Falsche Angaben wegen „Programmierfehlers“: FBI sitzt doch nicht auf tausenden gesperrten Mobilgeräten

Ein „Programmierfehler“ sei die Ursache: Die Anzahl mobiler Geräte, auf die das FBI im vergangenen Jahr wegen Verschlüsselung nicht zugreifen konnte, wurde weit überhöht angegeben. Die tatsächliche Anzahl gesperrter Geräte liegt statt bei 7.800 in Wahrheit nur bei etwa 1.200.

Ohne Zugriff fürs FBI? Zwei Männer an ihren Mobiltelefonen. CC-BY 2.0 Garry Knight

Eine zentrale Begründung für Forderungen danach, staatliches Hacken zu erlauben oder Hersteller zu Hintertüren zu verpflichten, ist die mittlerweile alltägliche Verwendung von Verschlüsselungsmaßnahmen. Dass man deswegen kaum mehr an gespeicherte Daten gelange, hatten Geheimdienste und Polizeien in den Vereinigten Staaten immer wieder betont. In dieser „Going dark“-Diskussion musste das FBI jetzt einräumen, Unwahrheiten verbreitet und den US-Kongress belogen zu haben. Hinter dem Begriff „Going dark“ verbirgt sich eine schon Jahre anhaltende Diskussion darum, ob und in welchem Maße Polizeien und Geheimdienste durch Verschlüsselung von Informationen abgeschnitten werden und damit quasi „im Dunkeln“ stehen.

Bereits der ehemalige FBI-Chef James Comey hatte die „Going dark“-Diskussion befeuert. Seit einer Schießerei mit vielen Toten in Kalifornien im Jahr 2015, bei der ein iPhone des toten Täters durch das FBI zunächst nicht entsperrt werden konnte, nahm die Diskussion weiter Fahrt auf. Das FBI forderte damals vom Hersteller Apple, eine Hintertür zu bauen, um den Zugang zu gewähren. Apple lehnte öffentlichkeitswirksam ab. Im Zuge des Streits zwischen dem FBI und Apple stellte die Behörde den Fall als einen von tausenden dar, bei dem auf Inhalte von mobilen Geräten nicht zugegriffen werden könne.

FBI hat die Öffentlichkeit belogen

christopher wray
Der neue FBI-Chef Christopher Wray legt seinen Amtseid ab, 2. August 2017. - Alle Rechte vorbehalten FBI

Letzte Woche kam raus: Das FBI hatte die US-Abgeordneten und die Öffentlichkeit belogen und falsche Zahlen genannt, als es behauptete, bei insgesamt 7.775 Geräten sei man außer Stande, die Verschlüsselung zu umgehen. Auch der neue FBI-Chef Christopher Wray hatte sich die Zahl zu eigen gemacht und erklärt, dass seine Behörde im Jahr 2017 auf knapp 7.800 Geräte wegen Verschlüsselung nicht hätte zugreifen können.

Wray hatte das im Dezember 2017 auch offiziell zu Protokoll gegeben (pdf):

In […] 2017, the FBI was unable to access the content of approximately 7800 mobile devices using appropriate and available technical tools, even though there was legal authority to do so.

(2017 war das FBI nicht in der Lage, mit den passenden und greifbaren technischen Werkzeugen auf den Inhalt von 7.800 Mobilgeräten zuzugreifen, obwohl eine rechtliche Erlaubnis dazu bestand.)

Diese Zahl war jedoch nicht nur falsch, sondern ausgesprochen stark übertrieben. Nach Angaben der Washington Post hätte ein namentlich nicht genannter Insider …

… estimate put the correct number of locked phones at 1,200, though officials expect that number to change as they launch a new audit, which could take weeks to complete.

(… geschätzt, dass die korrekte Anzahl gesperrter Telefone bei 1.200 liegt, obwohl Behördenmitarbeiter erwarten, dass sich diese Anzahl nach einer neuen Überprüfung noch ändert, die allerdings Wochen dauern könnte.)

wyden tweet fbi
US-Senator Ron Wyden: Das FBI sagt, es könne in 7.800 verschlüsselte Telefone nicht einbrechen. Die tatsächliche Zahl liegt bei weniger als einem Sechstel davon – oder noch niedriger.

Auch wenn noch einige Zeit ins Land gehen mag: Um die Nennung einer korrigierten Anzahl wird sich das FBI nicht drücken können.

Das FBI räumte immerhin am Dienstag die falschen Angaben zu den gesperrten Mobilgeräten ein. Belogene Abgeordnete wie der US-Senator Ron Wyden zeigten sich entsprechend ungehalten. Wyden hatte den neuen FBI-Chef Wray schon nach dessen erster öffentlicher Rede im Januar 2018 schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass er dessen verschlüsselungsfeindliche Positionierung ablehne und auf wahrhaftigen Argumenten bestehe. Wray hatte mit dieser ersten Rede erneut die „Going dark“-Diskussion angestoßen und von den amerikanischen Tech-Firmen einen nicht näher erläuterten „Secure Golden Key“ (sicheren goldenen Schlüssel) für Ermittlungsbehörden gefordert, um Verschlüsselung umgehen zu können.

Jetzt wandte sich Wyden erneut schriftlich an Wray, um wegen der Berichterstattung über die falschen Zahlen seine Beunruhigung darüber auszudrücken, dass die Öffentlichkeit und die Abgeordneten durch das FBI wiederholt in die Irre geführt worden seien. Er unterstellt der Behörde, damit nur die eigene „Agenda“ unterstreichen und Verschlüsselungsmaßnahmen insgesamt diskreditieren zu wollen.

„Programmierfehler“

Laut Wall Street Journal wies das FBI am Mittwoch allerdings absichtliches Lügen weit von sich. Als Grund für die deutlich überhöhte Zahl nannte die Behörde einen Zählfehler: Man würde drei verschiedene Datenbanken nutzen, weswegen Telefone, Tablet oder andere tragbare Geräte mehrfach gezählt worden wären. Es handele sich um Programmierfehler:

The FBI’s initial assessment is that programming errors resulted in significant over-counting of mobile devices reported.

(Die Ersteinschätzung des FBI ist, dass Programmierfehler dazu geführt haben, dass es zu einer signifikantem Überzählung der Mobilgeräte kam.)

Auch wenn die Zahl der gesperrten und damit unzugänglichen Geräte deutlich weniger als zunächst angegeben sei, blieb das FBI bei seiner Position, dass die Nutzung von Verschlüsselung ein ernstes Problem für die Behörde sei.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

7 Ergänzungen

  1. Und wir bleiben bei unserer Position, dass die Nutzung von Verschlüsselung etwas gutes ist.

  2. Demnach gibt es neben kaufmännischem Runden, wissenschaftlichem Runden, Aufrunden, Abrunden jetzt auch noch Sicherheits-/Geheimdienstrunden.

    1. Letztere treffen sich mit Vorliebe in Dunklen Ecken. Das haben sie mit den Verbrechern gemein. Wobei die Definition dessen was ein Verbrechen ist immer weiter zur Trivialität wandert. Und so schließt sich der Kreis (die Runde) und umzingelt DEN BÜRGER (minus ein paar Geheimdienst-hanseln).

      Es mag Runden geben da läuft es „wie geschmiert“, doch das hier läuft einfach nur UNRUND.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.