Designiertes BundeskabinettVom Lobbyisten zum Digitalminister

Friedrich Merz setzt beim neuen Digitalministerium mit Karsten Wildberger auf einen Mann aus der Wirtschaft. Ihn erwarten große Widerstände und komplexe Aufgaben bei der Digitalisierung. Es wird sich zeigen, ob der politische Neuling nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Zivilgesellschaft im Blick hat.

Karsten Wildberger vor Mediamarkt-Werbung
Kommt mit dem Mediamarkt-Minister der volle Empfang? – Alle Rechte vorbehalten Hintergrund: IMAGO/MIS, Wildberger: IMAGO/Funke Foto Services

CDU und CSU haben am Montag verkündet, wer die Bundesministerien unter der wahrscheinlichen künftigen Kanzlerschaft von Friedrich Merz leiten soll. Viele der Namen waren bereits seit Wochen im Gespräch: So wird Dorothee Bär (CSU) wie erwartet die neue Forschungs- und Raumfahrtministerin, das Innenministerium geht an ihren Parteikollegen Alexander Dobrindt. Der Name des designierten CDU-Digitalministers jedoch stand auf keiner der Listen, die in den letzten Tagen in der Medienlandschaft kursierten: Karsten Wildberger soll den Posten bekommen.

Wildberger ist promovierter Physiker, nach seiner Hochschulzeit arbeitete er bis 2003 zunächst in der Unternehmensberatung bei der Boston Consulting Group und wechselte dann zu T-Mobile, wo er in Großbritannien und Deutschland tätig war. Ab 2006 war er bei Vodafone Rumänien in verschiedenen Vorstandspositionen, kehrte dann für zwei Jahre zur Unternehmensberatung zurück, um ab 2013 in die Geschäftsführung des australischen Telekommunikationsunternehmens Telstra zu wechseln. Ab 2016 war er fünf Jahre lang Vorstandsmitglied beim Energieversorger E.on SE, bis er 2021 seine bisherigen Posten übernahm: Seitdem ist er Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG und Geschäftsführungsvorsitzender der Media-Saturn-Holding GmbH.

Wildberger war in der Vergangenheit kein Politiker, hat sich aber schon seit 2017 im Wirtschaftsrat der CDU engagiert. Der Verein ist kein offizielles Parteigremium, sondern vielmehr ein Lobbyverband von CDU-nahen Unternehmer:innen. Auch Wildberger ist bislang im Lobbyregister des Bundestags als Interessensvertreter eingetragen, 2021 wurde er zum Vizepräsidenten des Vereins. Von dort dürfte er auch Friedrich Merz kennen, den er in dieser Position ablöste.

Sonntagsöffnung und Elektroabwrackprämie

Seine bisher prominentesten politischen Forderungen bezogen sich bisher darauf, etwa die Sonntagsöffnung von Läden zu erlauben oder eine Abwrackprämie für Elektroaltgeräte einzuführen.

Der 56-Jährige wird seine Aufgaben bei der Ceconomy AG zum 5. Mai aufgeben. In einer Pressemitteilung (PDF) teilt er mit : „Digitalisierung und Technologie waren prägende Themen meiner beruflichen Laufbahn, und das neue Ministerium wird eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung unseres Landes spielen.“

Im Januar äußerte sich Wildberger auf einer Wirtschaftsrat-Veranstaltung über seine Erwartungen an die kommende Bundesregierung und wünschte sich unter anderen Mut zur Innovation und eine klare Führung, wobei er Meta-Chef Mark Zuckerberg und seine Virtual-Reality-Investitionen als Beispiel nannte. Im Gegensatz zu Zuckerberg, der mit dem VR-Geschäft bisher jährlich Milliardenverluste macht und wohl weiter auf den Durchbruch hofft, soll Wildberger nun die deutsche Verwaltung schnell auf Vordermann bringen.

Banner mit Text: Koalitionsvertrag so: Überwachung und Rückschritt Ich so: Spende an netzpolitik.org

Doch statt einen Konzern umzubauen, muss er nun ein neues Ministerium aufbauen. Mit Mottos seiner bisherigen Märkte wie „Geiz ist geil“ lassen sich die notwendigen Investitionen in die digitale Infrastruktur ganz sicherlich nicht überschreiben. Auch das Zuständigkeitswirrwarr von Kommune bis Bund mit zahlreichen Räten und Gremien dazwischen dürfte den Unternehmensgewöhnten vor neue Probleme stellen.

Vom Unternehmen zum Politikbetrieb

Ein weiterer Kampf, der sich andeutet, betrifft die Frage: Wofür soll das Digitalministerium überhaupt zuständig sein? In seiner neuen Rolle dürfte Wildberger früh auf Widerstände stoßen, denn im neuen Haus sollen Bereiche gebündelt werden, die bisher in der Hoheit anderer Häuser lagen. Die Verwaltungsdigitalisierung war etwa bisher im Innenministerium angesiedelt, die Startup-Förderung im Wirtschaftsministerium. Ob es dabei zu Konflikten und Verzögerungen kommt und ob sich seine Management-Fähigkeiten aus der Privatwirtschaft ohne weiteres auf einen Staatsapparat übertragen lassen werden, wird sich zeigen müssen.

Kristina Sinemus, die ebenfalls als Quereinsteigerin in die Politik wechselte und in Hessen das Digitalministerium aufbaute, sagte in einem Interview aus dem Jahr 2022 zu den Kulturunterschieden zwischen Politik und Wirtschaft: „Ich habe lernen müssen, dass Verwaltungshandeln umfassend abgesichert sein muss und mit einem Wirtschaftsunternehmen grundsätzlich nicht vergleichbar ist.“ Sinemus war in mehreren Medienberichten als wahrscheinliche Kandidatin für das Bundesministerium genannt worden, gerade aufgrund ihrer Erfahrung im Aufbau eines gänzlich neuen Ressorts. Doch offenbar setzte sich der Wunsch durch, jemanden „von außen“ auf den anspruchsvollen Posten zu rufen.

Zur Seite steht dem designierten Digitalminister dabei einer mit zwar weniger Lebensjahren, aber dennoch mehr realpolitischer Erfahrung: Philipp Amthor. Der CDU-Mann aus Mecklenburg-Vorpommern ist häufiger beim Wirtschaftsrat zu Gast und soll neben Thomas Jarzombek einer der Parlamentarischen Staatssekretäre im neuen Ministerium werden. 2020 geriet er in einen Lobbyskandal, der sich um sein Verhältnis zum Unternehmen Augustus Intelligence drehte, später kamen Betrugsvorwürfe dazu, die der Insolvenzverwalter des inzwischen Pleite gegangenen Startups erhob. Kürzlich bezeichnete Amthor seine Tätigkeit für Augustus Intelligence als seinen „größten politischen Fehler“. In den Koalitionsverhandlungen hatte eine Arbeitsgruppe unter seiner Führung die Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes in seiner bisherigen Form gefordert.

Ob die Wirtschaftsfreunde, die nun das Staatswesen modernisieren sollen, auch die gesellschaftlichen Fragen der Digitalisierung und nicht nur Effizienzsteigerung und Wirtschaftsförderung im Blick haben? Ihr Profil lässt davon wenig ahnen. Doch gerade Fragen der Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit sind bei der Digitalisierung der Verwaltung ebenso unerlässlich wie die Einbindung der Zivilgesellschaft.

Hinweis: Wir haben den Vornamen des designierten Innenministers Dobrindt korrigiert.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

10 Ergänzungen

  1. Also keinerlei Ahnung von öffentlicher Verwaltung oder Gemeinwohlorientierung. Dafür Amthor mit solider Erfahrung in „Wirtschaftsförderung“.

    Klare Aussage zum vorgegeben Kurs.

  2. Wie denkt Alexander Dobrindt, und wie wird er als BMI handeln?

    Die „Festung Europa“ wird diskursfähig, ein Begriff aus dem Arsenal von Goebbels. Alexander Dobrindt beschwört eine konservative Revolution, also jene rechte Chiffre des Kampfes gegen die Weimarer Republik, die den Nazis die Tür zur Machtergreifung geöffnet hat. Andere fabulieren unter Zustimmung aus der Union von der neuen Achse Berlin-Wien-Rom, ganz so, als müsse die christliche Demokratie in nationalen Stahlgewittern gebadet werden.

    https://www.welt.de/debatte/kommentare/article179084076/Migration-Ploetzlich-ist-ein-Begriff-aus-Goebbels-Arsenal-diskursfaehig.html

    1. Was hat das jetzt mit dem Artikel zu Wildberger zu tun? Thema Verfehlung. Für Dobrindt gibt es einen eigenen Artikel von netzpolitik auf der Startseite.

      1. Wenn Sie nur ein wenig aufmerksamer lesen könnten, dann hätten Sie vielleicht(!) bemerkt, dass der Artikel zu Alexander Dobrindt am 29.04.2025 um 13:38 Uhr erschienen ist, also ein Tag nach dem Kommentar.

        Sie haben vielleicht auch nicht bemerkt, dass der Name Dobrindt in diesem Artikel erwähnt wird. Insofern war das keine „Thema Verfehlung“ sondern ein ziemlich relevanter Hinweis, dem sogar ein eigener Artikel folgte.

        Ich empfehle Ihnen mehr Gelassenheit. Diese wirkt allgemein auch günstig auf Lesekompetenzen, und erspart anderen hier in der Folge entbehrlichen Noise.

        1. Das Dobrindt erwähnt wird, ändert nichts an dem Hauptthema des Artikel, dem kommenden Digitalministers.

          Themaverfehlung ist hier durchaus vorhanden, da musst du dich nicht gleich angegriffen fühlen und emotional reagieren.

  3. Komme uebrigens bitte keiner mit „aber der hat Kundenorientierung“: ein Buerger ist kein Kunde des Staates und der Staat kein Wirtschaftsunternehmen.

    Fuer ein profitorientiertes Unternehmen, das per Definition primaer fuer den eigenen Gewinn existiert und agiert, sind Kunden eine maximal auszunutzende Geldquelle. Wenn es der Profitmaximierung zutraeglich ist, dass es Kunden gut geht, dann wird man das versuchen. Wenn es der Profitmaximierung zutraeglich ist, dass es Kunden schlecht geht, dann wird man das umsetzen. Darueber hinaus gewaehrt man dem Kunden nur die Rechte, die der auf Grund gesetzlicher Regelungen vor Gericht durchsetzen kann. Das ist in der wettbewerbsorientierten Markttheorie prinzipiell auch zulaessig, denn der Kunde kann ja zur Konkurrenz gehen.

  4. Man sollte erst mal neutral auf die Sache schauen: Der Mann ist promovierter Physiker, kein vorbelasteter Politiker und auch kein Jurist. Gerade das ist vielleicht von Vorteil für seine kommende Arbeit. Noch hat er im anstehenden politischen Betrieb nichts gemacht, was man ihm positiv oder negativ zusprechen kann. Man sollte dem Mann eine faire Chance einräumen. Die hat jeder erst mal verdient.

    1. Der Mann hat zwar in Physik promoviert, hat aber nie als Physiker gearbeitet. Nach dem er den „Dr.“ in der Tasche hatte, erwarb er anschließend einen MBA an einer privaten Graduate Business School. Damit machte er Karriere im Elektronik-Einzelhandel und als Vorsitzender der Lobbyorganisation „Wirtschaftsrat der CDU“.

      Auch wenn er formal seine Interessenskonflikte durch Beendigung direkter Betätigungen auflöst, so bleibt er doch weiterhin seinem „Lobbyisten-Netzwerk“ verbunden.

      Bei dieser Personalie wird man also besonders genau hinsehen müssen, ob der „Herr Dr.“ eine dem Land förderliche Digital-Politik machen wird, oder doch eher dazu neigt, Geschäfte für interessierte Kreise anzubahnen.

      1. „Der Mann hat zwar in Physik promoviert, hat aber nie als Physiker gearbeitet.“

        In der Physik gilt die Promotion als erste wissenschaftliche Arbeit, dauert eher 5 als 3 Jahre. Und mit einem Ghostwriter kommt man da nirgendwo hin.

        1. Für eine Einordnung hätte mir auch das Diplom gereicht.
          – Aber nicht forschend und publizierend tätig.
          – Aber Dengelscore unter 12.
          – Aber keine Anstellung in Harvard.
          – Aber noch nicht mindestens seit 23 Jahren als Professor an einer Hochschule angestellt.
          – Aber, aber, aber…

          Das Potential eines Physikstudium komplett auszukärchern ist nicht einfach. Ansonsten allerdings guckt man schon auf das was unter der Verantwortung eines Ministers oder einer Führungsperson passiert ist. Mag sein, dass das bisher so Spassministerien waren, also Kanzler oder Bertelsmänchen sagen wo es langgeht, und der Minister darf den Kopf für seine Pension hinhalten, wer weiß das schon so genau. Dennoch bleibt nicht viel anderes übrig, als die Taten in Verantwortung zu bewerten, sowie das Potential und das Maß an Autonomie für die anstehenden Aufgaben einzuschätzen.

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.