drohung nach kurzer Zeit. Ein wunderbarer Medienzirkus ganz nach dem Geschmack des Milliardärs, der Twitter zuerst gekauft und dann zugrunde gerichtet hat.
Wir haben in der Redaktion schon lange aufgehört, detailliert über die vielen großen und kleinen Katastrophen rund um Elon Musk zu berichten. Erst recht, wenn sie auf nur einer einzigen anonymen Quelle beruhen. Ich bin von dem Thema so genervt, dass ich nicht einmal diesen neuen x-beliebigen Namen verwenden möchte, unter dem die Plattform neuerdings auftritt. Ich bin genervt davon, schon wieder über diesen Typen zu schreiben, der Twitter in seinem persönlichen Sandkasten verwandelt hat, und darin ohne Rücksicht auf andere alles kaputt macht, was ihm gerade nicht passt.
Seine Masche ist immer die gleiche: Rumschreien, Poltern, Raunen und Gerüchte verbreiten – und dafür weltweit Aufmerksamkeit bekommen. Vielleicht kam ihm der Trubel von heute auch gerade recht, um von den zeitgleich sinkenden Tesla-Kursen abzulenken. Wer weiß das schon.
Zugleich bin ich natürlich fasziniert, mit welchem Tempo der Milliardär die einstmals wichtigste politische Nachrichten-, Informations- und Debattenplattform im Netz an die Wand fährt. Popcorn. Ungläubigkeit. Aberwitz.
Kaputtgespielt und rechtsradikal abgeschmiert
Vor einem Jahr wäre eine Drohung mit Rückzug noch irgendwie bedrohlich und unvorstellbar gewesen. Heute ist die Plattform so kaputtgespielt und rechtsradikal abgeschmiert, dass man nur noch erleichtert ausrufen möchte: Dann geh doch! Hau doch endlich ab! Spiel doch woanders Demokratiezerstörung!
Twitter stirbt sowieso, Menschen mit Vernunft verlassen schon länger das sinkende Schiff, bauen sich anderswo ihre Kanäle auf. Und mit Mastodon und Bluesky stehen Alternativen bereit, die heute schon mit Leben gefüllt werden. Für die Reichweite von Medien spielt Twitter heute kaum noch eine Rolle mehr, bei nur noch einem Prozent und weniger liegen bei manchen Medien die Klicks, die von der Plattform kommen. Darauf kann man wirklich verzichten, zumal wenn Alternativen am Horizont sind.
Ein Rückzug hat seinen Schrecken verloren
Noch bleiben viele bei Twitter, weil viele nach wie vor bei Twitter sind. So wie ich. Vielleicht sind ein paar auch dort, weil es auf Twitter trotz allem noch funktioniert, Nachrichten in Echtzeit zu verfolgen. Aber das geht schon lange nicht mehr so gut und zuverlässig wie früher. Fakes, Propaganda und Desinformation sind schwerer denn je von seriösen Nachrichten zu unterscheiden. Letztere hat Musk eh schon eingeschränkt, damit Leute nicht auf externe Links klicken.
Doch es ist Wechselstimmung: Mehr als 100 staatliche Institutionen aus Deutschland sind im Fediverse bei Mastodon, ebenso sind viele Bundestagsabgeordnete schon bei Bluesky, wo es auch große Teile der Journalist:innen-Bubble hingezogen hat. Institutionen des Bundes wie die Antidiskriminierungsstelle verkünden ihren Rückzug – und rufen andere auf, es ihnen gleich zu tun.
Das Ende von Twitter hat seinen Schrecken schon lange verloren, und insgeheim hoffen eigentlich viele, dass der Laden jetzt endlich richtig kaputt geht. Ich bin einer von ihnen. Und wenn Musk sich schon nicht selber aus Europa zurückzieht, dann können immer noch wir als Nutzer:innen, Medien und Institutionen Verantwortung übernehmen und diesem Typen gekonnt und gelassen den Stinkefinger zeigen. Wir müssen nur das „Hau doch ab!“ durch ein „Hauen wir ab!“ ersetzen.
„wichtigste politische Nachrichten-, Informations- und Debattenplattform im Netz“ – geht’s noch größer?
Twitter war immer nur ein Scheinriese und hat deutlich an Relevanz und Größe eingebüst, je näher man kam. Nur wollten das ganz viele nicht sehen.
Aus journalistischer Sicht war Twitter in jedem Fall die wichtigste Nachrichten- und Informationsplattform. Nirgendwo war es so einfach politische Ereignisse, Proteste und Kriege, aber auch längere politische Debatten und Auseinandersetzungen einfach zu verfolgen. Dass Twitter gemessen an TikTok, Instagram und Facebook nur wenige Nutzer:innen hatte, tat dem keinen Abbruch, weil dort relevante politische Information zu bekommen war. In diesem Sinne stehe ich vollkommen zu der Aussage und bedaure auch, dass Twitter dies nicht mehr ist und es auch noch keinen adäquaten Ersatz für diese Funktion gibt.
Nein, mit der Dichte an ensprechenden Leuten und der weiten internationalen Praesenz war Twitter schon auch genau das.
Ich will dir so gerne zustimmen, Markus! Also wenn es darum geht, dass die Plattform kollabiert… was ja irgendwie bereits der Fall ist.
Nur wohin dann mit den ganzen durchgeknallten User:innen und Propagandabots? Twitter ist imho ein wichtiger Honeypot 👉 https://www.metacheles.de/p/danke-elon-musk-twitter-ist-der-wichtigste#details
Dann geht Twitter halt kaputt, Facebook säuft ja auch zunehmend ab. Ich werde meinen Teil dazu beitragen indem ich dort noch so viel Trolle wie es nur geht. Twitter ist jetzt mehr so wie 4Chan, ein Drecksloch und ich liebe es !
Ich schließe mich (dem Artikel) an. Mein privater Account ist schon lane platt; der Business-Account ist verwaist. Darüber hinaus: man lese mal Jaron Laniers „Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“, dann zeigt der Kompass vielleicht auch wieder in die richtige Richtung…
Egal, alle meckern über mangelnde Datensouveränität, alle sagen „Du nix User, Du schlimm Produkt!“, aber passieren tut nix.
Letztlich will ich aber auch den (online) Journalismus nicht ungeschoren lassen, denn die Informationen eben genau über die strittigen – oder zumindest diskutablen – Plattformen in die Welt zu tragen, ist aus meiner Sicht ebenfalls zu kritisieren, da genau dieses Tun den User-Lockin stabilisiert; auch die Öffentlichrechtlichen seien hier erwähnt… war da nicht gerade was zu fetten WhatsApp-Streams?!?
Naja, wenn Jaron Lanier etwas sagt, sollte man das immer sehr skeptisch hinterfragen 8)
Leider klammern sich noch viel zu viele große Accounts an dieses „X“. Sie fürchten um ihre Reichweite, dabei erreichen sie fast nur noch Bots, rechte Trolle und rechtsexreme Profile. Auf diese Form von Reichweite sollte man lieber verzichten. ich bin mal vor einigen Tagen mit meinem Google Account auf dieses Sifftwitter gegangen. Habe mir als Beispiel Beiträge der Tagesschau ausgesucht. Geschätzt 90% Prozent aller Kommentare waren rechter Müll, Hass, Hetze und Beleidigungen.
Ob Bluesky wirklich eine Alternative darstellt, bleibt abzuwarten. Dieses elitäre Gehabe mit den Invite Codes finde ich eher abschreckend und keineswegs „Social“. Ich persönlich fühle mich auf Mastodon sehr wohl und bekomme genug Politik mit, um informiert zu sein.
Es gibt inzwischen Nachrichten aus diversen nicht-EU Ländern, dass Leute sehr erfreut wären, wenn xhitter sich auch bei Ihnen verabschieden würde. „Get rid of this racist, fascist media outlet with no cost in our country? Can we be first? Pretty please?“
Danke, danke, danke!
Du sprichst mir aus der Seele, inhaltlich und sprachlich genau meine Kragenweite. ;-)
Aber netzpolitik x-t noch ;-)
Ja, da diskutieren wir in der Redaktion gerade drüber.
Markus Reuter sagt: „Ja, da diskutieren wir in der Redaktion gerade drüber.“
Das Wertvollste, dass ihr verlieren könnt ist Eure Glaubwürdigkeit.
Valide Informationen auf X posten macht nicht unglaubwuerdig.
Drama-Queens wie Sixtus sehen das natuerlich(sic!) anders. Aber denen geht es auch idR nicht um valide Informationen.
Was ist Sixtus?
> Valide Informationen auf X posten macht nicht unglaubwuerdig.
Das Problem der Glaubwürdigkeit besteht durch die Diskrepanz der weiteren Nutzung zum eigenen Vorteil trotz weitestgehender journalistischer Kritik am Management von Ex-Twitter und der rechts-libertären Haltung von Elon Musk.
Ehrlich gemacht hat man sich, wenn eigenes Handeln in Einklang mit den publizierten Werten gebracht worden ist.
Ich mag diesen pauschalen Vorwurf nicht. Für die Recherche Twitter zu nutzen, wird erstmal nicht weggehen. Das ist klar. In Sachen Debatte mache ich auf Twitter schon länger fast nichts mehr und schaue kaum noch vorbei. Da sind Mastodon und Bluesky viel besser für, weil es da Debatte und Interaktion gibt, die diesen Namen auch verdient. Dort ist auch mittlerweile ein großer Teil der Community.
Und natürlich ist mir bewusst, dass es einen Widerspruch gibt, wenn ich bei Twitter noch Artikel poste und dass ich so dabei mithelfe, dass diese Plattform weiterlebt. Auf der anderen Seite denke ich, dass die Inhalte überall hinsollten, wo Menschen sind. Als Medium betreibt netzpolitik.org (nach langer, intensiver Diskussion) weiterhin die Facebook-Seite, auf der automatisch gepostet wird, weil es auch da Menschen gibt, die unsere Artikel lesen wollen. Und es geht ja bei Journalismus, gerade auch bei unserem, nicht um den „eigenen Vorteil“, sondern auch um wichtige Themen, die Öffentlichkeit brauchen.
Aber wie gesagt: Twitter stirbt und vermutlich wird es nicht mehr lange dauern, bis ich persönlich meinen Account dort nur noch vollkommen passiv für Recherche nutze.
Wenn man Sixtus nicht kennt, muss man Sixtus auch nicht kennen, kein Grund fuer FOMO.
Nach der Ankündigung von Musk habe ich direkt meinen Account bei Twitter geschlossen. Ich musste ihm einfach zuvorkommen. :-) War aber auch schon ein längerer Abnabelungsprozess.
Ich glaube, einige hängen einfach noch an ihren tausenden Followern, die sie auf den Alternativen erst wieder aufbauen müssten. Ich hatte nur 330, auf Mastodon sind es zurzeit nur 5.
LinkedIn ist für mich zurzeit die beste Plattform. Und vielleicht sollte man sowieso nicht zuviel Social konsumieren. Zuviel davon baut einen dieser Tage nicht unbedingt auf, auch auf LinkedIn nicht.