Glenn Greenwald setzt sich in einem Beitrag für das Cato Unbound Online-Magazin mit dem digitalen Überwachungsstaat am Beispiel der USA auseinander. Beflügelt vom 9/11-Trauma und Bush’s Patriot Act sei es zu einer „Mehr Überwachung ist immer besser“-Einstellung gekommen, die auch die Obama-Administration mit dem Totschlag-ArgumentStichwort „Terrorismus“ weiter vorantreibe.
2005 zum Beispiel habe die Bush-Administration von der NSA das Abhören von Bürgern ohne gerichtlichen Beschluss oder externe Kontrolle verlangt, was zu diesem Zeitpunkt (noch) eine verbotene Straftat war. Doch zu Verurteilungen kam es nicht: Obama immunisierte die beteiligten Telefonanbieter, legalisierte deren Praktiken mit dem Protect America Act (2007, noch als Senator), und weitete die Möglichkeiten zur Überwachung ohne richterlichen Beschluss mit dem FISA Amendments Act (2008, als Präsidentschaftskandidat) sogar noch aus.
Dabei wurde natürlich versichert, dass eine Übersicht erstellt werden würde, und die Berücksichtigung von Bürgerrechten und und die Verhinderung von Missbrauch sichergestellt werden sollten. Stattdessen wurde der Patriot Act 2006 mit Hilfe der Demokraten, und 2010 von der Obama-Administration verlängert, ohne dass über Einschränkungen ernsthaft diskutiert worden sei.
Weiterhin bedauert er, dass zur behördlichen Erfassung der Verschreibung von Medikamenten(!) und der klassischen Vorratsdatenspeicherung, die beide bereits stattfinden, sowie einem neuen Vorstoß zu biometrischen Ausweisen kaum eine gesellschaftliche Debatte stattfände.
Ansonsten habe die Obama-Administration dann noch Email-Überwachung ohne richterlichen Beschluss oder externe Kontrolle im Angebot.
Every day, collection systems at the National Security Agency intercept and store 1.7 billion e-mails, phone calls and other types of communications.
Quelle: Washington Post – Top-secret America
Das Paradoxon: Die erhoffte Sicherheit sei damit keinesfalls erweitert, sondern eher eingeschränkt worden, da der Heuhaufen, in dem die Nadel des Terrorismus gesucht werden muss, unermesslich größer würde. Selbst mit computergestützter Auswertung werde es zunehmend schwieriger, wenn nicht unmöglich, wichtige Punkte zu einem Ganzen verbinden (Anm. L.N.: Ein Zustand, der bestimmt nicht dauerhaft sein wird).
Besonders besorgniserregend findet er aber die zunehmende Privatisierung des Überwachungssektors.
Greenwald’s Essay ist der Leitartikel dieser Ausgabe des Magazins. Auf der dazugehörigen Website finden sich Reaktionen von Paul Rosenzweig (beschwichtigend), John Eastman (für die Überwachung), Julian Sachez (über die strukturellen Bedingungen und die Unmöglichkeit, Missbrauch zu verhindern). In diesem Zusammenhang ist vor allem die Washington Post Online Ressource „Top-secret America“ interessant.
Danke @Linus für diese gute Zusammenfassung. Bitte weiter so.
Wenn die Demokraten all diese bürgerrechtsfeindlichen Vorhaben mittragen, haben die Amerikaner überhaupt noch eine politische Alternative? Ich meine, außer die EFF zu unterstützen. Wobei ich mich gleichzeitig frage, ob deren Gesellschaft überhaupt schon so weit ist, die Notwendigkeit einer solchen zu sehen, wenn Datenschutz momentan so wenig ernst genommen wird.
Wie stehen denn die dortigen Hacker-Vereinigungen dem Thema gegenüber? Und gibt es dort nicht auch eine Piratenpartei? Von der geplanten Gründung meine ich gelesen zu haben.
Da fällt mir nur noch ein … wie lange noch bis zur Machtergreifung, damit auch die Amerikaner dieses tolle Gefühl einmal kennenlernen, welches die Deutschen schon vor 70 Jahren erfasste. Aber die Glosse dazu gibt es schon, oder besser noch, bis die wegzensiert wird *g* http://qpress.de/2010/08/02/obama-verlangert-seine-amtszeit/
Das Land wird untergehen, das ist doch klar, wie damals die UDSSR. One down, one to go. Und dann droht wohl die „Machtergreifung“.
Obama ist ja noch moderat. In den USA gibt es die riesige Desinfokampgne, damit der wütendende Mob sein Ziel hat. Da kommen die Moslems gerade recht. Auch Obama wird gebasht. Und Steuern für die Reichen, denn die findet der Tea Party-Pöbel besonders ungerecht. Nur wenn man die Reichen noch weniger besteuert, verhindert man den Eintritt in die Phase des Sozialismus, der bekanntlich durch Stalin und Hitler Millionen Menschen das Leben gekostet hat, und sorgt dafür, dass sich Leistung wieder lohnt und die Ärmsten in Freiheit leben können. Aber der irre Terroristenfreund im Weissen Haus, der wohl nicht einmal in den USA geboren sein könnte, will ja zum Massenmord an den Amerikanern mithilfe seines teuflischen Plans zu Einführung der allgemeinen Krankenversucherung schreiten. Oder so, oder anders, irgend einen Scheiss erzählt man halt dem Pack und lässt die gequirlte Kacke spritzen.
Die Überwachungsgesetze braucht man schon in den USA für die Zeit, wenn ihnen das Land um die Ohren fliegen wird. Mit den Stimulusprogrammen hat man das „hard landing“ nur herausgeschoben. Warum wird denn so viel in „rechte“ Hassgruppen investiert, die Obama und „Liberalen“ auf den Hals gehetzt werden, und mitnichten die Verursacher der Krise sondern irgendwelche anderen angreifen, die Gesundheitsreform, die Moslems, die Kapitalismuskritiker angreifen? Damit man, wenn es richtig kracht, an der Spitze der Rebellion steht und seine Schäfchen vorher ins Trockene bringen kann.
Aber vielleicht gibt es noch einen Krieg als Stimulus, der sie produktionstechnisch rettet, wie 1941 der späte Kriegseintritt. Wenn man den Amerikanern nur laut und oft sagt, dass Iran Israel vernichten will, glauben sie es irgendwann. Danach können sie später noch über Generationen „Al Quaida im Iran“ bekämpfen oder andere Chimären, denen fällt schon was ein. Ausser vorher bricht der Dollar zusammen.
Überwachung kann so oder so nicht schaden, man wird es brauchen.
Diese ganze Entwicklung war – leider – absehbar, und zwar vom ersten Tag an. Bereits im September 2001 ging das absichtsvolle Geschrei los, tatsächlich so, als hätte man auf die Anschläge gewartet. Aber auch vorher hatten ja z. B. die Betonköpfe in der Bundesrepublik schon versucht, mehr Überwachung zu installieren. Insofern finde ich den Vergleich mit dem NS-Staat – bedauerlicherweise, muß ich hier wieder sagen – nicht so abwegig, wie manche Leute dies tun. Nur daß eben der Überfall auf den Sender Gleiwitz ein absolut billiges, plumpes Schmierentheater war; in der Jetztzeit hat man sich etwas mehr Mühe gegeben. Mir tun die Leute leid, die da, immer noch, drauf reinfallen. Gleichzeitig schockiert es mich doch etwas, daß sich so viele \Normalbürger\ blenden lassen.